Der Bundesrat will erlauben, dass die Post bald weniger pünktlich ist. Heute muss sie 97 Prozent der Briefe und 95 Prozent der Pakete pünktlich zustellen. Pünktlich bedeutet: bei Versand per A-Post am nächsten Werktag, bei Versand per B-Post am dritten Werktag. Der Bundesrat möchte nun, dass in Zukunft nur noch 90 Prozent der Briefe und Pakete pünktlich bei den Empfängern sein müssen.
Bereits heute hat die Post den A-Post-Service in zahlreichen Gebieten praktisch abgeschafft, ohne den Bundesrat zu konsultieren. Viele A-Post-Briefe kommen nicht mehr am nächsten Tag an. Denn die Post leert die Briefkästen vielerorts nur noch vormittags – oft schon um 8 oder 9 Uhr. Später eingeworfene Briefe werden erst am übernächsten Tag zugestellt.
Das ärgert viele Post-Kunden. So sagt etwa saldo-Leser Peter Bosshard aus Zürich: «Ich zahle den A-Post-Tarif, aber meine Briefe kommen erst nach zwei Tagen an.» In Bosshards Wohnquartier werden die Briefkästen neu schon um 10 Uhr geleert.
saldo hat die heutigen Leerungszeiten der Briefkästen mit den Zeiten vor drei Jahren verglichen. Das sind die Ergebnisse:
- 2021 leerte die Post 4417 Briefkästen werktags nach 17 Uhr. Heute sind es in der ganzen Schweiz nur noch 2879 Briefkästen. Das sind 35 Prozent weniger.
- Nach 19 Uhr leerte die Post vor drei Jahren noch 130 Briefkästen. Heute sind es 78, also 40 Prozent weniger. In einigen Regionen leert die Post am Abend keine Briefkästen mehr. Ein paar Beispiele: Im Kanton Graubünden leert die Post nach 18 Uhr nur noch Briefkästen in Chur und in Ilanz, im Wallis nur noch Briefkästen in Brig, Sitten und Visp. Nach 19 Uhr gibt es in den Kantonen Graubünden und Wallis gar keine Briefkastenleerungen mehr.
- Selbst in Grossstädten leert die Post am Abend nur noch vereinzelte Briefkästen. Der Kasten bei der Zürcher Sihlpost zum Beispiel wird aktuell um 20 Uhr geleert. Dann schliesst auch die Poststelle. Vor einigen Jahren konnte man bei der Sihlpost noch bis 22.30 Uhr Briefe aufgeben.
- Am Sonntag holen die Pöstler kaum noch Post ab: 2021 leerte die Post sonntags 1692 Briefkästen nach 9 Uhr. Heute sind es nur noch 303 Briefkästen – 82 Prozent weniger.
- Vor drei Jahren leerte die Post am Sonntagnachmittag 193 Briefkästen nach 17 Uhr. Heute sind es gerade noch drei Briefkästen in der ganzen Schweiz, die nach 17 Uhr geleert werden – das ist faktisch ein Totalabbau bei der Zustellung.
Die Post schreibt, sie erfasse die Füllstände der Briefkästen. Seien diese tief, passe man die Leerungszeiten entsprechend an. Trotz dem markanten Serviceabbau erhöhte die Post seit 2021 zweimal die Preise: Das Porto für Briefe stieg von Fr. 1.– auf Fr. 1.20 bei der A-Post und von Fr. –.85 auf Fr. 1.– bei der B-Post. Pakete verteuerten sich von Fr. 9.– auf Fr. 10.50 bei der A-Post und von Fr. 7.– auf Fr. 8.50 bei der B-Post.
Der Abbau bei den Briefkästen geht nicht auf finanzielle Probleme zurück. Die Zustellung ist für die Post lukrativ. Im letzten Jahr betrug der Gewinn in dieser Sparte 335 Millionen Franken, in den letzten zehn Jahren mehr als 4,5 Milliarden Franken (saldo 11/2024).
Chefs träumen von «digitalen Lösungen für die ganze Schweiz»
Wohin das Geld fliesst, kann man zum Beispiel in der neuesten Ausgabe der Post-Zeitschrift «Yellow» nachlesen, die Mitte Juni an Geschäftskunden verschickt wurde. Darin schwärmt der Leiter Unternehmensentwicklung Daniel Gerber davon, für die Post «eine ganze Flotte» von Firmen aufzukaufen. «Wir wollen weiter wachsen, um die gesamte Schweiz mit digitalen Lösungen bedienen zu können», so Gerber.
Und der Leiter Strategie der Post Martin Wegmüller ergänzt: «Wir sind uns bewusst, dass die Weiterentwicklung der Post hin zu einem zukunftsgerichteten Konzern, also auch mit zunehmend digitalen Angeboten für Unternehmen, Behörden und das Gesundheitswesen, mitunter Diskussionen auslöst.» Aber die Post bewege halt «nicht nur Briefe und Pakete, sondern auch die Gemüter».