Pensionskassen von Staatsbetrieben: Privilegien auf Kosten der Steuerzahler
Die Pensionskassen öffentlicher Betriebe werden mit Milliarden von Steuergeldern unterstützt. Der Grund: zu tiefe Prämien für die grosszügigen Leistungen.
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saldo 09/2013
15.05.2013
Thomas Lattmann
Die SRG schrieb im letzten Jahr das grösste Defizit ihrer Geschichte: Der Verlust belief sich auf 117,4 Millionen Franken. Einziger Grund für die tiefroten Zahlen ist die Pensionskasse: Die SRG zahlte nicht weniger als 160,2 Millionen Franken zusätzlich zu den normalen Arbeitgeberbeiträgen in die 2. Säule der Angestellten ein. Das Geld stammt grösstenteils aus den Fernseh- und Radiogebühren. Letztes Jahr trieb die Billag für die SRG ...
Die SRG schrieb im letzten Jahr das grösste Defizit ihrer Geschichte: Der Verlust belief sich auf 117,4 Millionen Franken. Einziger Grund für die tiefroten Zahlen ist die Pensionskasse: Die SRG zahlte nicht weniger als 160,2 Millionen Franken zusätzlich zu den normalen Arbeitgeberbeiträgen in die 2. Säule der Angestellten ein. Das Geld stammt grösstenteils aus den Fernseh- und Radiogebühren. Letztes Jahr trieb die Billag für die SRG Gebühren von 1,19 Milliarden Franken ein.
Grund für diese exorbitanten Kosten: Die SRG-Angestellten waren bisher gegenüber normal Versicherten stark privilegiert. Die Altersrenten entsprechen einem bestimmten Prozentsatz des letzten versicherten Lohnes vor der Pensionierung (sogenanntes Leistungsprimat). Bei den normalen Rentnern in der freien Wirtschaft ist das anders: Sie erhalten so viel, wie sie bis zur Pensionierung angespart haben, plus die ihnen von der Kasse gutgeschriebenen Zinsen (Beitragsprimat).
Mit anderen Worten: Die Renten in den Pensionskassen mit Leistungsprimat werden nicht aufgrund der Beiträge von Arbeitgebern und Angestellten festgelegt, sondern nach dem letzten Lohn. Und das ist in der Regel der Höchstlohn im Lauf der beruflichen Karriere. Deshalb fehlt Geld in der Kasse. Und darum auch weisen viele Kassen der öffentlichen Betriebe einen Deckungsgrad unter 100 Prozent auf. Das heisst: Sie können die versprochenen Leistungen mit dem vorhandenen Kapital nicht decken. Deshalb satteln immer mehr dieser Kassen auf das Beitragsprimat um oder planen diesen Schritt.
Viel höhere Renten und frühere Pensionierung
Diesen Weg geht auch die SRG-Pensionskasse. Heute erhalten die Angestellten 67,5 Prozent des letzten Lohnes bis ans Lebensende als Altersrente ausbezahlt – so grosszügig ist kaum eine andere Kasse. Konkret heisst das: Ein SRG-Angestellter mit einem letzten Lohn von 100 000 Franken erhält 67 500 Franken Rente pro Jahr – ein nach Gesetz versicherter Angestellter mit Beitragsprimatkasse kommt hingegen nur auf etwas mehr als die Hälfte. Kaderleute der SRG geniessen ferner das Privileg, bereits mit 62 Jahren in Pension zu gehen. In den letzten vier Jahren machten 31 Kadermitglieder davon Gebrauch.
Auch nach dem geplanten Wechsel zum Beitragsprimat sind die Leistungen für die SRG-Angestellten immer noch weit überdurchschnittlich. Gemäss der «NZZ am Sonntag», die Einblick in unveröffentlichte Pläne der SRG-Pensionskasse hatte, soll für Versicherte ab 55 Jahren Besitzstandswahrung gelten. Das heisst: Auch nach dem Umbau garantiert ihnen die Kasse 67,5 Prozent des letzten Lohnes als lebenslange Altersrente. Bei den jüngeren Jahrgängen will die SRG ebenfalls grosszügig sein. Vorgesehen ist, dass die mit der Umstellung verbundenen Renteneinbussen von der SRG – also den Gebührenzahlern – ganz oder teilweise ausgeglichen werden.
