Pensionskassen: Grosse Differenz bei Verzinsung
Der saldo-Artikel über den Milliardenklau in der 2. Säule ist von der Pensionskassenlobby heftig kritisiert worden. Nur: Selbst der Chef der Pensionskasse Integral sagt, der Mindestzins werde aus politischen Gründen viel zu tief angesetzt.
Inhalt
saldo 11/2013
09.06.2013
Yves Demuth, Max Fischer
Den Versicherten in der 2. Säule entgehen Milliarden, weil ihre Guthaben von den Pensionskassen viel zu tief verzinst werden. saldo berechnete dies aufgrund der Zahlen des letzten Jahres: Die meisten Vorsorgestiftungen verzinsten das Alterskapital der Versicherten nur gerade zum Mindestzins von 1,5 Prozent – obwohl die Kassen mit diesem Geld 7,2 Prozent Ertrag erwirtschafteten (siehe Ausgabe 10/13). ...
Den Versicherten in der 2. Säule entgehen Milliarden, weil ihre Guthaben von den Pensionskassen viel zu tief verzinst werden. saldo berechnete dies aufgrund der Zahlen des letzten Jahres: Die meisten Vorsorgestiftungen verzinsten das Alterskapital der Versicherten nur gerade zum Mindestzins von 1,5 Prozent – obwohl die Kassen mit diesem Geld 7,2 Prozent Ertrag erwirtschafteten (siehe Ausgabe 10/13).
Die Höhe des Mindestzinses wird vom Bundesrat festgelegt – auf Empfehlung einer Kommission. saldo nannte die Kommissionsmitglieder beim Namen. saldo-Leser A. H. aus Emmenbrücke LU wollte deshalb etwa von Kommissionsmitglied Laurence Uttinger wissen, ob sie tatsächlich mithelfe, «Versicherte um Milliarden zu betrügen».
In ihrer Antwort verwies Uttinger unter anderem auf die Stellungnahme des Pensionskassenverbandes Asip (siehe Artikel unten). Sie machte aber auch klar, dass es jeder Pensionskasse freistehe, mehr als den Mindestzins gutzuschreiben, wenn sie gut gewirtschaftet habe.
Versicherungslobby will tiefen Mindestzins durchsetzen
Das setzte zum Beispiel die Pensionskasse Integral in die Tat um. Sie ging mit gutem Beispiel voran und schrieb den Versicherten im letzten Jahr 7 Prozent Zins gut. Geschäftsführer Simon Piali kritisiert die Branche: «Der Mindestzins wurde in den letzten Jahren aus politischen Gründen tenden- ziell zu tief angesetzt.» Die Branche argumentiere viel zu pessimistisch. Selbst angesichts der aktuell tiefen Zinsen sei es möglich, gute Renditen zu erwirtschaften.
Dies belegen die Zahlen für 2012. «2 Prozent Mindestzins für 2013 wären nicht zu viel gewesen», sagt Piali. Doch insbesondere die Versicherungslobby arbeite in Bern stark auf einen tiefen Zins hin und habe damit Erfolg.
Im Durchschnitt verzinste Integral die Altersguthaben der Erwerbstätigen seit Einführung des Pensionskassenobligatoriums im Jahr 1985 mit 5,46 Prozent. Der Mindestzins-Durchschnitt lag in der gleichen Periode hingegen bei nur 3,4 Prozent. Dieser Unterschied schenkt für die Versicherten massiv ein. Beispiel: Ein Betrag von 10 000 Franken wuchs bei der Integral ohne jede weitere Einzahlung von 1985 bis 2012 auf 44 206 Franken an. Hätte die Kasse jedes Jahr mit dem Mindestzins gerechnet, würde sich das Guthaben heute nur auf 25 490 Franken belaufen. Entsprechend tiefer wäre die Rente für einen Pensionierten.
Hohe Zinsen gab im letzten Jahr nicht nur die kleine Integral mit lediglich 3260 Versicherten. Die Pensionskasse der Credit Suisse schrieb ihren Angestellten immerhin 2,5 Prozent gut, die Kassen von Julius Bär und Novartis je 3 Prozent und diejenige des Softwareentwicklers SAP gar 5,93 Prozent.
Mindestzins: Die Argumente der Pensionkassenbranche und die Fakten
Auf den saldo-Artikel zum Mindestzins reagierte der Pensionskassenverband Asip postwendend mit einer Stellungnahme. Darin werden Argumente angeführt, die den Mindestzins von 1,5 Prozent rechtfertigen sollen. Zur Erinnerung: Die 1,5 Prozent waren selbst dem zuständigen Bundesrat Alain Berset zu tief gewesen, weshalb er eine Erhöhung beantragt hatte (saldo 19/12).
Die Behauptungen des Pensionskassenverbandes im Detail:
- Die finanzielle Lage der Pensionskassen sei schlecht.
Falsch: Der Deckungsgrad aller Pensionskassen lag laut einer Swisscanto-Umfrage Ende letzten Jahres bei rekordhohen 109 Prozent, 6 Prozent höher als im Vorjahr. Zweitens warnte selbst der Vertreter des Bundesamts für Sozialversicherungen die Mitglieder der Kommission: «Die finanzielle Lage der Kassen darf gemäss Gesetz bei der Festlegung des Mindestzinses nicht berücksichtigt werden.» Massgebend seien die Ertragsmöglichkeiten. - Der Pensionskassenverband sagt, dass der Mindestzins von 1,5 Prozent nur eine Leitlinie sei, jede Kasse könne auch mehr Zins zahlen. Somit würde niemand um sein Geld geprellt.
Das trifft zu. Nur: Der vom Bundesrat festgesetzte Mindestzinssatz hat einen enormen Einfluss. Er führt laut Simone Piali von der Pensionskasse Integral dazu, dass sich selbst Kassen mit hohen Renditen und gutem Deckungsgrad an diesem Minimum orientierten und den Versicherten nicht mehr gutschrieben. Beispiel: Die Pensionskasse der UBS zahlt trotz einer Rendite von 7,9 Prozent gemäss Onlineportal Insideparadeplatz.ch ihren Angestellten nur 1,5 Prozent Zins auf das Alterskapital. - Der zu gleichen Teilen aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern zusammengesetzte Stiftungsrat entscheide eigenverantwortlich und unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen, wie viel den Versicherten gutgeschrieben werde.
Auch das stimmt auf dem Papier. Nur sitzen in Wirklichkeit in den Stiftungsräten der Pensionskassen Vertreter der Angestellten dem Kader des Unternehmens gegenüber. Der Wissensvorsprung der Geschäftsleitung und die höhere hierarchische Stellung führen zu einem Ungleichgewicht. Bestes Beispiel: der Stiftungsrat der UBS-Pensionskasse. Präsident ist Ulrich Körner, stellvertretender Konzernchef, dazu kommen drei weitere hochrangige UBS-Kader. Da stehen Angestelltenvertreter auf verlorenem Posten.
Pikant: Sogar die obersten Chefs liessen es sich nicht nehmen, im Stiftungsrat Einsitz zu nehmen – wie zum Beispiel die Ex-UBS-Chefs Peter Wuffli und Marcel Ospel. - Hohe Erträge in einem Jahr müssten dazu beitragen, tiefere Erträge oder Verluste in einem anderen – zum Beispiel 2008 – zu decken. Die Kassen müssten langfristig planen.
Falsch: Die Verzinsung des Kapitals wird von Jahr zu Jahr festgelegt. Die Kasse kann also den Zins gestützt auf die erwirtschaftete Rendite festlegen.