Wer nach dem 31. Juli ein neues Halbtax- oder Generalabo (GA) kauft, erhält eine rote Karte mit dem Namen Swisspass. Sie ersetzt die bisherigen blauen Plastikkärtchen und ist mit einem Chip versehen. 

Auf die Karte wird nur noch Name, Foto, Geburtsdatum und die Kundennummer aufgedruckt. Ob auf dem Chip ein 2.-Klasse-GA oder ein 1.-Klasse-Halbtax gespeichert ist, weiss der Kondukteur erst, wenn er den Chip an sein Kontrollgerät hält. 

Der Verband öffentlicher Verkehr sagt, die Swisspass-Karte habe viele Vorteile für die Kunden. So könnten darauf etwa auch Skibillette einzelner Gebiete gespeichert werden. 

«Der Pass bringt den Kunden gar nichts»

Anderer Meinung ist Bruno Eberle, Vizepräsident von Pro Bahn. Die Organisation vertritt die Interessen der Kunden des öffentlichen ­Verkehrs. Eberle sagt: «Der Swiss­pass bringt den Kunden überhaupt nichts, ausser dass die Kontrollen doppelt so lange dauern.»

Wer die Neuerung näher anschaut, sieht tatsächlich nur Nachteile: Erstens werden die Halbtaxabos teurer. Die günstigeren Mehrjahres-Halbtax verschwinden. Neukunden zahlen zudem ab Mitte 2016 185 Franken statt wie bisher 175 Franken für das Einjahres-Halbtax. 

Zudem können Halbtax- oder GA-Besitzer auf dem Swisspass nicht mehr ablesen, bis wann ihr Abo gültig ist. Und: Neu verlängert sich das GA oder Halbtax auf ­einer Swisspass-Karte automatisch – «sofern der Kunde nicht explizit kündigt», sagen die SBB. Bisher konnte jeder Kunde selbst entscheiden, ob er das Abo sofort bei Ablauf verlängert – oder erst, wenn er es das nächstemal benützt. Den SBB war das ein Dorn im Auge. Deshalb lockten sie mit Gratis-Tages­karten oder vergünstigten Billetten, wenn man das Halbtax­abo nahtlos verlängerte. 

Ungültig: Automatische Verlängerung

Laut den SBB sollen die Kunden neu zwei Monate vor der automatischen Verlängerung des Abos per Brief oder auf Wunsch zusätzlich auch etwa per SMS auf die Kündigungsmöglichkeit aufmerksam gemacht werden. Gekündigt werden könne am Schalter, brieflich, online oder telefonisch. Doch befristete Verträge, die sich gestützt auf eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen automatisch verlängern, sind ungültig. 

Darauf wies der Bundesrat in einem andern Zusammenhang hin: Als das Parlament 2011 den Gesetzesartikel über die «Verwendung missbräuchlicher Geschäftsbedingungen» beschloss, ist als Beispiel einer missbräuchlichen Klausel die automatische Vertragsverlängerung genannt worden. 

Arnold Rusch, Rechts­anwalt und Privatdozent an der Uni Zürich, hält ebenfalls nichts von solchen Klauseln. In einem Aufsatz schreibt er: «Die automatische Vertragsverlängerung bei ausgebliebener Kündigung ist über­raschend, untypisch und nachteilig. Dies zeigt sich schon dadurch, dass die Kündigung in der Regel vergessen geht. Wer den Vertrag nicht verlängern will, erleidet durch die automatische Vertragsverlängerung einen Nachteil.» Und: «Den Verwendern von Verlängerungsklauseln scheint es nicht darum zu gehen, mit der eigenen Leistung überzeugen zu wollen, sondern vielmehr darum, Kunden unbemerkt zu einer zweiten Vertragsdauer zu verpflichten.» 

Das kümmert die SBB nicht. Sie wollen am Passus festhalten, wie der Swisspass-Projektleiter Bernd Nagel ­gegenüber saldo betont. Die automatische Vertragsverlängerung widerspreche keinen Gesetzen. Man wende keine missbräuchlichen AGB an. Der Kunde werde aktiv auf die Kündigungsmöglichkeit hingewiesen. Es handle sich deshalb nicht um eine stillschweigende Vertragsverlängerung. 

Wenn der Kunde weder kündigt noch zahlt, ist das Abo weitere 30 Tage gültig. 15 Tage nach dem letzten Gültigkeitstag schicken die SBB eine Mahnung in der Höhe des neuen Jahresabos plus 15 Franken Mahngebühr. 40 Tage nach dem letzten Gültigkeitstag werden die SBB eine Betreibung einleiten – egal, ob das Abo benutzt wird oder nicht. 

Allerdings würden GA-Inhaber nur über jenen Betrag betrieben, den die dreissigtägige automatische Gültigkeitsverlängerung kosten würde. Von einem GA-Besitzer wollen die SBB also ­einen Zwölftel des Jahrespreises, von Halbtax-Besitzern den vollen Preis. 

SBB erhalten heikle Daten

Kommt hinzu: Liest ein Kondukteur den Kartenchip ein, speichert das Gerät die Kundendaten in ­einer Datenbank. Diese Daten bewahren die SBB während 90 Tagen auf. Sie wissen also von jedem GA- oder Halbtaxbesitzer, in welchem Zug er in den letzten drei Mo­naten wann kontrolliert wurde. So lässt sich ein Bewegungsprofil erstellen. 

Die SBB sagen, die Datenbank werde nicht für Werbezwecke ausgewertet. Zugriff auf die Daten hätten lediglich das Inkasso, die Leitstellen zur Betreibung der Geräte der Kondukteure sowie die Auskunftsstelle für Kundenbeschwerden. Andere Unternehmen hätten kei­nen Zugriff auf die Daten. Ein Staatsanwalt könne mit einer richterlichen Verfügung jedoch Zugriff erhalten.