Die Poststelle Wigoltingen TG zählte im Jahr 2014 exakt 28 642 Kunden. Die Statistiken der Post zeigen zudem, dass zwischen 2010 und 2014 die Einzahlungen um 1 Prozent zunahmen, die Kundengeschäfte um 3 Prozent, die Zahl der aufgegebenen Pakete um 6 und die der Briefe gar um 21 Prozent. 

Auch in der Gemeinde Pfyn TG blieben die Frequenzen in der Poststelle trotz Reduktion der Öffnungszeiten relativ stabil. Die Gemeindepräsidentin Jacqueline Müller beobachtet von der benachbarten Gemeindekanzlei aus vor der Post regelmässig Schlangen bis ins Freie. 

«Die Schliessungen sind nicht zu beanstanden»

Dennoch will die Post diese zwei Poststellen schliessen und in Agenturen mit deutlich eingeschränktem Angebot umwandeln, integriert in die jeweiligen Volg-Läden. Die Begründung der Post: «Bei beiden Poststellen reicht die Nachfrage bei weitem nicht mehr aus, um eine eigenständige Poststelle mit kundenfreundlichen Öffnungszeiten wirtschaftlich betreiben zu können.»

Die Gemeindebehörden von Wigoltingen und Pfyn sind mit der geplanten Agenturlösung nicht zufrieden. Sie verlangten deshalb von der Postcom, die Schliessungen zu verhindern. Die Postcom ist die Aufsichtsbehörde des Schweizer Postmarkts, ihre Zusammensetzung bestimmt der Bundesrat. 

Die Antwort der Postcom an die zwei Gemeinden: Die Schliessungen seien «nicht zu beanstanden». Die Post halte die gesetzlichen Rahmen­bedingungen ein und ermögliche nach wie vor eine gute postalische Grundversorgung im fraglichen Gebiet. 

Postcom verhinderte bisher nur gerade zwei Schliessungen

Die Post schliesst pro Jahr rund 100 Poststellen (siehe saldo 17/2015). Nur ein Bruchteil der Gemeinden macht sich aber die Mühe, die im Postgesetz vorgesehene Überprüfung durch die Postcom zu beanspruchen. Denn die Erfolgsaussichten sind gering. Seit ihrer Einsetzung 2012 hat die Behörde 21 Schliessungen beurteilt und sich in nur gerade 2 Fällen (Ramsen SH und Grandvillard FR) gegen die Post gestellt. 

Gesetz und Verordnung schreiben der Postcom exakt vor, was sie zu überprüfen hat. Es sind drei Kriterien: 

  • ob die Post mit der Gemeinde eine einvernehmliche Lösung suchte
  • ob die vom Gesetz fest­gelegten Erreichbarkeitsvorgaben für Poststellen oder Agenturen eingehalten werden 
  • ob die Post beim Schliessungsentscheid die «regionalen Gegebenheiten» berücksichtigte. 

Das Kriterium der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung ist bereits erfüllt, wenn die Post sich ­dreimal mit den Gemeinde­vertretern getroffen hat. 

Das Ziel: Die Meinung der Gemeinde zur geplanten Schliessung anzuhören. Jacqueline Müller schüttelt den Kopf: «Unter ‹eine einvernehmliche Lösung suchen›, verstehe ich nicht, dass uns die Post vor vollendete Tatsachen stellt und keine Offenheit zeigt für andere Vorschläge.» Es sei der Post stets nur um das wann der Schliessung gegangen und nicht um das ob.

Beim Kriterium Erreichbarkeit achtet die Postcom nur darauf, ob nach der Schliessung weiterhin mindestens 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung – und nicht der betroffenen Gemeinde! – mit dem öffentlichen Verkehr innert 20 Minuten die nächste Poststelle oder -agentur erreichen. 

Beim letzten Punkt, der Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten, untersucht die Behörde, ob die betroffene Bevölkerung weiterhin in der näheren Umgebung Zugang zu Postdienstleistungen hat. Dabei stellt sie Agenturen den Poststellen praktisch gleich, obwohl Agenturen weder Einzahlungen annehmen noch Spezialsendungen. 

Die Postcom stellt die Schliessung einer Poststelle auch nicht in Frage, wenn dadurch die Reisezeiten zur nächsten Poststelle mit dem vollständigen Dienstleistungsangebot der Post inklusive Zahlungsverkehr massiv länger werden. Im Fall von Wigoltingen benötigt die Bevölkerung für eine Besorgung in der Poststelle Müllheim künftig mit dem öffentlichen Verkehr zwischen eineinviertel und fast drei Stunden. Beurteilung der Postcom: «Die Wegzeiten zur nächstgelegenen Poststelle Müllheim Dorf können als zumutbar erachtet werden.»

Kein Einblick in die Jahresrechungen der Poststellen

In ihrem Bericht zur Poststelle Wigoltingen schreibt die Postcom, die Post müsse «die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung im Auge behalten». Allerdings kann sie dieses Hauptargument der Post gar nicht beurteilen. Das Gesetz sieht nämlich keine Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der von der Schliessung bedrohten Poststelle vor. 

Der Postcom liegen laut Sprecher Andreas Herren die Frequenz- und Volumenzahlen der betroffenen Poststelle der vergangenen Jahre vor. Zudem kennt sie den aktuellen Umsatz, um die Grösse der Poststelle einordnen zu können. Sie hat aber keinen Einblick in die Jahresrechnung der Poststelle. Die Post sagt: «Interne Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit einzelner Standorte sind Geschäftsgeheimnis.»

Für Sonja Wiesmann, Gemeindepräsidentin von Wigoltingen, ist das Postcom-Verfahren zur Beurteilung einer Poststellenschliessung eine «Alibiübung». Die Prüfkriterien seien so ausgestaltet, dass die Post mit ihrem Begehren fast immer durchkomme. «Die Post kann trotz gesetzlichen Regelungen machen, was sie will», sagt Wiesmann. Sie hofft, dass auf politischem Weg eine Änderung des Postgesetzes zustande kommt. 

Einen entsprechenden Vorstoss unternahm der Thurgauer CVP-Nationalrat Christian Lohr. In seiner Interpellation kritisiert er den «Kahlschlag bei den Poststellen» sowie die mangelnde Transparenz der Post bei der Publikation von kantonalen Erreichbarkeitszahlen. 

In seiner Antwort schreibt der Bundesrat, laut der Post seien Landkantone nicht überdurchschnittlich von Poststellenschliessungen betroffen. Der Bundesrat sehe deshalb keinen Handlungsbedarf. 

Mit andern Worten: Dem Bundesrat ist die Schliessung von jährlich rund 100 Poststellen egal. Haupt­sache, die Post zahlt jedes Jahr aus ihrem Gewinn mehrere Hundert Millionen in die Bundeskasse.