Nicht beliebig wiederholbar
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saldo 3/2000
16.02.2000
Die Allgemeine Plakatgesellschaft macht mit ihrer Kampagne für das Plakat als Werbemittel wegweisende Werbung.
Aber natürlich kennen Sie Angie Becker. Bestimmt sind auch Sie im letzten Sommer grübelnd vor ihrem Bild an der Tramhaltestelle gestanden und haben sich gefragt, ob sie dieses Mädchen mit den grünlichen Augen und den Sommersprossen nicht schon irgendwo gesehen haben. Und wenn Sie männlichen Geschlechts sind und ehrlich, haben Sie sich gesagt, Sie hätten nichts dage...
Die Allgemeine Plakatgesellschaft macht mit ihrer Kampagne für das Plakat als Werbemittel wegweisende Werbung.
Aber natürlich kennen Sie Angie Becker. Bestimmt sind auch Sie im letzten Sommer grübelnd vor ihrem Bild an der Tramhaltestelle gestanden und haben sich gefragt, ob sie dieses Mädchen mit den grünlichen Augen und den Sommersprossen nicht schon irgendwo gesehen haben. Und wenn Sie männlichen Geschlechts sind und ehrlich, haben Sie sich gesagt, Sie hätten nichts dagegen, diese Angie Becker kennen zu lernen.
Aber wer war sie - einmal fragend an der Tür, einmal mit konzentriertem Blick in den Rückspiegel eines klapprigen Autos, einmal wie auf der Flucht? Überall hingen diese Plakate mit der dringlich wirkenden Frage: "Wer kennt Angie Becker?" War sie verloren gegangen, vermisst, untergetaucht, entführt ...? Die junge Dame erhitzte die Gemüter, die Zeitungen waren voll davon. Dann kam die fiese Auflösung: "Mit APG-Plakaten wird man im Nu bekannt." Ätsch!
Angie, ein Werbegag! Ich nehme an, dass Sie sich auch düpiert vorkamen, als bekannt wurde, welches üble Spielchen da mit uns gespielt wurde. Unsere ganze Anteilnahme am unbekannten Schicksal dieser geheimnisvollen Frau, unsere Ängste, Hoffnungen, Fantasien ... Schindluder hat man mit unseren Gefühlen getrieben.
Und jetzt auch noch das! Jüngst hat der Werberverband Art Directors Club Schweiz die Angie-Plakate, also die Kampagne zur Verbesserung der Aufmerksamkeit für das Werbemittel Plakat, mit Gold ausgezeichnet und damit kundgetan, es handle sich um Werbung von "wegweisender", also höchster Qualität.
Warum? Was ist daran so lobenswert, dass man Angie dazu missbraucht hat, uns hinters Licht zu führen? Und was sollen wir tun, um uns für diese Frechheit zu rächen? Sollen wir Protestschreiben an den ADC schicken? Leserbriefe? Sollen wir für Angies Ehre auf die Strasse?
Am besten wohl nichts von alledem, denn wir würden damit gleich noch einmal beweisen, wie gut diese so genannte Teaser-Kampagne in der Tat war. To tease ist englisch und heisst necken, hänseln, zum Narren halten. Neu ist diese Art von Werbung nicht, wohl aber die Art, wie sie hier eingesetzt wurde - als wärs ein Stück mitten aus dem Leben, so echt, so wahr, so ehrlich wie Angies Gesicht. Die Werber waren clever genug, direkt unsere Gefühle ins Visier zu nehmen und nicht nur so zu tun als ob. Mit dem Ergebnis, dass wir, die Ertappten, uns über unseren Voyeurismus schämen durften.
Die Kampagne ist mutig, konsequent, in dieser Art neu, überraschend, frech und - das Allerwichtigste - man sieht ihr nicht schon auf den ersten Blick an, dass es (Teaser)Werbung ist. Deshalb ist sie Gold wert.
Gefallen daran findet offenbar auch die Auftraggeberin, die APG. Jedenfalls hängen jetzt wieder Plakate, die sehr verdächtig nach Teaser-Kampagne aussehen. "Ist Ihnen Mimi begegnet?" "Ist Cita bei Ihnen vorbeigekommen?" "Haben Sie Lora gesehen?"
Wieder wird also das üble Spiel mit fingierten Vermisst-Anzeigen gespielt, jetzt geht es um Katze, Hund und Vogel. Aber diesmal geht die Rechnung der Werber nicht auf. Wir haben nämlich den Trick durchschaut. Wir werden uns nicht mehr an der Nase herumführen lassen, wir werden lachen, wenn wir Cita, Lora oder Mimi sehen, und sagen: "Gewöhnliche Teaser-Werbung, die tun nur so als ob." Dann ist die ganze Sache für die Katz und wir haben unsere Rache für das, was sie uns mit Angie angetan haben.
Erich Liebi