Blogs auf Newsportalen: Von banal bis nützlich
Wer etwas zu sagen hat, schreibt einen Blog auf einem Internet-Newsportal. Wer nichts zu sagen hat, ebenfalls.
Inhalt
saldo 03/2013
20.02.2013
Rolf Hürzeler
Hätten Sie das gewusst? «Die Kommode ist einfach da, wo wir sie brauchen, und bietet auf eine ihr eigene, diskrete Art viel Platz.» Das ist die Erkenntnis einer Autorin, veröffentlicht im «Sweet Home»-Blog im Newsnetz des «Tages-Anzeigers», dem auch die Redaktionen von «Bund», «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung» angeschlossen sind. Die Erkenntnisse über die Kommode haben unter den Lesern des Blogs keine R...
Hätten Sie das gewusst? «Die Kommode ist einfach da, wo wir sie brauchen, und bietet auf eine ihr eigene, diskrete Art viel Platz.» Das ist die Erkenntnis einer Autorin, veröffentlicht im «Sweet Home»-Blog im Newsnetz des «Tages-Anzeigers», dem auch die Redaktionen von «Bund», «Berner Zeitung» und «Basler Zeitung» angeschlossen sind. Die Erkenntnisse über die Kommode haben unter den Lesern des Blogs keine Resonanz ausgelöst. Verständlich.
Ganz anders reagierte die Leserschaft des gleichzeitig aufgeschalteten «Politblogs» zum Thema «Schwangerschaftsabbruch und die Menschenrechte». Der Beitrag provozierte 182 Leserreaktionen – und das in zwei Tagen. Die Antworten bieten eine anschauliche Zusammenfassung der aktuellen Debatte über dieses Thema im Hinblick auf die Abstimmung im nächsten Herbst. Dort geht es darum, ob die Grundversicherung für Schwangerschaftsabbrüche bezahlen soll. Der Blog bringt zahlreiche Argumente dafür und dagegen – ein guter Service zur Meinungsbildung.
Aber weshalb gibt es Blogs? Ganz einfach: Die Internet-Nachrichtenportale müssen möglichst viele Leser finden, um Werbung verkaufen zu können. Dazu schalten die Redaktionen kurze Artikel auf, in denen eine These vertreten wird – eben wie zum Beispiel, dass der Schwangerschaftsabbruch ein Menschenrecht sei. Damit provozieren sie Aufmerksamkeit.
Blogs werden auch für Lobbying missbraucht
Leser sind gut beraten, die Beiträge kritisch zu betrachten. Bekannt ist, dass Lobby-Organisationen und PR-Agenturen die Blogs mit eigenen Stellungnahmen bestücken. So berichtet die NZZ über auffällig viele positive Stellungnahmen zur Stromnetzbetreibergesellschaft Swissgrid in der «Aargauer Zeitung». Manipuliert oder nicht: Der Leser von Blogs weiss nie, auf welche Quellen sich die Einträge stützen.
Mitmachen ist einfach: Leser schreiben in einem Fenster ihre Meinung, geben Namen und E-Mail-Adresse an und schicken die Post ab. Die Redaktion filtert in der Regel unflätige oder verletzende Beiträge heraus (saldo 1/13). Möglich ist auch, dass einzelne Redaktionen unangenehme Meinungen gar nicht publizieren. Das Spektrum der Ansichten bleibt aber breit, wie ein Blick auf die Abtreibungsdebatte zeigt: «Übelster Populismus», «Sie werden ja nicht schwanger», «Seit wann nutzen Vergewaltiger Kondome?», steht dort nebeneinander.
Diskussionen lassen sich über längere Zeit weiterführen
Das Newsnetz publiziert ein halbes Dutzend Blogs, darunter zum Beispiel den Wanderblog «Outdoor» oder den «Mamablog» über elterliche Beschwerlichkeiten. Die Blogger sind teilweise freie Journalisten oder Redaktoren der Newsnetz-Betreiberin Tamedia. Alle drei bis vier Tage wechselt das Thema. Der Zugriff auf frühere Themen bleibt aber erhalten, sodass sich einmal angestossene Diskussionen lange weiterführen lassen. Im Einzelfall ist die Resonanz beachtlich: Beim «Mamablog» meldeten sich 445 Leser zum Thema Pädophilie. Die Verantwortlichen beim «Tages-Anzeiger» behaupten, dass alle Newsnetz-Blogs zusammen im Monat 2,5 Millionen Mal angeklickt werden. Auf jeden Fall ist die Beachtung gross.
Kein Wunder also, dass alle wichtigen News-Portale Blogs führen. Bei NZZ Online etwa schreibt ein Journalist im Blog «Nachgewürzt» über seine schlechten Erfahrungen mit der Bordküche der Swiss – 14 Kommentare. Der Leser findet hier auch nützlichen Service. So hat die Redaktion vier Exponenten zum Disput über die «Abzocker»-Initiative eingeladen, darunter den Mitinitianten Claudio Kuster und den Initiativgegner Pascal Gentinetta vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Sie schreiben Beiträge, die Leserschaft kommentiert: Wer nicht weiss, wie er abstimmen soll, findet hier eine Sammlung aller Argumente.
Breites Spektrum an Themen mit Unterhaltungswert
Das Blogwesen ist bunt wie ein Frühlingsstrauss: Die «Weltwoche» bietet eine Verbindung zur deutschen Site «Achse des Guten», ein rechtsbürgerliches Forum, in dem etwa der konservative Publizist Henryk M. Broder über den Syrienkonflikt poltert.
Die «Basler Zeitung» führt neben dem Newsnetz eigene Blogs, darunter den witzigen Fotoblog einer jungen Künstlerin oder «Unsere kleine Stadt» des unabhängigen Geistes Daniel Wiener, der die Schliessung der hauseigenen Druckerei kritisiert.
Bei der «Neuen Luzerner Zeitung» finden sich unter der Rubrik «Forum» kurze Thesen zu Themen wie «FC Luzern: Schnellrichter im Fussballstadion?» oder die Steuerflucht des Schauspielers Gérard Depardieu. Die Leserresonanz ist allerdings bescheiden.
Umstrittene Themen eher bei grossen Newsportalen zu finden
Bei der «Südostschweiz» bestreiten elf Blogger ein umfangreiches Programm. Darunter der Ex-Touristik-Promoter Hans Peter Danuser und seine Frau Amelie-Claire von Platen. Die Kulturmanagerin nutzt die Plattform gleich für Tourismuswerbung. Weitere Blogthemen: Eine Bäuerin erzählt vom Hofleben und Snowboarderin Simona Meiler berichtet von einem Rennen.
Wer Zeit und Lust hat, für den kann das Surfen durch die Blogs eine unterhaltsame Freizeitbeschäftigung sein. Wer sich bei umstrittenen Themen schlaumachen will, ist bei den grossen Portalen wie Newsnetz oder NZZ Online gut bedient. Und wer seine eigene Meinung kundtun möchte, der kann sich selbst auf Blogs ausbreiten.