Die Hauswartin ist sicherheitshalber etwas zu früh gekommen. Die 54-Jährige sitzt vor dem Verhandlungssaal und wartet scheu, bis die Einzelrichterin zur Verhandlung aufruft. Da nähert sich mit schwungvollen Schritten ein Mittdreissiger in modischem Veston und mit schickem Aktenkoffer. Begleitet von grossen Gesten wirft er einen Blick in die wartende Runde, als würde er gleich eine Verkaufspräsentation starten. Es ist der beklagte Immobilienunternehmer. Die Verhandlung kann beginnen.
Die Hauswartin fordert 1000 Franken Lohn, zudem sei ihr der Beklagte das Mietzinsdepot von 800 Franken noch schuldig. Fast zwanzig Jahre hatte sie im 9-Familien-Haus in Steckborn am Untersee gewohnt. Während 13 Jahren war sie dort Hausmeisterin. Der damalige Besitzer sei stets zufrieden gewesen mit ihrer Arbeit, betont sie. Dafür habe sie pro Monat 250 Franken erhalten. Um diesen Betrag wurde der Mietzins jeweils reduziert.
Dann kaufte der Immobiliensanierer die Liegenschaft. Drei Jahre zuvor ging sein Malergeschäft in Konkurs. In der Zwischenzeit baute er ein Unternehmen auf, mit dem er ältere Liegenschaften kauft. Diese Häuser bringt er zusammen mit Kollegen auf Vordermann und vermietet die Wohnungen dann neu teurer weiter. So stieg der Preis einer 3-Zimmer-Wohnung mit 62 Quadratmetern Fläche von 820 auf 1345 Franken, nachdem Küche und Bad erneuert waren und die ganze Wohnung frisch gestrichen war.
Für Zusatzarbeiten nach dem Umbau verlangt die Klägerin 1000 Franken
Der Hauswartin kürzte der neue Besitzer die monatliche Entschädigung auf 110 Franken, obwohl es während der halbjährigen Bauzeit mehr zu tun gab. Dann warf er ihr vor, Geld aus dem Münzzähler der Waschküche zu unterschlagen, ohne das belegen zu können. Die Hauswartin erledigte die übliche Arbeit, und nach dem Umbau putzte sie zusätzlich die Wohnungen für die Neuvermietung. Für sechs Wohnungen notierte sie 38 Stunden. Dafür verlangt sie nun vom Vermieter und Arbeitgeber rund 1000 Franken.
Der Sanierer will diese Rechnung nicht begleichen. «Die Frau ist längst entschädigt worden», sagt er. Sie habe neun alte Fenster erhalten. «Die kosteten neu sicher 35 000 Franken», behauptet er. Das stimme nicht, entgegnet die Hauswartin. Nicht sie habe die Fenster übernommen, sondern ihr Sohn. Und der Vermieter habe dabei vor allem Geld für die Entsorgung gespart.
Der schicke Jungunternehmer spielt den Beleidigten, weil er unterbrochen wurde. «Darf ich nun weiterreden?», fragt er, und spielt seinen grössten Trumpf aus. Er habe der Mieterin eine Monatsmiete als Abgeltung der Beeinträchtigungen während des Umbaus erlassen und kostenlos eine zweite Garage zur Einlagerung des Hausrats zur Verfügung gestellt. Dann habe er eine Vereinbarung aufgesetzt, wonach das Putzen und sämtliche Unbill durch die Bauarbeiten per Saldo aller Ansprüche erledigt seien. Die Hauswartin habe dieses Papier im Beisein von Zeugen unterschrieben.
Der Sanierer fordert seinerseits Geld für die leerstehende Wohnung
Jetzt kehrt der Sanierer den Spiess um. Die Hauswartin habe sich mit der Zeit überall breitgemacht, stets für Unruhe gesorgt, und die Mieter hätten reklamiert. «Irgendwann war es zu viel und wir merkten, dass sie nicht mehr bleiben will», behauptet er. Man habe sie ziehen lassen, «sofern sie einen Nachmieter findet». Doch die Wohnung sei eine Zeitlang unvermietet geblieben, für den Leerstand fordere er 2500 Franken.
Rechtlich hat die Hauswartin schlechte Karten. Die Vereinbarung hat sie tatsächlich unterzeichnet, auch wenn sie dies angeblich unter Druck tat.
Hinter verschlossenen Türen handelt die Einzelrichterin mit den Parteien einen Vergleich aus. Die Hauswartin bezahlt dem Sanierer 500 Franken. Er darf auch das Mietdepot behalten. Die 54-Jährige ist alles andere als glücklich damit. Doch mit den Nerven am Ende, willigt sie ein, um das unerfreuliche Kapitel endlich abzuschliessen.
Prozessieren: Unterschreiben kann teuer zu stehen kommen
Beim Unterzeichnen eines Vertrags sollte man sich seiner Sache sicher sein. Denn eine schriftliche Vereinbarung hat bei der Beweiswürdigung in einem Gerichtsverfahren immer sehr grosses Gewicht. Wer dagegen vorbringt, er sei zu einer Unterschrift genötigt oder gar bedroht worden, muss das hieb- und stichfest beweisen können. Und das ist äusserst schwierig. Ohne einen solchen Beweis gehen die Gerichte davon aus, dass eine Unterschrift unter eine Vereinbarung nach reiflicher Überlegung und im Wissen um die Verbindlichkeit des Dokuments gesetzt wurde. Und entsprechend schwach ist die Position einer Prozesspartei, die sich nicht an den Inhalt eines von ihr unterzeichneten Vertrags halten will.
Deshalb gilt: Sich immer Zeit lassen, wenn jemand eine Unterschrift unter ein Dokument will. Je grösser der Druck zu unterschreiben, desto grösser sollte auch die Skepsis sein. Und wenn jemand auf der Stelle eine Unterschrift will und keinen Tag Bedenkzeit einräumt, gibt es nur eins: Hände weg.