Schimmelpilzgift: Die Gefahr ist unsichtbar
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saldo 13/2001
29.08.2001
Gewürze bringen nicht nur Aroma, sondern mitunter auch unsichtbare Gefahr ins Essen. Der Test von saldo zeigt: Viele Gewürze sind mit Krebs erregenden Schimmelpilzgiften belastet.
Wer annimmt, die Schweizer lassen nur Aromat an ihre Speisen, liegt falsch. Über 4500 Tonnen Gewürze aus verschiedenen Ländern werden jährlich in die Schweiz importiert. Am häufigsten landet Pfeffer in den heimischen Töpfen. Beinahe gleich beliebt sind Paprika und Chili: Über 840 Tonnen davon wu...
Gewürze bringen nicht nur Aroma, sondern mitunter auch unsichtbare Gefahr ins Essen. Der Test von saldo zeigt: Viele Gewürze sind mit Krebs erregenden Schimmelpilzgiften belastet.
Wer annimmt, die Schweizer lassen nur Aromat an ihre Speisen, liegt falsch. Über 4500 Tonnen Gewürze aus verschiedenen Ländern werden jährlich in die Schweiz importiert. Am häufigsten landet Pfeffer in den heimischen Töpfen. Beinahe gleich beliebt sind Paprika und Chili: Über 840 Tonnen davon wurden im letzten Jahr eingeführt. Auch Muskatnuss wird gerne verwendet: Rund 100 Tonnen wurden im letzten Jahr importiert.
Das Schimmelpilzproblem ist schon länger bekannt
In den vergangenen Jahren liessen Meldungen aus Deutschland und der Schweiz über gefährliche Schimmelpilzgifte in Gewürzen immer wieder aufhorchen. Verschiedene kantonale Laboratorien stellten bei Routinekontrollen wiederholt erhöhte Werte fest. Zahlreiche Gewürzproben - vor allem aus feuchtwarmen Klimazonen - enthielten zu viele Giftstoffe. Regelmässig mussten Gewürze deshalb vom Markt genommen werden. Welche Produkte beanstandet werden, erfahren die Konsumenten jeweils nicht. Die Kantonslaboratorien berufen sich bei ihren Untersuchungen auf das Amtsgeheimnis.
Migros hat ihre Muskatnuss sofort zurückgezogen
saldo wollte wissen, welche Gewürze wie stark belastet sind, und liess 15 Paprika-, Chili- und Muskatnussproben, eingekauft bei Grossverteilern, Reformhäusern und Asia-Läden, im Kantonslabor Bern analysieren. Gesucht wurde nach Aflatoxinen, das sind Krebs erregende Gifte von Schimmelpilzen.
Das Ergebnis ist bedenklich: In 8 von 15 Proben fand das Labor Spuren von Aflatoxin B1. Bei immerhin 7 Proben konnte das Labor kein Schimmelpilzgift nachweisen.
Ungenügend schnitt die Muskatnuss von Migros ab. Diese Probe enthielt 0,007 Milligramm Aflatoxin B1 pro Kilo (mg/kg) - der Grenzwert liegt bei 0,005 mg/kg. Migros hat umgehend auf das Ergebnis reagiert und die belastete Charge Muskatnuss bereits aus den Verkaufsregalen entfernt.
Erstaunlich ist, dass ausgerechnet die Probe der Migros über dem Grenzwert lag. Laut dem Berner Kantonschemiker Urs Müller ist das untypisch: «Die Grenzwertüberschreitungen betreffen sonst meist kleinere Importeure, welche die schweizerische Gesetzgebung kaum kennen. Die Grossverteiler aber verfügen in der Regel über eine gute Selbstkontrolle.»
Müller hat die Erfahrung gemacht, dass asiatische Importeure oft Mühe mit der Qualitätskontrolle haben. Darauf deuten auch die Ergebnisse des saldo-Tests hin: TRS Chilli Pfeffer und Red Chilli Powder - beide bei Asia-Läden eingekauft - erzielten Werte, die ganz knapp unter dem Zulässigen liegen. In der Muskatnuss von Coop wurde ein Aflatoxin-Gehalt von 0,0031 mg/kg gemessen.
Diese drei Produkte genügen zwar den gesetzlichen Anforderungen, saldo bewertet sie dennoch als mangelhaft, weil das Aflatoxin B1 deutlich nachzuweisen war. Die sieben als gut beurteilten Gewürzproben zeigen, dass es den Herstellern durchaus möglich ist, Produkte ohne Schimmelpilzgift auf den Markt zu bringen.
