Umstrittene Therapie gegen Eisenmangel
Frauen leiden relativ häufig unter tiefen Eisenwerten. Ein Basler Arzt rät deshalb zu Infusionstherapien. Das sei unverhältnismässig, kritisieren Kollegen.
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saldo 20/2005
07.12.2005
Silvia Baumgartner
Man fühlt sich müde und lustlos, Kopf und Nacken schmerzen, Schlaf findet man kaum noch: Das können typische Symptome eines Eisenmangels sein. Besonders betroffen von derartigen Erschöpfungszuständen sind Frauen im Menstruationsalter.
Schaub: «Ich will die Frauen sensibilisieren»
Der Arzt Beat Schaub aus Binningen BL hat daraus das «Eisenmangelsyndrom» kreiert. Rund eine Million Frauen in der Schweiz seien von einem Eisenmangel betroffen. Sie könnt...
Man fühlt sich müde und lustlos, Kopf und Nacken schmerzen, Schlaf findet man kaum noch: Das können typische Symptome eines Eisenmangels sein. Besonders betroffen von derartigen Erschöpfungszuständen sind Frauen im Menstruationsalter.
Schaub: «Ich will die Frauen sensibilisieren»
Der Arzt Beat Schaub aus Binningen BL hat daraus das «Eisenmangelsyndrom» kreiert. Rund eine Million Frauen in der Schweiz seien von einem Eisenmangel betroffen. Sie könnten mit Infusionen eines Eisenpräparats erfolgreich behandelt werden, glaubt er. Oral einnehmbare Eisenpräparate seien dagegen deutlich weniger wirksam.
Die «Medical Tribune» räumte den Ideen Schaubs mehrmals viel Raum ein. Der Basler Arzt ruft seine Kollegen dazu auf, es ihm gleichzutun und ärztliche «Eisenzentren» einzurichten. Er selbst ist dabei, eine europäische Ärztegesellschaft für Eisenbehandlungen zu gründen. «Ich will die Frauen, die an einem Eisenmangelsyndrom leiden, sensibilisieren», sagt Schaub.
Allerdings: Auf die hohe Zahl von Frauen mit einem Eisenmangel kommt der Basler Internist, weil er den «Krankheitswert» des Eisenmangels anders festsetzt. Als Referenzgrösse dazu dient das Ferritin, ein Eiweiss im Blut, das Auskunft über die Eisenreserven im Körper gibt. Bis anhin galt eine untere Ferritingrenze von 20 Nanogramm pro Milliliter Blut (ng/ml) als noch normal.
Das sei viel zu tief angesetzt, argumentiert Schaub. Frauen würden bereits Symptome verspüren und müssten behandelt werden, wenn der Ferritinwert unter 50 ng/ml liege. Mit der Einschätzung, dass der untere Ferritinwert zu tief angesetzt sei, ist Schaub nicht alleine. Auch eine Studie der Universität Lausanne kommt zum Schluss, dass Krankheitssymptome bereits bei deutlich höheren Ferritinwerten auftreten können.
Beat Schaub geht deshalb in der Behandlung neue Wege: Ein Ferritinwert unter 50 ng/ml, Müdigkeit und Kopfschmerzen sind für ihn Grund genug, zur Infusionsnadel zu greifen. Über zwei bis drei Wochen erhalten die Patientinnen in seiner Praxis Eiseninfusionen. Bis heute hat er über 200 Frauen auf diese Weise behandelt. «Die Verabreichung über die Vene ist viel effizienter als eine Therapie mit Eisentabletten», sagt er. Die Infusionen seien so harmlos wie eine Schmerzspritze. Zudem sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis äusserst günstig. Schaubs Infusionstherapie kostet rund 500 Franken, die anschliessende Erhaltungstherapie jährlich noch einmal 200 Franken. Eine klassische Behandlung mit Eisentabletten ist rund 300 Franken billiger. Von den Krankenkassen werden beide Therapieformen bezahlt.
