«Ohne sanfte Prostitution geht es nicht»
Die Privatwirtschaft mischt immer mehr bei den öffentlichen Universitäten mit. Sie finanziert Lehrstühle und macht Vorgaben, was erforscht werden soll.
Inhalt
saldo 01/2009
19.01.2009
Letzte Aktualisierung:
20.01.2009
Thomas Lattmann
Überraschend hoch» sei der Kenntnisstand der Schweizer über strukturierte Produkte der Finanzbranche. Das verkündeten kürzlich mehrere Tageszeitungen. Gekauft würden diese Finanzprodukte wegen der guten Rendite und Sicherheit. Quelle dieser Erkenntnisse ist eine Studie des Instituts für Schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich.
Kein Zufall: Genau zum Zeitpunkt, als strukturierte Produkte wegen der Lehman-Brothers-Pleite in Miss...
Überraschend hoch» sei der Kenntnisstand der Schweizer über strukturierte Produkte der Finanzbranche. Das verkündeten kürzlich mehrere Tageszeitungen. Gekauft würden diese Finanzprodukte wegen der guten Rendite und Sicherheit. Quelle dieser Erkenntnisse ist eine Studie des Instituts für Schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich.
Kein Zufall: Genau zum Zeitpunkt, als strukturierte Produkte wegen der Lehman-Brothers-Pleite in Misskredit gerieten, setzte die Meldung einen positiven Kontrapunkt. Was in keiner Zeitung stand: Auftraggeber der Studie waren die Bank Vontobel sowie die Derivate-Plattform Scoach. Sie hatten die Studie mit 100 000 Franken finanziert, den Zeitpunkt der Veröffentlichung und teilweise die Fragen vorgegeben.
UBS, Cablecom: Universitäre Studien für den guten Ruf
Ein anderes Beispiel: Letztes Jahr wurde in Zürich das Swiss Design Institute for Finance and Banking gegründet. Forscher von Hochschulen, darunter die ETH Zürich und die Uni St. Gallen, sollen an diesem neuen Institut den Informationsfluss zwischen Banken und ihren Privatkunden verbessern. Finanziert wird es unter anderem von der Zürcher Kantonalbank, der Privatbank Maerki Baumann & Co. sowie Microsoft.
Der Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) an der Uni Zürich finanziert sich nur zu einem Fünftel durch universitäre Mittel. Die restlichen 80 Prozent erwirtschaftet der Bereich durch Partnerschaften mit Privatfirmen und Behörden, Forschungswettbewerbe sowie eine Stiftung. Wichtig sind Reputationsanalysen für Firmen. Darunter sind Kunden, die das bitter nötig haben: UBS und Cablecom.
Nicht alle Forschungsbereiche erhalten gleich viel Geld
Schweizer Hochschulen bemühen sich verstärkt um Beiträge von Unternehmen. Denn die öffentlichen Gelder stagnieren, die Mittel pro Student sinken. «Die Hochschulen müssen neue Finanzierungsquellen erschliessen», sagt Daniel Odermatt, Verwaltungsdirektor der Universität Bern.
Die Uni Zürich baut zurzeit eine Stelle für Fundraising auf, Basel «systematisiert» das Buhlen um Spenden und an der Uni St. Gallen macht man sich «vertiefte Gedanken für einen weiteren Schritt in Richtung Sponsorengelder». Geld lässt die Privatwirtschaft vor allem für Forschung in Biotechnologie, Medizin, Recht und Wirtschaft springen.
Geldgeber schreiben Fragen vor, die ihre Interessen abdecken
Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft hat ihre Tücken. Denn uneigennützig gibt den Hochschulen kaum jemand Geld. Das bestätigt Johann Schneider-Ammann, Präsident des Verbandes der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, in der «Handelszeitung»: «Ohne Eigeninteresse sponsert keiner.» Das kann dazu führen, dass die Geldgeber den Hochschulen die Forschungsbereiche und -fragen vorgeben. Unternehmen profitieren zudem vom guten Ruf der Hochschulen. Denn die Öffentlichkeit schätzt eine universitäre Studie eher als seriös und wissenschaftlich ein.
Klare Verträge sollen die Zusammenarbeit mit Sponsoren regeln
Die Privatwirtschaft zahlt auch Professoren – an der ETH Zürich etwa sind es zehn Lehrstühle. An der Uni Bern sponsert die Mobiliar-Versicherung einen Lehrstuhl in Klimaforschung, um wissenschaftliche Erkenntnisse mit Versicherungsfragen zu verknüpfen. Die Migros finanziert einen Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement an der Uni St. Gallen. Untersucht wird, was die Migros interessiert: Themen des Einzel- und Grosshandels. So hat der Lehrstuhlinhaber Thomas Rudolph letztes Jahr eine Studie über Preisaktionen im Schweizer Detailhandel publiziert. Der Professor lässt sich auch gern im «Migros Magazin» zitieren.
Kurt Imhof, Professor am Fög in Zürich, räumt ein: «Ohne harte Prinzipien und ‹sanfte Prostitution› geht es nicht.» Dank der Privatwirtschaft könne er mehr Forschungsstellen schaffen. Freiheit und Objektivität seien aber gewährleistet.
Die Sprecher der Hochschulen betonen, dass die Freiheit von Forschung und Lehre durch den Einsatz von privaten Mitteln nicht beeinträchtigt sei. Die Uni St. Gallen führt aus: «Die Hochschule weiss, dass eine Zusammenarbeit mit Sponsoren heikel sein kann. Sie legt deshalb Wert auf präzise Spielregeln und vertragliche Regelungen.»