Von Geschwisterliebe ist im Verhandlungssaal des Bezirksgerichts Pfäffikon ZH nichts zu spüren. Dort sitzen zwei Brüder und würdigen sich keines Blickes. Der ältere ist 50-jährig und mit seinem Anwalt erschienen, der jüngere, 45, ist ohne Anwalt da.
Der jüngere Bruder besitzt die Aktien des Unternehmens, das im Druck- und Werbebereich tätig ist. Er ist auch Geschäftsführer und sitzt im Verwaltungsrat. Sein Bruder war bis 2013 ebenfalls im Verwaltungsrat. Nun klagt der Ältere aus seiner Tätigkeit für die Firma auf Sitzungsgelder von insgesamt 8000 Franken.
Laut seinem Anwalt hat der Kläger in den Jahren 2011 und 2012 an acht Verwaltungsratssitzungen teilgenommen. «Gemäss dem Verwaltungsratsreglement der Firma beträgt das Fixhonorar 3000 Franken pro Jahr, und pro Sitzung sind weitere 250 Franken geschuldet.» Das ergibt insgesamt 8000 Franken. Der Firma sei es bereits 2010 nicht gut gegangen, deshalb hätten damals für dieses Jahr alle vier Verwaltungsräte auf ihr Honorar verzichtet. In den beiden Folgejahren sei es aber wieder aufwärtsgegangen. «Es resultierte ein Gewinn von mehreren Hunderttausend Franken, Dividenden wurden ausgeschüttet.»
Uneinigkeit über «angemessenes Gewinnpolster»
Laut Anwalt hat sein Klient daher in der Verwaltungsratssitzung vom 16. April 2012 gefragt, wann er sein Honorar erhalte. Sein Bruder antwortete, dass erst bei einem «angemessenen Gewinnpolster» wieder über eine Entschädigung diskutiert werden könne. Für den Anwalt ist klar: «Diese Voraussetzung war in den Jahren 2011 und 2012 erfüllt. Meinem Klienten stehen deshalb die 8000 Franken zu.»
Der beklagte jüngere Bruder will davon nichts wissen. Alle Mitglieder des Verwaltungsrates hätten nicht nur für das Jahr 2010, sondern auch für die Folgejahre auf ein Honorar verzichtet. «Das belegen die Verwaltungsratsprotokolle, die einstimmig genehmigt wurden.» Dazu komme, dass die Firma 2011 und 2012 bloss einen kleinen Gewinn gemacht habe – «sicher nicht im Umfang von mehreren Hunderttausend Franken».
Der Anwalt des Klägers widerspricht und verweist auf die Verwaltungsratsprotokolle. Dort stehe nirgends, dass der ältere Bruder auf sein Honorar verzichtet hätte.
Gericht schlägt einen Vergleich vor, um Kosten zu sparen
Nach einer kurzen Pause erklärt die Einzelrichterin, für sie sei die Rechtslage eindeutig. «Aus den fünf eingereichten Verwaltungsratsprotokollen ergibt sich nicht, dass der Kläger auf seine Verwaltungsratshonorare für die Jahre 2011 und 2012 verzichtet hätte.» Ihm stünden die 8000 Franken deshalb zu.
Sie rät dem jüngeren Bruder, die Klage anzuerkennen und das Geld zu zahlen: «Wenn wir das Verfahren heute abschliessen, kann ich die Gerichtskosten reduzieren. Und vielleicht verzichtet der Kläger auf eine Entschädigung für seinen Anwalt, die sonst Sie bezahlen müssten.»
Nach einigem Zögern willigt der Beklagte ein, die 8000 Franken zu zahlen. Die Parteien vereinbaren weiter, dass er auch die Gerichtskosten von 500 Franken übernimmt, dafür aber seinem Bruder für dessen Anwalt keine Entschädigung zahlen muss.
Der Beklagte wünscht sich eine Woche Bedenkfrist, um sich das Ganze noch einmal in aller Ruhe zu überlegen. Er widerruft den Vergleich. Das bedeutet: Das Verfahren wird fortgesetzt – und sicher viel teurer.
Vergleich mit Bedenkfrist
Die weitaus meisten Prozesse um Geldforderungen enden mit einem Vergleich. Vorteil: Der Streit ist erledigt, und die Kosten sind viel geringer, als wenn das Gericht ein Urteil schreiben muss. Wer unsicher ist, ob er einen vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich annehmen will, kann einen sogenannten Widerrufsvorbehalt anbringen. Das bedeutet: Der ausformulierte Vergleich wird nur rechtswirksam, wenn ihn keine Partei innert der vereinbarten Frist widerruft. Solche Bedenkfristen sind vor allem für nicht anwaltlich vertretene Parteien sinnvoll. So können sie innert der Widerrufsfrist einen Anwalt kontaktieren und sich beraten lassen.