Solche Opfer sind der Allgemeinheit besser zu verkaufen, wenn man sich ärmer darstellt als man tatsächlich ist. Und das geht so: Ende des letzten Jahres betrug der Deckungsgrad der SRG-Pensionskasse 104 Prozent. Die versprochenen Leistungen waren also mehr als voll gedeckt. Diesen Deckungsgrad berechnete die Pensionskasse unter der Annahme einer langfristigen Rendite auf dem verwalteten Kapital von 4 Prozent (sogenannter technischer Zinsfuss) – die effektiv erwirtschaftete Rendite lag letztes Jahr jedoch bei 8 Prozent. Trotzdem hat die SRG beschlossen, den technischen Zinssatz auf Anfang nächsten Jahres auf 3,25 Prozent zu senken. Dadurch fällt der Deckungsgrad rechnerisch unter 100 Prozent – ohne dass auch nur ein einziger Franken weniger in der Pensionskasse ist. Um rechnerisch die volle Deckung der Renten wieder zu gewährleisten, zahlte die SRG den Zuschuss von 160,2 Millionen Franken, der für das Defizit des letzten Jahres verantwortlich war. Und falls die SRG-Pensionskasse den technischen Zinssatz in den kommenden fünf Jahren weiter senkt, will die SRG wiederum die vollen Kosten für das fehlende Deckungskapital der Rentner übernehmen.
Der Trick mit der Senkung des technischen Zinsfusses wird von immer mehr Kassen angewendet, wenn sie ihre finanzielle Lage schlechter darstellen wollen als sie ist. Die Strategie dahinter: Die Versicherten sind eher bereit, tiefere Renten oder höhere Lohnabzüge zu akzeptieren, wenn der Deckungsgrad auf dem Papier tief ist. Und die Steuerzahler sind eher bereit, einen Zustupf zu leisten, wenn öffentliche Pensionskassen tiefrote Zahlen schreiben.
Auch die SBB tricksten mit dem technischen Zinsfuss
Die Pensionskasse der SBB etwa hat seit 1999 von den Steuerzahlern die gigantische Summe von 13,7 Milliarden Franken erhalten. Laut Patrick Zuber von der SBB-Pensionskasse hat es sich dabei vor allem um bis dahin geschuldete Arbeitgeberbeiträge gehandelt. Bis 2006 wurden SBB-Angestellte mit 62 pensioniert, bei einer Rente von 60 Prozent des letzten Lohnes. Im Jahr 2007 wechselte die Kasse zum Beitragsprimat, das Rentenalter wurde auf 65 erhöht. Gleichzeitig gab es grosszügige Übergangsregelungen für älteren Jahrgänge.
Gegenwärtig bezieht die Hälfte der 56 000 SBB-Pensionskassenangehörigen eine Rente. Der letzte Zuschuss der Steuerzahler von 1,148 Milliarden Franken erfolgte vor zwei Jahren. Zurzeit diskutiert die Kasse, ob der technische Zinssatz von aktuell 3 Prozent noch weiter gesenkt werden soll – obwohl das Vermögen letztes Jahr eine Rendite von 7,44 Prozent abwarf. Eine Senkung hätte dann wieder eine Unterdeckung zur Folge.
Post will technischen Zinsfuss im August senken
Bei der Post wurden die Beiträge der Versicherten für die Pensionskasse erhöht. Noch viel mehr zahlte der Arbeitgeber: Seit 2006 hat die Post 1,26 Milliarden Franken zusätzlich überwiesen. Und in den letzten beiden Jahren hat die Post zusätzlich je 150 Millionen als Arbeitgeberreserve an die Kasse ausbezahlt. Dabei handelt es sich um eine Vorauszahlung. Damit will die Kasse die auf 1. August geplante Senkung des technischen Zinssatzes von 3,5 auf 3 Prozent finanzieren – trotz eines Zinsertrags von 6,52 Prozent im letzten Jahr. Der Deckungsgrad der Post-Vorsorgeeinrichtung belief sich per Ende 2012 auf 98,8 Prozent. Bis Anfang 2008 galt auch bei der Post das Pensionsalter 62. Mit der Erhöhung auf 65 Jahre führte die Kasse das Beitragsprimat ein.
Pensionskassen der Kantone: Steuerzahler müssen auch in den Kantonen zahlen
- Bern: Der Kanton Bern will seine beiden Pensionskassen vom Leistungs- in das Beitragsprimat überführen. Um dem Kantonspersonal den Wechsel zu erleichtern, plant die Regierung, 500 Millionen Franken aus Steuergeldern einzuschiessen. Weiter ist eine Schuldanerkennung des Kantons gegenüber beiden Kassen von rund 2 Milliarden Franken vorgesehen. Auf der anderen Seite wird das Rentenalter für die Kantonspolizisten von 60 auf 62 Jahre, für alle übrigen Versicherten von 63 auf 65 Jahre angehoben.
- Basel-Stadt: Der Kanton hat seit 2008 schon 2,17 Milliarden Franken an Steuergeldern in die Pensionskasse des Personals gesteckt. Zurzeit werden weitere Massnahmen diskutiert, welche die Basler Steuerzahler weitere 870 Millionen Franken kosten könnten. Gleichzeitig wird auch die Erhöhung des Rentenalters von 63 auf 65 und der Wechsel zum Beitragsprimat erwogen.
- Solothurn: Die Steuerzahler schiessen hier einen Betrag von 1,04 Milliarden Franken ein.
- Zürich: Sogar eine Einmaleinlage von 2 Milliarden hat die Beamtenversicherungskasse des Kantons Zürich im letzten Jahr aus der Staatskasse erhalten.