Viel Technik fürs Geld: Mit Alltagsvelos fährt man gut
Velos für 1000 Franken sind zumeist von guter Qualität, wie der Test des «Velojournal» zeigt. Doch einige Modelle haben auch ihre Schwächen.
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saldo 3/2006
15.02.2006
Jeannette Büchel
Selbst für wenig ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer liegt die magische Grenze beim Kauf eines Velos bei 1000 Franken: Knapp 70000 Modelle in dieser Preiskategorie werden denn auch jährlich in der Schweiz verkauft. Aus diesem Grund hat das «Velojournal» entsprechende Fahrräder getestet. Die geprüften Modelle sind alle mit Lichtanlage, Gepäckträger, Schutzblech, Kettenschutz und Ständer ausge-rüstet. Es sind Alltagsvelos, die sich für die tägliche Fahrt zur Arbeit genauso eignen wie ...
Selbst für wenig ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer liegt die magische Grenze beim Kauf eines Velos bei 1000 Franken: Knapp 70000 Modelle in dieser Preiskategorie werden denn auch jährlich in der Schweiz verkauft. Aus diesem Grund hat das «Velojournal» entsprechende Fahrräder getestet. Die geprüften Modelle sind alle mit Lichtanlage, Gepäckträger, Schutzblech, Kettenschutz und Ständer ausge-rüstet. Es sind Alltagsvelos, die sich für die tägliche Fahrt zur Arbeit genauso eignen wie für eine ausgedehnte Tour auf Radwegen.
Erfreulich: Hersteller geizen nicht bei der Ausstattung
Die Tester des «Velojournal» haben die Qualität der Fahrräder in der Werkstatt sowie in einem Praxistest geprüft. Das Gesamturteil setzt sich aus den Kriterien Ausstattung, Praxistest und Gewicht der Fahrräder zusammen. Für die Bewertung der Ausstattung massen die Tester den Rundlauf der Räder, die Speichenspannung,
die Felgenwandstärke und die Geometrie des Rahmens. Beurteilt wurde auch die Verarbeitung der Velos sowie die Qualität der verwendeten Komponenten.
Im Praxistest mussten die Velos ihre Fahreigenschaften unter Beweis stellen: Geprüft wurde das Fahrverhalten auf verschiedenen Strassenbelägen wie Asphalt oder Schotter, in engen und weiten Kurven, bei steilen Auf- und Abstiegen, in der Ebene, auf hügeligem Gelände sowie auf Bodenwellen und Randsteinen.
Testleiter Marius Graber zieht ein erfreuliches Fazit: «Weil die Hersteller um die Gunst der Kunden buhlen, greifen sie tief in die Technikkiste.»
Bixs: Hersteller will künftig rostfreie Speichen einsetzen
Die getesteten Fahrräder sind mit Federgabeln, 24-Gang-Schaltungen, Nabendyna-mos, Standrücklichtern und ergonomischen Sätteln ausgerüstet, was bis anhin nur teu-reren Modellen vorbehalten war. Dieses Mehr an Technik zeigt sich auch in den guten Noten der Velos: Zwei der neun Modelle schnitten gut bis sehr gut ab und fünf erhielten das Gesamturteil «gut». Zwei Modelle überzeugten die Tester nicht restlos. «Bei einigen Testvelos geizen die Hersteller mit sinnvoller Qualität, meist dort, wo man es nicht sieht, irgendwann aber trotzdem merkt», so Marius Graber.
So ist zum Beispiel das Velo von Bixs nicht mit rostfreien Speichen ausgestattet. Graber: «Das sieht schnell hässlich aus, und bei diesen Rädern besteht die Gefahr, dass sie mit der Zeit nicht mehr rund laufen.» Die Herstellerfirma Intercycle reagiert prompt auf das Testergebnis. Produkt-Manager Gilbert Henzen: «Bei künftigen Produktionen werden nur noch rostfreie Speichen eingesetzt.»
Negativ aufgefallen sind dem Testteam bei den Velos von Kristall und Bixs die le-diglich aufgeschraubten Freiläufe (Zahnräder) auf den Hinterradnaben. Bei den übri-gen Fahrrädern im Test sind die Freiläufe in die Naben integriert. «Sind diese Teile nur aufgeschraubt, ist das Velo viel anfälliger für einen Achsbruch», erklärt Marius Graber. Das sieht Dölf Baltensperger von Kristall Bikes anders: «Der aufgeschraubte Leerlauf ist kein Nachteil. Der Fahrer merkt davon nichts, aber spätere Reparaturen sind mit weniger Aufwand und daher kostengünstiger möglich.»
Schaltung: Beim Modell Cresta sehr ausgewogen
Bei der Schaltung gilt: Mehr ist nicht unbedingt besser. Entscheidend ist der Unterschied zwischen dem grössten und dem kleinsten Gang, nicht wie viele Gänge ein Velo hat. Der kleinste Gang bestimmt, wie bergtauglich ein Velo ist. Messen lassen sich die Unterschiede mit der sogenannten Entfaltung - der Strecke, die das Rad bei einer Kurbelumdrehung zurücklegt. Mit einer Entfaltung von 1,6 Metern kön-nen sich auch Untrainierte an einen Berg wagen. Wenn der kleinste Gang eine Entfaltung von über 2 Meter hat, wird das schwieriger. Testleiter Graber: «Vorbildlich gelöst ist der Entfaltungsbereich beim Cresta-Velo. Damit hat man am Hang wie auch auf einer abschüssigen Strecke keine Probleme.»
