Unis: Immer mehr gesponserte Professoren
Viele Professoren werden von Unternehmen finanziert. Welche Gegenleistung sie dafür erhalten, ist unklar. Denn der Inhalt der Verträge wird verschwiegen.
Inhalt
saldo 15/2010
25.09.2010
Letzte Aktualisierung:
28.09.2010
Stefan Schuppli
Die Benützer des öffentlichen Verkehrs zahlen zu wenig. Das sagte kürzlich Professor Christian Laesser von der Universität St. Gallen. Laesser ist kein normaler Professor. Sein neues Institut mit dem Namen «SBB-Labor» wird von der SBB während fünf Jahren mit 1,5 Millionen Franken gesponsert.
Im Jahr 2008, mitten in der Finanzkrise, stellte eine Studie des Instituts für Schweizerisches Bankwesen der Uni Zürich fest: Beim Kau...
Die Benützer des öffentlichen Verkehrs zahlen zu wenig. Das sagte kürzlich Professor Christian Laesser von der Universität St. Gallen. Laesser ist kein normaler Professor. Sein neues Institut mit dem Namen «SBB-Labor» wird von der SBB während fünf Jahren mit 1,5 Millionen Franken gesponsert.
Im Jahr 2008, mitten in der Finanzkrise, stellte eine Studie des Instituts für Schweizerisches Bankwesen der Uni Zürich fest: Beim Kauf strukturierter Finanzprodukte machen Bankberater ihren Job mehrheitlich gut. Das war in der Flut der Meldungen über falsch beratene Kunden eine positive Nachricht – ganz im Sinne der Bank Vontobel und der Derivative-Plattform Scoach, die die Studie mit 100'000 Franken finanziert hatten.
Keine Einzelfälle: An der Uni Bern sind 10 der 365 Professuren gesponsert. So zahlt die Mobiliar für den Lehrstuhl «Klimawandel-Folgen» 5 Millionen Franken, verteilt auf 10 Jahre. Die Versicherung will damit wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Präventionskampagnen nutzen.
«Sponsoring ist ein Geschäftsentscheid»
An der Uni Basel gibt es zwanzig von Privaten und Wirtschaft gestiftete Professuren. Novartis sponsert zum Beispiel eine Pharma-Professur. Die Höhe des Betrags wird nicht genannt. Interpharma, der Interessenverband der Pharmafirmen, zahlt einen Lehrstuhl zum Thema Medikamentenmarkt. Auch hier: Keine Beitragsangaben.
Die Verträge, die Universitäten mit privaten Sponsoren abschliessen, werden generell nicht offengelegt. Das private Interesse des Geldgebers an Diskretion wiegt nach Ansicht der Unis schwerer als das öffentliche Interesse an den Bedingungen der Deals.
Für Strafrechtsprofessor Mark Pieth, der das Basel Institute on Governance präsidiert, ist klar: «Wenn es der Firma nichts bringt, gibt es keine Stiftungsprofessur. Sponsoring ist ein Geschäftsentscheid.» Wes Brot ich, des Lied ich sing?
SBB-Professor Laesser wehrt sich: «Wer Gefälligkeitsgutachten erstellt, erweist dem Auftraggeber einen Bärendienst. Es nützt ihm mehr, wenn er kritisch hinterfragt wird und er daraus Konsequenzen für seine Geschäftstätigkeit ziehen kann.»
Auch die Universitäten verlangen laut eigenen Angaben klare Spielregeln: Die Wahl der Forschungsgegenstände muss frei sein, die Forschungsresultate müssen publiziert werden. «Wo in Einzelfällen die Privatwirtschaft zu starken Einfluss nehmen wollte, haben wir auf Projekte verzichtet», behauptet Beat Münch, Adjunkt des Rektors der Uni Basel.