Das Nachrichtenmagazin «10 vor 10» «vertieft die aktuellen News, leistet Zusatzrecherchen und profiliert sich mit Reportagen». So steht es auf der Website von Schweizer Radio und Fernsehen. 

Dienstagabend, 27. Januar. Moderator Stefan Klapproth kündigt einen Beitrag über neuartige Krebsmedikamente an. Die sogenannte Immuntherapie stärke die körper­eigenen Abwehrkräfte gegen Krebszellen. Hersteller solcher Medikamente sind unter anderem die Pharmafirmen Roche und Novartis.

Novartis kündigte gleichentags einen Gewinn von 10,3 Milliarden Dollar an. Roche verdiente 2014 rund 9,5 Milliarden Franken. Ein aufmerksamer Journalist hätte angesichts solcher Zahlen die Frage gestellt, auf wessen Rücken die Pharmaindustrie solche Gewinne macht. Und ob allenfalls die Preise der Medikamente überhöht sein könnten. Anders «10 vor 10»: Damit solche Gewinne «auch weiterhin sprudeln», fährt Klapproth fort, seien Pharmafirmen ständig auf der Suche nach neuen Medikamenten. 

Was folgte, war alles andere als eine «vertiefte» Geschichte. Auch von «Zusatzrecherchen» keine Spur. Die Konzernchefs von Novartis und Roche durften unwidersprochen Werbebotschaften für ihre Produkte platzieren. Severin Schwan, Konzernchef von Roche: «Der grosse Vorteil der Immuntherapie ist, dass sie nicht nur Lebensverlängerung, sondern in manchen Fällen sogar Heilung verspricht. Entsprechend hoch ist der Nutzen und auch der Preis.» Joseph Jimenez, Konzernchef von Novartis: «In Studien konnten wir zeigen, dass 90 Prozent der Patienten mit einer spezifischen akuten Leukämie komplett geheilt wurden.»

Diese Medikamente kosten schnell einmal 200 000 Franken pro Jahr und Patient. Der Preis hat nichts mit den Kosten etwa für Forschung und Entwicklung zu tun, das sagen sogar die Konzernchefs. Roche, ­Novartis & Co. legen ihn nach dem zu erwartenden Nutzen fest – der Verlängerung des Lebens. Im Klartext: Sie nutzen die Not der schwerkranken Patienten aus und verlangen Fantasiepreise. 

Doch solche Fragen interessieren «10 vor 10» nicht. Dafür darf der «Pharma-Analyst» Michael Nawrath von der Zürcher Kantonalbank die extrem hohen Preise verteidigen: «Für diese neue Immun-Onkologie stehen Zahlen von 30 bis 40 Milliarden im Raum. Ein Riesengeschäft. Trotzdem sind die Preise gerecht­fertigt – weil sie dem Patienten einen richtigen Wert geben.»