«Ziemlich wenig Nutzen für ziemlich viel Geld»
Das neue Medikament Tyverb gegen fortgeschrittenen Brustkrebs verlängert das Leben der Patientinnen nicht, sagen Fachleute. Trotz der Kosten von 4000 Franken im Monat.
Inhalt
saldo 16/2009
04.10.2009
Letzte Aktualisierung:
05.10.2009
Andreas Grote
Gegen fortgeschrittenen Brustkrebs gibt es zurzeit wenige Medikamente: Brustkrebs ist praktisch unheilbar, wenn er einmal Ableger gebildet hat. Eines der Medikamente ist Tyverb von Glaxo Smith Kline. Seit rund einem Jahr ist es zugelassen. Die Ärzte dürfen es allerdings nur zusammen mit einem anderen Krebsmittel verschreiben. Die Behandlungskosten sind hoch: Das Medikament kostet Fr. 4171.10 im Monat. Die Krankenkassen bezahlen es.
Doch die Wirksamkeit ist umstritten. Da...
Gegen fortgeschrittenen Brustkrebs gibt es zurzeit wenige Medikamente: Brustkrebs ist praktisch unheilbar, wenn er einmal Ableger gebildet hat. Eines der Medikamente ist Tyverb von Glaxo Smith Kline. Seit rund einem Jahr ist es zugelassen. Die Ärzte dürfen es allerdings nur zusammen mit einem anderen Krebsmittel verschreiben. Die Behandlungskosten sind hoch: Das Medikament kostet Fr. 4171.10 im Monat. Die Krankenkassen bezahlen es.
Doch die Wirksamkeit ist umstritten. Das unabhängige Fachmagazin «Pharma-Kritik» zieht ein vernichtendes Fazit: Es sei «fragwürdig», dass dieses Medikament überhaupt den Weg auf den Markt geschafft habe. Gerade eine einzige Studie sei gemacht worden. Und die könne nicht nachweisen, dass Tyverb die Überlebenszeit der Patientinnen verlängere. Zudem müssen Patientinnen das Mittel ja zusammen mit einem anderen Krebsmittel einnehmen. Das hinterlasse einen «kümmerlichen Eindruck», so die Autoren der «Pharma-Kritik». Auch die europäische Arzneizulassungsbehörde Emea hatte Tyverb bei der Einführung kein gutes Zeugnis ausgestellt. In der Studie sei «schwierig festzustellen», ob Tyverb wirke. Das Medikament ist deshalb in der EU nur beschränkt zugelassen.
Wirkung erst nach zwei Behandlungsmonaten ersichtlich
Hersteller Glaxo Smith Kline wollte zu den Kritiken keine Stellung nehmen. Auch die Zulassungsbehörde Swissmedic wollte sich nicht äussern. Das Bundesamt für Gesundheit hat entschieden, dass die Krankenkassen Tyverb bezahlen müssen. Sprecher Daniel Dauwalder verteidigt den Entscheid, Tyverb sei nicht Medikament der ersten Wahl: «Tyverb wurde nur als eine nachgelagerte Therapiemöglichkeit zugelassen.» Die dafür in Frage kommenden Patientinnen seien vorher bereits massiv mit anderen Krebsmedikamenten behandelt worden. Unter diesen Aspekten hätte Tyverb die Kriterien erfüllt.
Christoph Rochlitz, Leiter des Brustzentrums am Universitätsspital Basel, relativiert die Wirkung des Medikaments: «Man darf in der Endphase der Krankheit keine Lebensverlängerungen mehr erwarten.» Tyverb könne die Tumoren nicht überwältigend bremsen. Im Schnitt zeige sich, dass nur jede zehnte Patientin auf den Wirkstoff anspricht und eine Linderung der Symptome aufgrund des Tumors verspürt. Doch auch Christoph Rochlitz findet das Medikament zu teuer: «Es bringt ziemlich wenig Nutzen für ziemlich viel Geld.» Das sei aber bei vielen neuen Krebsmedikamenten der Fall. Bis Patientin und Arzt erkennen würden, ob das Medikament überhaupt wirke, brauche es zwei Monate. Das sind Therapiekosten in der Höhe von über 8000 Franken.
Nützlicher für Patientin: Behandlung, die die Beschwerden lindert
Das Medikament hat zudem happige Nebenwirkungen. Patientinnen können an Übelkeit, Durchfall, Erbrechen, Ausschlägen, Schlaflosigkeit bis hin zu Knochenschmerzen in Armen und Beinen leiden. Ob Tyverb bei ihnen Linderung bringt, ist umstritten. Rochlitz: «In vielen Fällen würden Patientinnen mehr davon profitieren, wenn sie sich für eine intensive Palliativmedizin entscheiden würden.» Das heisst, Ärzte würden nur noch die Symptome bekämpfen wie Atemprobleme, Husten oder Schmerzen.
Für den Winterthurer Krebsarzt Christian Marti ist deshalb klar: «Die heutige Zulassungspraxis für solche Medikamente ist dringend zu überarbeiten.» Für ihn wäre die Lösung: «Die Krankenversicherung muss nur bei jenen Patientinnen die Kosten für Tyverb und ähnliche Mittel übernehmen, wenn ein Therapieversuch zeigt, dass die Behandlung wirksam ist.» Bei unwirksamen Behandlungen würden die Kosten zulasten des Herstellers gehen.