Heute dürfen einem Menschen nur Organe entnommen werden, wenn er zu Lebzeiten zugestimmt hat oder seine Angehörigen ihr Einverständnis geben. Doch Anfang Oktober änderte das Parlament das Transplantationsgesetz. Künftig sollen Ärzte ­Organe entnehmen dürfen, sofern sich jemand nicht mit ­einer Eintragung in ein ­Register ausdrücklich dagegen aussprach oder seine nächsten Angehörigen die Entnahme untersagen.

Die Gesetzesänderung geht auf die Initiative einer kleinen Lobby zurück. Eine Gruppe von Westschweizer Jungunternehmern sammelte vor vier Jahren Unterschriften für eine Volks­initiative. Die radikale Forderung der Jeune Chambre Internationale aus Montreux VD: Für die ­Organentnahme soll es keine Zustimmung mehr brauchen. Es soll reichen, wenn Verstorbene nicht rechtzeitig zuvor ausdrücklich widersprochen haben.

Die Stiftung Swisstransplant unterstützte die Volksinitiative von Anfang an. Sie bestätigt, dass sie dem Initiativkomitee 60 000 Franken bezahlte. Diese Mittel setzten die Jungunternehmer unter anderem für zwei Firmen ein, die gegen Geld Unterschriften sammelten. Die ­Initiative kam zustande. Sie wurde im März 2019 mit 113 000 Unterschriften ­eingereicht.

In der Herbstsession gelang der Transplantationslobby im Parlament ein Coup. National- und Ständerat lehnten zwar die Initiative ab, änderten aber das bestehende Transplantationsgesetz im Sinn der Initianten («K-Tipp» 16/2021). So konnte eine Volksabstimmung über die neue Widerspruchsregelung verhindert werden. Denn Initiativen müssen vors Volk – Gesetze hingegen nur dann, wenn jemand innert drei Monaten 50 000 Unterschriften sammelt. 

«Lobbyisten wollten eine Volks­abstimmung verhindern»

Der Urner FDP-Ständerat Josef Dittli stellt gegenüber saldo fest: «Das Volk wurde umdribbelt.» Claudio Kuster von der Stiftung für direkte Demokratie kritisiert das Vorgehen ebenfalls: «Die Lobbyisten wollten nicht, dass es zu einer Volksabstimmung kommt.» Die Initiative wurde nach dem Parlamentsentscheid denn auch innert weniger Tage zurückgezogen.

Ob das Kalkül der Lobbyisten aufgeht, ist offen. Eine Gruppe von Ärzten, Pflegefachleuten, Juristen und Ethikern hat das Referendum gegen die neue Regelung ergriffen. Die Sammelfrist läuft bis im Januar 2022.

Swisstransplant schreibt saldo, man sei von den Initianten erst 2017 kontaktiert worden, als der Initiativtext bereits vorlag. Beim Parlaments­entscheid gegen eine Volksabstimmung sei Swisstransplant «nicht involviert» gewesen.

Der damalige Stiftungsrats­präsi­dent Pierre-Yves Maillard sagte 2019 in der «Schweizerischen Ärztezei­tung»: «Die öffentliche Diskussion im Rahmen einer Volksabstimmung ist wesentlich.» Heute sagt er gegenüber saldo: Das Volk könne auch beim indirekten Gegenvorschlag des Par­laments mitbestimmen, falls das Referendum zustande kommt. Ohne Referendum würde es aber schneller gehen: «Es besteht Zeitdruck, weil ­jedes Jahr Personen sterben, die auf Organe warten.»