Egal ob Techno, Verdi-Oper oder Baumaschinen. Zu laute Geräusche schaden dem Ohr. Bei längerer Belastung ist gar mit irreparablen Schäden zu rechnen.

André Eichenberger ist seit 42 Jahren Berufsmusiker. Der Fagottist erlitt 1988 nach einer Aufführung einen Tinnitus (Pfeifen und Rauschen im Ohr), der drei Tage andauerte. Das Ohrensausen ist heute weg, aber Eichenberger kann hohe Frauenstimmen nur noch verzerrt hören.


Schwerhörigkeit kommt langsam und tut nicht weh

Das Beispiel zeigt: Nicht nur Rock- und Technomusiker sind gefährdet, auch klassische Musiker. In Opernhäusern und auf Konzertbühnen haben drei Viertel aller Musiker bereits einmal Gehörprobleme erlebt, wie eine Studie der Suva ergab. Die Ohren der Zuhörer bleiben bei einem Konzert meist verschont. Dennoch gilt auch für sie: Zu viel Lärm über lange Zeit kann eine lärmbedingte Schwerhörigkeit verursachen. Das Perfide: Sie tut nicht weh und kommt schleichend. Vielleicht hat man Mühe, beim Telefonieren den Gesprächspartner zu verstehen oder einer Unterhaltung zu folgen. Im schlimmsten Fall ist der Hörverlust irreparabel.

Entscheidend ist nicht nur die maximale Lautstärke, sondern auch die Belastungsdauer. Lärm und Geräusche werden in Dezibel (dB) gemessen. Der leiseste noch hörbare Ton hat einen Schallpegel von 0 dB. Lautstärken ab 85 dB können langfristig das Gehör schädigen. Ab 120 dB verursacht der Lärm Schmerzen im Ohr.

André Eichenberger ist ungefähr 30 Stunden in der Woche einer Lärmbelastung von 89 bis 95 dB ausgesetzt. Kein Wunder, dass sich Probleme mit dem Gehör abzeichneten. Erschwerend kommt hinzu, dass manche Dirigenten auch im kleinen Orchestergraben des Opernhauses Zürich mit voller Kraft spielen lassen.

André Eichenberger spielt trotzdem weiter, denn er liebt seinen Beruf. Aber er schützt sich bei lauten Passagen mit einem Kopfhörer. Obwohl: «Mit Kopfhörern klassische Musik zu spielen, ist wie mit einer dunklen Brille Auto fahren», meint Nikolaus Frisch, Mitglied des Orchestervorstandes des Opernhauses.

Susy Schär



Weder Medikamente noch Operationen helfen

Puls sprach mit Peter Ott, Professor für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten am Universitätsspital Zürich, über die Folgen von zu viel Lärm.

Puls: Erwiesenermassen leidet ein Grossteil der E-Musiker unter Problemen mit dem Gehör. Was kann man dagegen tun?

Peter Ott: Ein konsequenter Schutz ist eine sehr gute Massnahme. Mir widerstrebt es allerdings, wenn man das Pferd vom Schwanz her aufzäumt. Ich würde es begrüssen, wenn schädigende Schallintensitäten vermieden würden. Dann käme es zu keinen Hörschäden.


Was passiert bei einer Schädigung im Ohr?

Geschädigt werden die Haarzellen und andere empfindliche Strukturen im Innenohr, welche die Impulse an die Hörnerven abgeben. Wenn man Glück hat, ist die Schädigung vorübergehend, und die Haarzellen nehmen ihre Funktion wieder auf. Es ist allerdings auch möglich, dass sie zugrunde gehen.


Was spüre ich bei einer vorübergehenden Schädigung, wenn ich etwa die laute Disco verlasse?

Es gibt zwei Hauptsymptome: Entweder verspüre ich nach dem Discobesuch Ohrgeräusche, wie etwa ein hohes Pfeifen, oder eine Vertäubung, ein Gefühl, als ob etwas im Ohr wäre.


Vielfach hört man Argumente wie: «Es hat nicht geschmerzt, also ist auch nichts passiert» oder «Ich bin es gewohnt».

Das sind Trugschlüsse. Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit kann sich einstellen ohne Schmerzen. Das ist gerade das Gefährliche: Sie kommt schleichend. Das hochsensible Organ im Innenohr kann sich nicht an hohe Schallintensitäten gewöhnen, mit einer Schädigung ist leider zu rechnen.


Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Sie sind begrenzt, deshalb ist die Vorbeugung wichtig. Es gibt kaum Medikamente, die nachhaltig und zuverlässig wirken. Auch operativ kann man in diesen Fällen am Innenohr bis heute noch keine Eingriffe vornehmen.


Wann soll man zum Arzt?

Wenn die vorher erwähnten Symptome - Vertäubung und Ohrgeräusche - nach 24 bis 48 Stunden nicht abklingen, sollte man einen Facharzt aufsuchen.


Bieten Hörgeräte geeignete Hilfe?

Hörgeräte ziehen wir in Betracht, wenn die Kommunikation deutlich eingeschränkt ist. Allerdings ist die Hörgeräteversorgung bei der lärmbedingten Schwerhörigkeit nicht ganz einfach: Normalerweise hören Betroffene die tiefen und mittleren Tonbereiche gut. Es ist schwierig, hier
eine optimale Abstimmung zu finden.



Schutzmassnahmen - Ohrstöpsel richtig anwenden

Ohrstöpsel sind sinnvolle Schutzmassnahmen, wenn sie richtig angewendet werden:

- Die an Konzerten verteilten Gehörschutzpfropfen aus Schaumgummi bieten genügend Schutz, wenn sie richtig eingesetzt werden: zum Würstchen rollen, in den Gehörgang einführen und während der Ausdehnphase 30 Sekunden lang den Finger draufhalten. Der Nachteil: Sie nehmen eher zu viel Sound weg. Erhältlich bei Grossverteilern, Do-it-yourself-Läden, Apotheken oder Suva für weniger als 1 Franken pro Paar.

- Kunststoffpfropfen vom Typ Ultrafit. Geeignet für anspruchsvollere Konzertbesucher. Sie sind mehrfach verwendbar und kosten bei der Suva 5 Franken pro Paar.

- Ultratech heissen die Pfropfen für die absoluten Hörer. Sie verfügen über einen eingebauten Filter, der für eine dosierte Dämmung und einen ausgeglichenen Klang sorgt. Sie sind für 40 Franken pro Paar im Musikfachgeschäft oder bei der Suva erhältlich.