Versäumnisse sollen noch teurer werden
Wer eine Rechnung zu spät begleicht, soll mehr bezahlen. Der Bundesrat will den Verzugszins erhöhen. Doch seine Argumentation stützt sich auf fragwürdige Quellen.
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saldo 13/2010
30.08.2010
Letzte Aktualisierung:
31.08.2010
Jonas Arnold
Die Zinsen auf Guthaben sind so tief wie nie, der finanzielle Nachteil der Rechnungssteller bei verspäteten Zahlungen deshalb so gering wie noch nie. Trotzdem hat der Bundesrat einen Vorschlag zur Erhöhung der Verzugszinsen in die Vernehmlassung geschickt. Seit Jahrzehnten beträgt der Verzugszins 5 Prozent. Neu soll er für Unternehmen 10 Prozent betragen. Für Privatpersonen bleibt es bei 5 Prozent.
Der Vorschlag geht auf eine bürgerliche Motion zu...
Die Zinsen auf Guthaben sind so tief wie nie, der finanzielle Nachteil der Rechnungssteller bei verspäteten Zahlungen deshalb so gering wie noch nie. Trotzdem hat der Bundesrat einen Vorschlag zur Erhöhung der Verzugszinsen in die Vernehmlassung geschickt. Seit Jahrzehnten beträgt der Verzugszins 5 Prozent. Neu soll er für Unternehmen 10 Prozent betragen. Für Privatpersonen bleibt es bei 5 Prozent.
Der Vorschlag geht auf eine bürgerliche Motion zurück. Für FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger ist das ein erster Schritt. Er fordert auch eine Erhöhung des Verzugszinses für Privatpersonen: «Die schlechte Zahlungsmoral von Konsumenten ist für Unternehmen mindestens so schädlich wie jene der Geschäftskunden.»
Auch der Verband der Inkasso- und Treuhandinstitute beklagt sich über die angeblich schlechte Zahlungsmoral und fordert eine Erhöhung der Verzugszinsen. Die Inkassounternehmen würden davon direkt profitieren: Je höher die Verzugszinsen, desto mehr lohnt es sich für ein Unternehmen, ein Inkassobüro zu engagieren.
Bundesrat stützt sich auf Intrum-Studie
Die Fakten für die Erhöhung des Verzugszinses lieferte die Branche gleich selbst: Sowohl der Bundesrat als auch die Motionäre von SVP und FDP stützen sich auf den European Payment Index des Inkassobüros Intrum Justitia.
Für diesen Index hat Intrum Justitia laut eigenen Angaben über 3000 Unternehmen in Europa zur Zahlungsmoral ihrer Kunden befragt. Darunter sind gerade einmal 300 Firmen aus der Schweiz. Kommt hinzu, dass die Erhebungsmethode wenig aussagekräftig ist: Die Unternehmen erhielten einen Fragebogen, den sie in Eigenregie ausfüllen konnten.
Studiert man diesen European Payment Index genau, kommt sogar das Gegenteil dessen heraus, was die Auftraggeber der Studie beweisen wollen. Laut dem Index ist die Zahlungsmoral der Schweizer im europäischen Vergleich nämlich sehr gut. Nur in den skandinavischen Ländern werden die Rechnungen gemäss der Studie noch pünktlicher bezahlt.
Intrum Justitia ist für viele ein Ärgernis. saldo-Leser beklagten sich immer wieder über ungerechtfertige Rechnungen mit dem Absender Intrum Justitia. Das Unternehmen rechfertigte sich damit, dass es nicht alle Forderungen überprüfen könne.
Verzugszinsen
Verzugszinsen sollen den Zinsschaden des Gläubigers decken, wenn eine Rechnung zu spät bezahlt wird. Das Gesetz sieht 5 Prozent Verzugszins vor. Einige Verträge sehen höhere Verzugszinsen vor. Das ist erlaubt, wenn beide Parteien einverstanden sind.