Früchte drauf, aber nicht immer drin
Auf Säften, Müesli und Süsswaren verführen exotische Früchte zum Kauf. Die Hersteller gaukeln den Konsumenten ein fruchtiges Erlebnis vor – und greifen dabei zu zahlreichen Tricks.
Inhalt
saldo 06/2011
27.03.2011
Letzte Aktualisierung:
29.03.2011
Sabine Rindlisbacher
Frische Beeren, saftige Orangen und süsse Ananas auf etlichen Verpackungen: Zwischen den Regalen der Lebensmittelgeschäfte fühlt man sich bisweilen wie in einem grossen Obstgarten. Doch was steckt tatsächlich in den Produkten mit Früchten?
saldo hat die Verpackungen mit dem Inhalt verglichen: Selten hält ein Produkt, was die Verpackung verspricht. Wo viel Frucht drin sein soll, findet man häufig nur wenige, billigere oder gar keine Früchte. ...
Frische Beeren, saftige Orangen und süsse Ananas auf etlichen Verpackungen: Zwischen den Regalen der Lebensmittelgeschäfte fühlt man sich bisweilen wie in einem grossen Obstgarten. Doch was steckt tatsächlich in den Produkten mit Früchten?
saldo hat die Verpackungen mit dem Inhalt verglichen: Selten hält ein Produkt, was die Verpackung verspricht. Wo viel Frucht drin sein soll, findet man häufig nur wenige, billigere oder gar keine Früchte. Die Hersteller peppen Früchte künstlich mit Aromen auf oder verwandeln sie in teurere.
Sie färben Obst auf der Verpackung ein oder verschweigen den Anteil der versprochenen Früchte. saldo zeigt die Täuschungsmanöver auf.
Fruchtfüllung fast ohne Früchte
Die Hersteller werben auf der Verpackung von Backwaren wie Guetzli mit einem hohen Anteil Fruchtfüllung. Doch die Füllungen enthalten kaum Früchte. Beispiel: Sondey Soft Biscuit Kirsch von Lidl. Auf der Verpackung verspricht der deutsche Discounter «55 % Kirsch-Fruchtfüllung». Laut Zutatenliste enthält ein Biskuit nur 2,1 Prozent Kirschsaftkonzentrat.
Geformte Früchte
Die Hersteller fügen günstige Zutaten zu einer teuren «Frucht» zusammen. Beispiel: Nature Addicts Himbeer Nuggets bei Coop. Auf der Verpackung sieht man Himbeeren, dazu der Aufdruck «100 % Fruit!». Auf der Rückseite erfährt man: Das Produkt besteht aus einer gehärteten Mischung aus 91 % Äpfeln und nur 5 % Himbeerpüree.
Fruchtstücke mit Aromen
Die Hersteller bewerben ihre Produkte als natürlich, mischen jedoch zu den einzelnen Fruchtstücken zusätzliche Aromen. Beispiel: Kellogg’s Day Vita All-Bran Flakes + Früchte bei der Migros. Auf der grünen Verpackung wirbt Kellogg’s mit «hochwertigen Zutaten». Laut Kleingedrucktem bestehen die im Müesli enthaltenen Bananenscheiben aus Bananen, Pflanzenöl, Zucker und Aroma.
Fruchtsäfte aufwerten
Die Hersteller benennen ihre Säfte nach teuren Früchten, obwohl der Grossteil des Produkts aus billigeren Früchten besteht. Beispiel: Innocent Pure Fruit Smoothie Blackberries, Strawberries & Boysenberries bei Coop.
Auf der Verpackung des Saftes sieht man die Brombeeren, Erdbeeren und Boysenbeeren. Doch das Getränk besteht in erster Linie aus Äpfeln, Bananen und Trauben. Die Beeren kommen nur zu je 8 Prozent vor.
Statt Frucht nur Fruchtspuren
Die Hersteller nennen eine Frucht in der Produktbezeichnung und bilden diese ab. Doch in den Produkten kommen die Früchte nur in kleinster Menge vor.
Beispiel: Naturaplan Bio-Dinkel-Orangen Biscuits von Coop. Die Verpackung zeigt saftige Orangenschnitze. Laut Zutatenliste enthalten die Kekse nur 1 Prozent Orangenschalen und einen noch geringeren Anteil Orangenöl.
Früchte drauf, keine drin
Die Hersteller bilden auf der Verpackung verschiedene Früchte ab, obwohl diese gar nicht im Produkt enthalten sind. Beispiel: Trolli Panna Cotta Frucht Häppchen bei Coop. Der deutsche Hersteller druckt auf der Verpackung der Fruchtgummis Erdbeeren, Brombeeren, Himbeeren, Orangen, Ananas und Limetten ab. In der Zutatenliste sucht man aber vergeblich nach diesen Früchten.