Nabenschaltung: Wenig bis keine Wartungskosten
Simpel-Velo ist als einziges im Test mit einer 8-Gang-Nabenschaltung ausgerüstet, alle andern verfügen über eine 21- oder 24-Gang-Kettenschaltung. Die Kettenschaltungen bieten zwar mehr Abstufungen als die Nabenschaltung. Die hat jedoch den Vorteil, dass sie deutlich weniger gewartet werden muss.
Bis auf zwei Modelle sind alle getesteten Velos mit einer Federgabel ausgerüstet. Das ist komfortabel, hat aber den Nachteil, dass das Velo dadurch schwerer wird. Zudem muss die Federung gewartet und gepflegt werden. Im Test hat sich gezeigt, dass die Federung bei Personen, die weniger als 70 Kilogramm wiegen, gar nicht oder nur wenig anspricht. Marius Graber: «Man kann zwar davon ausgehen, dass die Gabeln nach der Einfahrzeit noch etwas besser funktionieren, dennoch ist der Effekt der Fe-derung in dieser Preisklasse etwas bescheiden.» Leichte Fahrerinnen und Fahrer sind also mit einem ungefederten Velo, wie es Simpel oder Tour de Suisse anbieten, genauso gut bedient.
Bei der Beleuchtung haben die Tester eine Qualitätssteigerung festgestellt. Alle geprüften Velos haben hinten ein Standlicht. Sieben Modelle verfügen sogar über einen Nabendynamo. Dieser hat den Vorteil, dass er selbst bei anhaltendem Regen funktioniert. Wer hingegen nur ab und zu im Dunkeln und meist auf trockener Fahr-bahn unterwegs ist, dem reicht auch ein herkömmlicher Seitendynamo. Mit einem solchen sind die Velos von Mondia und Tour de Suisse ausgerüstet. Das Kristall- Fahrrad verfügt zwar über einen Nabendynamo für das Vorderlicht, beim Rücklicht ist allerdings ein Batterielicht im Einsatz. «Das ist mühsam, denn die Batterien müssen regelmässig überprüft werden», bemängelt Marius Graber. Halb so schlimm, entgegnet Dölf Baltensperger von Kristall Bikes: «Die Batterie halt zirka 100 Stunden, was mindestens für eine Saison ausreicht.»
Wichtig bei der Lichtanlage ist auch eine gute Verkabelung: Nur wenn das Kabel zweiadrig, sauber verlegt und ununterbrochen vom Dynamo bis zu den Lichtern reicht, funktioniert die Beleuchtung zuverlässig. Vorbildliche Lösungen bieten hier die Hersteller von Bixs, Bergamont, Raleigh und Simpel an: Sie verlegen ein durchgehendes zweiadriges Kabel und führen die Kabel auch nicht übers Schutzblech zum Rücklicht, weil dies viel defektanfälliger wäre.
Herkunft «Schweiz» gilt als Prädikat für gute Qualität
Für viele Velokäuferinnen und -käufer ist das Prädikat «Made in Switzerland» gleich-bedeutend mit hoher Qualität. Dessen sind sich auch die Hersteller bewusst: Sechs der neun getesteten Velos tragen auf ihrem Rahmen ein Schweizerkreuz oder Bezeich-nungen wie «Swiss designed», «Swiss finish» oder «.ch». Doch nicht überall, wo Schweiz draufsteht, ist auch Schweiz drin, weiss Marius Graber: «Nur die Modelle von Cresta, Tour de Suisse und Mondia werden auch in der Schweiz montiert. Bei den anderen Modellen findet einzig die Produktentwicklung und allenfalls die Endkontrolle hier statt.»
Weitere Informationen:
«Velojournal», Ausgabe Januar/Februar 2006, für Fr. 4.80 an grösseren Kiosken erhältlich oder zu bestellen unter Tel. 044 242 60 35.
Informationen im Internet:
simpel.ch: www.simpel.ch
Bergamont: www.bergamont.de
Mondia: www.mondia-info.ch
Cresta: www.cresta-swiss-bike.ch
Tour de Suisse: www.tds-rad.ch
Villiger: www.villigerbikes.ch
Raleigh: www.raleigh-bikes.de
Bixs: www.intercycle.com
Kristall: www.bcbike.ch
Darauf müssen Sie beim Velokauf achten
1. «Wofür brauche ich mein Velo?» Darüber sollte man sich vor dem Kauf im Klaren sein. Wer das Velo nur für die Fahrt zur Arbeit braucht, hat andere Ansprüche als jemand, der damit Sport treiben will.
2. Je häufiger man ein Velo benutzen will, desto wichtiger ist es, auf hochwertige Komponenten zu achten. Als Regel empfiehlt das «Velojournal»: Bei intensiver Nutzung von mehr als zweimal pro Woche und auch bei schlechtem Wetter sollte man ein Modell für über 1200 Franken kaufen. Denn bei intensivem Gebrauch sind die Lager und Felgen der geteteten Velos schnell überfordert. Wer das Velo seltener benutzt, ist auch mit einem günstigeren Modell gut bedient.
3. Ein Velo muss die richtige Grösse haben: Am besten lässt man sich bezüglich Rahmengrösse und Sitzposition beraten. Auch die Wahl des Sattels ist entscheidend. Es empfiehlt sich, mit dem Händler ein Umtauschrecht auszuhandeln für den Fall, dass der Sattel drückt.
4. Viele Händler bieten Winteraktionen oder günstige Vorjahresmodelle an. Allerdings lohnt sich ein Schnäppchen nur, wenn das Velo wirklich passt. Denn rasch ist die Freude über das gesparte Geld verflogen, wenn man die falsche Rahmengrösse gewählt hat oder die Sitzposition unbequem ist.