Gut 120 000 Stimmberechtigte haben innerhalb eines Jahres die von den Konsumentenzeitschriften saldo, «K-Tipp», «Bon à Savoir» und «Spendere Meglio» lancierte Initia­tive «Pro Service public» ­unterschrieben. 106 010 beglaubigte Unterschriften wurden am 30. Mai eingereicht. Die Sammelfrist für Initiativen beträgt 18 Monate.

Die Initiative «Pro Service public» ist eine Reaktion der Leser auf das zunehmend kundenfeindliche Gebaren von Bundesbetrieben, insbesondere von SBB, Post und Swisscom. Den Kunden stösst es sauer auf, dass die Züge schmutzig und überfüllt sind, die Wartezeiten vor den verbleibenden Schaltern länger werden sowie immer mehr Briefkästen und Poststellen verschwinden – bei gleichzeitig massiv steigenden Preisen. Dank der Initiative kann sich die Schweizer Bevölkerung nun dazu äussern, wie sich der Service public in Zukunft entwickeln soll. 

Der Bundesrat hat nach der Veröffentlichung im Bundesblatt maximal ein Jahr Zeit, dem Parlament die Initiative zur Annahme oder Ablehnung zu empfehlen oder einen Gegenvorschlag zu präsentieren. Danach befassen sich National- und Ständerat mit der Initiative. 

Bis das Volk an der Urne abstimmen kann, verstreichen Jahre. Doch bereits jetzt hat sich bei den Bundesbetrieben einiges bewegt:


SBB

  • Per 1. Juni haben die SBB ihr Bussenregime gelockert: Reisende, die ihr gelöstes Online- oder Mobile-Ticket nicht vorzeigen können (etwa Billett vergessen oder Akku leer), müssen bei nachträglicher Vorweisung eine Busse von 30 statt 90 Franken bezahlen. 
  • Der Billettkauf an Automaten überforderte seit dem Zusammenschluss des Zürcher Verkehrsverbundes mit den Nachbarverbünden zum Z-Pass die Kunden. Die SBB haben nun angekündigt, das Lösen von Billetten zu vereinfachen. Zudem wollen sie auf Bussen verzichten, wenn ein Passagier «in guter Absicht» ein Billett mit falschem Reiseweg gelöst hat.
  • Im letzten Jahr waren die Fahrgastzahlen und Personenkilometer seit langem erstmals rückläufig. Die SBB reagieren mit dem Verzicht auf eine Preiserhöhung für das nächste Jahr. 
  • Das Bundesamt für Verkehr forderte die Prüfung von 175 Bahnstrecken und eine eventuelle Umstellung auf Busse. Inzwischen krebst der Bund zurück: Nur noch 17 Linien sollen überprüft werden.
  • Das Bundesamt für Verkehr hat die SBB bei den Bussen aufgrund der Nichtbezahlung von Nachtzuschlägen zurückgepfiffen. 


Post 

  • Per 1. April 2012 erhöhte die Post die Preise für diverse Dienstleistungen massiv. Besonders ärgerlich: Die Hinterlegung einer Vollmacht ist nicht mehr gratis. Sie kostet am Schalter 36 Franken. Eine Vollmacht benötigt, wer für ein Familienmitglied einen eingeschriebenen Brief oder ein Paket abholen will. Die Post ­versprach, per Anfang 2013 ­wieder eine kostenlose ­Alternative anzubieten. Den Einführungstermin hat sie inzwischen auf das zweite Halbjahr 2013 verschoben.


Swisscom

  • Die Swisscom verlangt bei der Benutzung des Handys im Ausland überrissene Roaming-Gebühren. Umgehen kann man diese, indem man die SIM-Karte von Swisscom durch jene eines günstigen einheimischen Anbieters ersetzt. Doch erst nach Ablauf der Mindestvertragsdauer (meist zwei Jahre) lässt sich die SIM-Karte wechseln. Vorher ist das Handy durch den sogenannten SIM-Lock gesperrt. Swisscom hat kürzlich versprochen, diese kundenfeindliche Praxis per 1. Juli abzuschaffen. Der Haken: Die neue Regelung gilt nur für Kunden mit einem Abonnement. 



Hohe Löhne ärgern auch Politiker

Die Initiative der Konsumentenzeitschriften zeigte auch bei Politikern Wirkung. Die hohen Löhne der Chefs von SBB, Post, Swisscom und anderen bundesnahen Betrieben machte der Aargauer SP-Nationalrat Cédric Wermuth im September 2012 zum Thema eines Vorstosses. Wie die Initiative «Pro Service public» fordert auch er, dass die Chefsaläre in Bundesbetrieben den Lohn eines Bundesrates nicht übersteigen dürfen. 

Für Wermuth ist es «kaum nachvollziehbar, dass ein Chef eines Betriebs unter Bundeskontrolle mehr verdienen sollte als ein Bundesrat», zumal keiner dieser Geschäftsführer mehr Verantwortung trage als ein Mitglied der Landesregierung. Die Motion haben viele Nationalräte von SP, Grünen und SVP mitunterzeichnet.f