Viele Ärzte ziehen eine Behandlung mit Eisentabletten vor
Viele Ärzte stehen dem neuen Behandlungsweg von Schaub kritisch gegenüber. Felix Huber, Allgemeinarzt bei der Medix-Gruppenpraxis in Zürich, sagt: «Eine Infusionsbehandlung ist unverhältnismässig und ein unnötiges Risiko, denn es besteht die Gefahr eines allergischen Schocks.» Der Zürcher Arzt zieht deshalb die Behandlungsform mit Eisentabletten vor.
Auch der «Gesundheitstipp»-Arzt Thomas Walser warnt vor der vorschnellen Behandlung per Infusion: «Sie ist nur angezeigt, wenn die orale Aufnahme nicht möglich ist. Die Tablettentherapie dauert zwar viel länger, weil nur etwa ein Zehntel des Eisens über den Dünndarm aufgenommen werden kann, aber sie hat dafür keine gefährlichen Nebenwirkungen.»
Eisenaufnahme: Darm hat Funktion einer natürlichen Barriere
Pharmakritiker und Arzt Etzel Gysling hält es gar für gefährlich, viel mehr Frauen wegen Eisenmangels zu behandeln. Frauen hätten ja trotz ihrer im Vergleich zu Männer tieferen Werte die höhere Lebenserwartung. Zudem gibt er zu bedenken, dass zu viel Eisen auch gesundheitliche Gefahren berge: Gefässe, Herz und Leber könnten Schaden nehmen, und die Anfälligkeit für Infektionen sei erhöht. Kaspar Rhyner, Chefarzt am Kantonsspital Glarus, bestätigt dies und geht noch einen Schritt weiter: «Eisen über die Vene zuzuführen ist kontraproduktiv. Es führt im Körper zur Bildung von freien Radikalen. Langfristig ist dies gefährlich, denn die Radikale sind an der Entstehung vieler chronischer Krankheiten beteiligt.» Und: «Der Darm nimmt nur 10 Prozent des zugeführten Eisens auf - diese natürliche Barriere kommt nicht von ungefähr.»
Solche Kritik irritiert Beat Schaub nicht, im Gegenteil. Er hat bereits weitere Patientengruppen im Visier: Auch Kinder und alte Menschen würden oft unter Eisenmangel leiden, ist er überzeugt.
So beugen Sie dem Eisenmangel vor
Eisenmangel lässt sich auch mit richtiger Ernährung nicht beheben, aber vorbeugen. Tipps der diplomierten Ernährungsberaterin Caroline Weberhofer:
- Fleisch, Geflügel und Fisch sind reich an Eisen. Essen Sie zwei- bis viermal pro Woche eine Portion davon. Und: Der Körper kann Eisen aus tierischen Lebensmitteln am besten aufnehmen. 10 bis 20 Prozent gelangen in den Körper.
- Auch Hülsenfrüchte und Gemüse - vor allem wenn man sie roh konsumiert - sowie Nüsse und Getreideprodukte enthalten Eisen. Aber: Der Körper kann pflanzliches Eisen schlechter aufnehmen, nur 3 bis 5 Prozent gelangen in den Körper. Mit einer kleinen Menge Fleisch lässt sich die Eisenaufnahme aber erhöhen - zum Beispiel mit Schinkenwürfeln im Gemüsegratin oder einem bisschen Wurst in der Gemüsesuppe.
- Mit Vitamin C lässt sich die Eisenaufnahme im Körper verbessern. Reich an diesem Vitamin sind Zitrusfrüchte, Kartoffeln, Peperoni, Sauerkraut und Fenchel. Ergänzen Sie die Mahlzeiten mit etwas Fruchtsaft oder essen Sie eine Frucht zum Dessert.
- Gewisse Getränke behindern die Eisenaufnahme aus pflanzlichen Nahrungsmitteln. Dazu gehören Schwarztee, Grüntee, Eistee sowie Kaffee.
- Das Kalzium in Milchprodukten hemmt die Eisenaufnahme auch, insbesondere aus dem Fleisch. Zu einer Fleischmahlzeit also möglichst keine Milch trinken oder Milchprodukte essen.