Gegen halb zwölf Uhr legt Thérèse Genoux aus Hinterkappelen BE ihr Buch auf den Nachttisch und löscht das Licht. Meistens schläft sie dann schnell ein. Aber nach zwei Stunden ist sie wieder wach – vor allem, wenn es ihr nicht gut geht. «Dann dreht das Gedankenkarussell», sagt sie. Erst Stunden später kann sie wieder einschlafen.
Nach solchen Nächten ist die 82-Jährige müde und hat «ein schlechtes Gefühl im Kopf». Der Arzt gab ihr deshalb das Beruhigungsmittel Demetrin. Doch sie vertrug es nicht: «Am Morgen fühlte ich mich unsicher auf den Beinen und hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten», sagt sie. Sie setzte das Mittel wieder ab.
Starke Schlafmittel machen schnell abhängig
Thérèse Genoux ist kein Einzelfall: Ein Viertel der Schweizer hat Schlafprobleme. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Ärzte verschreiben dann oft starke Mittel, zum Beispiel Benzodiazepine wie Demetrin, Temesta oder Xanax. Das Problem: Sie machen rasch abhängig und haben Nebenwirkungen. Zum Beispiel schwächen sie die Muskeln. Wer dann in der Nacht aufsteht, stürzt eher. Zudem warnt «Gesundheitstipp»-Arzt Thomas Walser: «Männer riskieren Erektionsstörungen.»
Es gibt viele Alternativen. Doch in den vergangenen Jahren hat sich eine etabliert: der Schlafentzug. Man macht dadurch den Körper so müde und erschöpft, dass man wieder rasch einschläft.
Studien beweisen den Nutzen. Australische Forscher untersuchten kürzlich 145 Patienten. Die Hälfte reduzierte die Schlafzeit mit Hilfe des Weckers auf fünfeinhalb Stunden. Resultat: Bereits nach einer Woche schliefen die Patienten deutlich besser. Fazit der Autoren: Schlafentzug ist «eine sichere und effektive Behandlung.» Die Studie erschien im Januar 2020 in der Fachzeitschrift «Sleep».
Eine Übersichtsstudie der Universität Baltimore (USA) mit 470 Teilnehmern zeigte schon 2002, dass solche Verhaltenstherapien langfristig besser wirken als Medikamente. Esther Werth, Leiterin des Schlaflabors am Universitätsspital Zürich, bestätigt: «Langfristig ist das die wirksamste Therapie gegen Schlafprobleme.» Die St. Galler Psychiaterin Diana Amann-Griengl sagt: «Patienten sind damit häufig erfolgreich.» Die Methode wirke auch psychologisch entspannend. Amann-Griengl: «Viele Betroffene verbinden das Bett mit Stress.» Patienten liegen oft wach und versuchen verzweifelt, endlich einzuschlafen. Das könne die Schlafstörung verstärken.
Erst um ein Uhr ins Bett – aber schon um sechs Uhr aufstehen
In der Praxis funktioniert die Methode so: Man zwingt sich zu Beginn der Kur, nicht mehr als fünf Stunden im Bett zu liegen. Dazu stellt man den Wecker zum Beispiel eine Woche lang auf sechs Uhr morgens, geht aber erst um ein Uhr in der Nacht ins Bett. Schläft man schlecht, ist man tagsüber sehr müde. «In den nächsten Nächten schlafen die Betroffenen meist sehr schnell ein», sagt die Fachfrau. Sie erklärt: «Der Körper braucht den Tiefschlaf, und er wird ihn sich holen.» Schläft man eine Woche lang gut, darf man in der kommenden Woche eine halbe Stunde länger im Bett bleiben. Man geht dann um halb eins statt um eins zu Bett. Amann-Griengl: «Das macht man so lang, bis man wieder um die siebeneinhalb Stunden schlafen kann.»
Die Methode braucht jedoch Disziplin. Schlafspezialistin Werth sagt: «Am Anfang ist es sehr anstrengend.» Man müsse der Müdigkeit am Tag widerstehen. «Am besten beginnt man an einem Wochenende und achtet darauf, dass die Woche nicht zu streng wird.» Auch Bewegung im Freien helfe.
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