Wo Region draufsteht, ist nicht unbedingt Region drin
Bald jede Gegend in der Schweiz hat ihr Lebensmittel-Label. Doch die regionale Herkunft ist vor allem ein Verkaufsargument.
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saldo 20/2006
06.12.2006
Claudine Gaibrois
Produkte aus der Region sind im Trend. In der Migros begegnen dem Konsumenten beim Einkaufen Salate, Milch und Eier mit dem Schriftzug «Aus der Region für die Region». Coop führt gleich zwei regionale Linien, die «regionalen Bio-Spezialitäten» sowie «Bio - Frisch aus der Region». Beide Grossverteiler bieten unter diesen Bezeichnungen in der ganzen Schweiz Produkte an. Diese sollen jeweils aus der Region stammen, in der sie verkauft werden.
Zutaten müssen nur teil...
Produkte aus der Region sind im Trend. In der Migros begegnen dem Konsumenten beim Einkaufen Salate, Milch und Eier mit dem Schriftzug «Aus der Region für die Region». Coop führt gleich zwei regionale Linien, die «regionalen Bio-Spezialitäten» sowie «Bio - Frisch aus der Region». Beide Grossverteiler bieten unter diesen Bezeichnungen in der ganzen Schweiz Produkte an. Diese sollen jeweils aus der Region stammen, in der sie verkauft werden.
Zutaten müssen nur teilweise aus der Region stammen
Daneben gibt es eine Vielzahl von regionalen Labels, die nur in der jeweiligen Region erhältlich sind: Vom «Culinarium Toggenburg» und «Appenzeller Line» in der Ostschweiz über «Ämmitaler Ruschtig» und «Rund um Bern» im Bernbiet zu «Natürlich Nidwalden» und «Echt Entlebuch» in der Zentralschweiz. Alle Gütesiegel versuchen die Kundschaft mit den gleichen Argumenten zu überzeugen: Wer regional kauft, weiss, was er hat - und unterstützt erst noch die Landwirtschaft in der Region. Aber: Regionale Produkte stammen nur bis zu einem gewissen Grad wirklich aus der Region. Besonders bei verarbeiteten Produkten wie Würsten, Brot oder Joghurt halten die regionalen Labels nur bedingt, was sie versprechen. Die meisten Gütesiegel schreiben lediglich vor, dass 75 Prozent der Zutaten für ein verarbeitetes Produkt aus der Region stammen müssen. Das gilt für die Migros mit ihrem «Aus der Region für die Region»-Programm genauso wie für die IG Regionalprodukte, einen Zusammenschluss verschiedener kleinerer Label aus der Ostschweiz und dem Bernbiet sowie den Kantonen Aargau und Solothurn.
Was aber heisst «75 Prozent der Zutaten aus der Region»? Urs Bolliger, Leiter Produktion beim Trägerverein «Culinarium», einer Vermarktungsorganisation verschiedener kleiner und mittlerer Ostschweizer Betriebe: «Bei einem Fruchtjoghurt stammt zwar die Milch aus der Region, die Früchte darin aber möglicherweise nicht. Stattdessen kommt Fruchtkonzentrat aus dem Ausland zum Einsatz.» Bei einem marinierten Fleisch von «Aus der Region für die Region» stammt das Fleisch zwar aus der Region, die Marinade jedoch möglicherweise nicht, so die Migros-Mediensprecherin Monika Weibel.
Grosse Unterschiede bezüglich der Anforderungen
Auch ein Rind muss beispielsweise nach dem Reglement der IG Regionalprodukte nur die letzten fünf Monate seines Lebens in der Region verbracht haben. Ein Poulet darf als regionales Poulet bezeichnet werden, wenn das Küken ab der ersten Lebenswoche in der Region gelebt hat.
Immerhin: Einfache Landwirtschaftsprodukte wie Gemüse und Früchte oder Milch haben bei fast allen regionalen Labels zu 100 Prozent aus der Region zu stammen. Ausserdem gibt es einzelne Labels, die strengere Anforderungen stellen als der Durchschnitt: Am meisten punkten kann hier «Gran Alpin», ein Label für Mehl und Teigwaren aus Bündner Bio-Berggetreide. Das Getreide stammt zu 100 Prozent aus Graubünden. Verarbeitet wird es ebenfalls zu 100 Prozent im Bergkanton. Coop verlangt bei seiner Linie «regionale Bio-Spezialitäten», dass 90 Prozent der Zutaten aus der Region stammen. Bei «Ämmitaler Ruschtig» beträgt dieser Anteil immerhin 80 Prozent. Dasselbe gilt für die Sirupe und Konfitüren von «Appenzeller Line».
Negativ fällt in diesem Zusammenhang «Natürlich Nidwalden» auf: Nur gerade 80 Prozent der unverarbeiteten und 50 Prozent der Zutaten bei verarbeiteten Produkten müssen aus der Region stammen.
Weitere Infos: Ratgeber «Essen und trinken», mit Tipps zum richtigen Einkaufen, Aufbewahren und Zubereiten sowie allen E-Nummern auf einen Blick. Die Bestellkarte befindet sich auf Seite 24.
Grossregion Schweiz
Produkte mit regionaler Herkunftsbezeichnung können trotzdem viele Kilometer transportiert worden sein. Denn über den Ort der Verarbeitung und Verpackung sagt das Regio-Label nichts aus. Katrin Schmid, in der Geschäftsleitung von «Das Beste der Region», einem Zusammenschluss verschiedener Label aus den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn: «In einigen Branchen stösst man an die Grenzen des Regionalitätskonzepts.» Beispiele: Abgepackter Käse, der zwar in der Region produziert, aber nicht in der Region geschnitten und verpackt werde. Oder Getreide, das meist ausserhalb der Region gemahlen werden müsse. «Wenn man hier eine hundertprozentige Verarbeitung in der Region verlangen würde, gäbe es fast keine regionalen Produkte mehr», sagt Schmid.