Aflatoxin: Schon in kleinen Mengen Krebs erregend
Paprika edelsüss von Migros, TRS Paprika aus dem Asia-Laden, Compliment Muskat gemahlen und Butty Muskatnuss schnitten genügend ab. Bei diesen Gewürzproben waren zwar Spuren von Aflatoxin nachweisbar, diese liegen jedoch deutlich unter dem Grenzwert.
Müssen Konsumentinnen und Konsumenten nun um ihre Gesundheit fürchten, wenn sie Aflatoxinbelastetes Gewürz gegessen haben? «Es besteht zwar kein Grund zur Panik. Trotzdem: Gewürze mit zu viel Aflatoxin gehören auf keinen Fall auf den Markt. Problematisch wäre es, wenn alle Lebensmittel Aflatoxin in diesen Mengen enthalten würden», erklärt Kantonschemiker Urs Müller. Auch Otmar Zoller, wissenschaftlicher Adjunkt beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), meint, dass «Gewürze kein grosses Risiko darstellen».
Fachleute halten es für sehr unwahrscheinlich, dass jemand allein durch den gelegentlichen Konsum von Aflatoxinbelasteten Gewürzen an Krebs erkrankt.
Dennoch: die Gefährlichkeit von Aflatoxinen in Lebensmitteln darf nicht unterschätzt werden. Studien belegen, dass in Ländern wie Kenya, Thailand und Moçambique, in denen Lebensmittel oft mit Aflatoxin belastet sind, die Menschen häufiger an Leberkrebs erkranken als andernorts.
Auch das Bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen warnt auf seiner Homepage: «Da Aflatoxine eine über ihre Toxizität hinausgehende, nachweislich karzinogene Wirkung besitzen, gibt es keine Schwelle, unterhalb welcher sie ungefährlich sind: In jedem Falle muss selbst kleinsten Aflatoxinmengen grosse Aufmerksamkeit zukommen.»
Importeure haben Mühe, die Grenzwerte einzuhalten
Das gilt neben Gewürzen insbesondere für Lebensmittel, die in grösseren Mengen konsumiert werden. Erst im letzten Herbst beschlagnahmte das St. Galler Kantonslabor 13 000 Kilo Feigen, weil sie mit dem Schimmelpilzgift belastet waren. Das deutsche Bundesamt für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin riet in den vergangenen Jahren vom Verzehr von Pistazien ab - weil sie Aflatoxin über der zulässigen Höchstmenge enthielten.
saldo hat die Importeure und Verkäufer mit den Testergebnissen konfrontiert. Migros hat die belastete Charge Muskatnuss zwar zurückgezogen, zum Ergebnis weiter aber keine Stellung genommen. Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf gibt zu bedenken, dass es sich bei Gewürzen oft um Drittweltprodukte handle. Angesichts der Witterung und Produktionsverhältnisse sei es schwierig, die Waren vor der Verschimmelung zu bewahren, zumal die Produktionsländer nicht über High-Tech-Einrichtungen verfügen würden.
Die Importeure haben offensichtlich Mühe, den geltenden Grenzwert einzuhalten. Die Hauptschwierigkeit: Schimmelpilze wachsen nur punktuell, sodass die Aflatoxine nicht gleichmässig über ein ganzes Warenlos verteilt sind.
Hersteller wollen eine Erhöhung der Grenzwerte
Weil eine lückenlose Kontrolle fast unmöglich ist, kann trotz Stichprobenkontrollen ein Teil der Charge mit Aflatoxinen belastet sein. Eine Möglichkeit, die Gewürze gegen das Schimmelpilzgift zu behandeln, existiert nicht. Den Herstellern bleibt nichts anderes, als belastete Gewürze zu entsorgen.
Nun sind die Importeure beim BAG vorstellig geworden, um über eine Erhöhung des geltenden Aflatoxin-Grenzwertes für Gewürze zu verhandeln. «Mit dem bestehenden Grenzwert haben wir angesichts der Komplexität der Sache grosse Probleme», erklärt Fritz Albrecht vom Gewürzhersteller McCormick S.A. Eine Erhöhung des Grenzwertes hält er für berechtigt. Denn Gewürze würden in über hundertmal kleineren Mengen verzehrt als etwa Erdnüsse oder Feigen.
Otmar Zoller vom BAG bestätigt, dass derzeit über eine Änderung der Grenzwerte diskutiert werde. Dabei würde allenfalls der Grenzwert für Aflatoxin B1 nur für Muskat von 0,005 mg/kg auf 0,01 mg/kg angepasst. Für die übrigen Gewürze werde sich wahrscheinlich nichts ändern.