Billige Früchte mit Aroma in teure verwandeln
Die Hersteller aromatisieren eine billige Frucht so, dass sie nach einer teuren schmeckt. Beispiel: Tarteletes Knusperkeks mit Mango-Gelee von Vieira de Castro bei Coop. Der portugiesische Hersteller zeigt auf der Verpackung Kekse mit gelber Füllung und Mangos. Das Mango-Gelee besteht aus Zucker und konzentriertem Apfelsaft. Mango kommt lediglich als Aroma vor.
Versteckspiel mit Fruchtanteil
Die Hersteller benennen ihre Produkte nach Früchten. Wie viel von den Früchten tatsächlich im Produkt enthalten sind, verraten sie nicht. Beispiel: Anna’s Best Jungle Yumberry & Granatapfel von Migros.
Auf der Flasche zeigt der Grossverteiler die exotischen Früchte Yumberry und Granatapfel. Laut Zutatenliste enthält der Saft auch roten Trauben- und Blutorangensaft. Wie viel von den namensgebenden Früchten im Saft sind, verschweigt Migros.
Irreführung mit ähnlich aussehenden Früchten
Die Hersteller zeigen auf der Verpackung von Müesli und Riegeln Fruchtstücke, die angeblich von einer teuren Frucht stammen. Man erkennt nicht, dass die meisten Stücke von einer billigen Frucht kommen, die der teuren ähnlich sieht.
Beispiel: Corny free Kirsche-Joghurt von Schwartau bei Coop. Auf der Verpackung sieht man Kirschen und einen Riegel mit kirschfarbenen Stückchen – laut Zutatenliste sind dies überwiegend Cranberrys.
Fruchtanteil im Jungle-Getränk ist laut Migros ein «Betriebsgeheimnis»
saldo hat die Hersteller mit ihren Tricks konfrontiert. Laut Lidl-Sprecherin Paloma Martino ändert der deutsche Discounter die Verpackung der Sondey Soft Biscuit Kirsch. Auf der neuen Verpackung fehlt der Hinweis «mit 55 % Kirschfruchtfüllung», auch sieht man weniger Kirschen.
Das Säcklein der Addicts Himbeer Nuggets, die vor allem aus Äpfeln bestehen, wird gemäss der Schweizer Vertriebsfirma Crusti SA «optimiert»: Auf die Vorderseite der Verpackung kommen künftig auch Äpfel.
Die anderen Hersteller sehen keinen Handlungsbedarf. Kellogg’s-Sprecher Sascha Tischer äussert sich zu den aromatisierten Bananenstücken im Müesli Day Vita knapp. «Dies ist im Rahmen einer Bananen-Zubereitung sinnvoll.» Er versichert, dass Kellogg’s «100 Prozent natürliches Bananen-Aroma» einsetzt.
Zu den Dinkel-Orangen Biscuits mit wenig Orangen sagt Coop-Sprecherin Sabine Vulic: «Sensorisch relevante Zutaten darf man abbilden.» Auch die Bezeichnung sei berechtigt, da die Biscuits ausgeprägt nach Orangen schmecken.
Coop bietet auch die portugiesischen Mango-Tarteletes ohne Mango an. Laut Vulic will Coop den Hersteller «auf die Unstimmigkeiten in der Deklaration hinweisen». Von der Migros wollte saldo wissen, wie viel Yumberry und Granatapfel das Anna’s-Best-Getränk Jungle enthält.
Sprecherin Olivia Luginbühl: «Dies ist Betriebsgeheimnis.» Der Kunde erhalte auf der Verpackung genügend Auskünfte, um selber zu entscheiden, ob er ein solches Produkt kaufen will.
Schwartau will nichts von einer optischen Täuschung wissen
Auch der deutsche Corny-Hersteller Schwartau sieht sich im Recht. Sprecherin Stephanie Tron: «Der Geschmack der Kirschen dominiert.» Von einer optischen Täuschung mit ähnlich aussehenden Früchte will Tron nichts wissen:
«Wir setzen Cranberrys ein, weil sie eine schöne Bissfestigkeit haben.» Martin Roland vom Mederer Süsswarenvertrieb GmbH, dem Hersteller der Trolli-Fruchtgummis ohne Früchte, sieht bei der Deklaration kein Problem. Wer einen roten Trolli esse, esse geschmacklich eine Erdbeere.
«Wenn der Konsument auf dem Produkt Früchte sieht, erwartet er nicht, dass welche drin sind», sagt Roland. «Das hat uns unser Rechtsanwalt schriftlich bestätigt.»