«Recht auf sichere Lebensmittel krass missachtet»
Jacqueline Bachmann, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, ist empört darüber, dass sich das BAG dem Druck der Importeure beugen will: «Es ist absurd, Grenzwerte zu erhöhen, um die Interessen der Wirtschaft zu schützen. Damit wird das Recht der Konsumentinnen und Konsumenten auf sichere, gesunde Lebensmittel krass missachtet.»
Diese Ansicht teilt Kantonschemiker Urs Müller: «Eine largere Haltung bei den Gewürz-Grenzwerten wäre aus konsumentenpolitischer Sicht wohl nicht der richtige Weg. Die Schweiz ist mit ihren Grenzwerten zwar weltweit am strengsten. Aber bei kanzerogenen Stoffen kann nie genug Sicherheit bestehen.»
Jeannette Büchel
Schimmelpilzgift - Schweizer Grenzwerte sind strong
Mykotoxine sind giftige Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen. Einige der Mykotoxine - vor allem die Aflatoxine - gehören zu den giftigsten Substanzen, die bisher bekannt sind. Sie schädigen das Erbgut und erzeugen Krebs.
Schimmelpilze lieben Wärme und Feuchtigkeit, deshalb befallen sie besonders in tropischen Gebieten oft Pflanzen wie Reis, Mais, Hirse, Erdnüsse oder Pistazien. Unsachgemässe Lagerung und lange Transportwege können das Schimmelpilzwachstum zusätzlich begünstigen. Wenn die Schimmelpilze wachsen und sich vermehren, produzieren sie Mykotoxine. Diese sind geruch-, geschmack- und farblos. Zudem sind sie hitzestabil, sterben beim Kochen also nicht ab.
In der Schweiz existieren zum Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten Grenzwerte: Lebensmittel dürfen nicht mehr als 0,002 Milligramm Aflatoxin B1 pro Kilogramm (mg/kg) enthalten. Für Gewürze beträgt der Grenzwert 0,005 mg/kg.
Lebensmittel mit Aflatoxin-Gehalten über dem Grenzwert gelten als gesundheitsgefährdend und dürfen nicht an Konsumenten abgegeben werden.
Gewürze - Herkunft, Verwendung, Lagerung
Paprika: Paprikapulver wird aus getrockneter roter Gemüsepaprika hergestellt und hat ein intensives, süsswürziges Aroma. Das leuchtend rote Pulver wird als traditionelles Gewürz vor allem für ungarisches Gulasch sowie für Gemüse-, Huhn-, Fisch- oder Fleischgerichte verwendet. Paprikapulver findet sich auch in Grillgewürzmischungen. Generell gilt: je dunkler das Paprikapulver, desto schärfer. Für die Schärfe sorgen die mitvermahlenen Scheidewände und Samen. Gemüsepaprika und -pulver enthalten viel Vitamin C. Paprika stammt aus den mittelamerikanischen Tropen, wird heute aber weltweit in warmem Klima oder in Gewächshäusern angebaut.
Chili: Chillies sind zwar mit der Gemüsepaprika verwandt, sie unterscheiden sich jedoch im Aussehen und vor allem durch ihre Schärfe. Es gibt unzählige Arten von Chilischoten. Meist sind die kleinsten die schärfsten. Auf diese Faustregel kann man sich aber nicht in jedem Fall verlassen: Auch grössere Schoten können ganz schön scharf sein. Das Chilipulver wird aus gemahlenen getrockneten Schoten hergestellt. Verwendung findet es vor allem in der asiatischen und südamerikanischen Küche. Ursprünglich stammen die Chillies aus Südamerika, heute werden sie aber weltweit kultiviert.
Muskatnuss: Die Muskatnuss ist der Samen des Muskatbaumes, der im heissen, tropischen Klima wächst und sich nur sehr schwer anbauen lässt. Muskatnüsse sind ganz oder gemahlen erhältlich. Das warme, ausgeprägte Aroma passt zu heissen Getränken und Desserts. Muskatnuss verleiht auch Kartoffel- und Gemüsegerichten eine besondere Note.
Aufbewahren: Der ideale Aufbewahrungsort für Gewürze ist trocken und einigermassen kühl. Wichtig ist der Schutz vor Feuchtigkeit. Streudosen sollten beim Kochen nicht über den Dampf gehalten werden, denn Feuchtigkeit begünstigt die Schimmelpilzentwicklung. Falls Gewürze (und andere Lebensmittel) sichtbar verschimmelt sind, sollten sie auf jeden Fall entsorgt werden.
Oft werden Gewürze jahrelang im Küchenschrank gelagert. Dadurch verderben sie zwar nicht. «Kriegsvorräte» anzulegen, ist aber unsinnig: Denn die Gewürze verlieren mit der Zeit an Aroma, weshalb sich der Kauf kleiner Packungen empfiehlt.