Der Naturpark Gantrisch an der Grenze der Kantone Bern und Freiburg lässt sich auf unterschiedliche Weise erkunden: umweltfreundlich zu Fuss oder mit dem Velo. Aber auch mit einer «besonderen Genussfahrt oben ohne» in einem Alfa Romeo Spider 2.0 TS Cabriolet des Autovermieters Gantrisch Cabrio in Schwarzenburg BE. Oder auf einem vierrädrigen Quad-Geländetöff von «Gantrisch-Quad-Tours» in Riggisberg BE.
Viel Motorenlärm im Naturpark gibts auch beim Bergrennen auf dem Berner Gurnigel. Dieses Autospektakel geht 2021 das nächste Mal über die Bühne. Motorfreunde kommen auch im Naturpark Diemtigtal BE auf ihre Rechnung. Dort findet jedes Jahr ein Wettkampf im Geschicklichkeitsfahren auf Motorrädern statt, das «Trial Grimmialp».
Wer in einem Pistenfahrzeug mitfahren will, wird sich vom winterlichen «Pistenbully-Erlebnis» der Bergbahnen Sörenberg LU angesprochen fühlen. Der erste regionale Naturpark der Schweiz, die Unesco Biosphäre Entlebuch, bewirbt das als «ein Erlebnis für Jung und Alt». Und wie in vielen anderen Naturpärken können sich Besucher hier auch in einem Seilpark, auf einer Sommerrodelbahn oder mit einem wilden Ritt auf «Bikeboards» und «Fat-Trottis» vergnügen. Bikeboards sind eine Art Trottinett mit drei Rädern, Fat-Trottis sind Tretroller mit grossen Reifen.
Heute gibt es in der Schweiz fünfzehn regionale Naturpärke. Ein sechzehnter Park – im Val Calanca GR – ist im Aufbau. In den Naturpärken soll «die Qualität von Natur und Landschaft erhalten und aufgewertet», aber auch «die nachhaltig betriebene Wirtschaft gestärkt und die Vermarktung ihrer Waren und Dienstleistungen gefördert» werden. So will es das Natur- und Heimatschutzgesetz. Dafür zahlen die Steuerzahler viel Geld: Von 2012 bis und mit 2019 schüttete die Bundeskasse total 117,6 Millionen Franken zur Förderung der Pärke aus. Dazu kommen Beiträge von Kantonen und Gemeinden, auf deren Gebiet die Pärke liegen, sowie Sponsorengelder.
Anlässe wie Autorennen und Quadtouren passen schlecht zu Natur- und Landschaftsschutz. Die Kritik von Urs Tester von Pro Natura geht aber tiefer: «In vielen Naturparkgemeinden fehlt eine auf den langfristigen Erhalt von Natur- und Landschaftswerten ausgerichtete Entwicklung.» Maren Kern, Geschäftsleiterin der Umweltorganisation Mountain Wilderness Schweiz, sieht das ähnlich: «Es kommt immer wieder vor, dass etwa bei Infrastrukturprojekten für den Tourismus eine Verminderung der Natur- und Landschaftsqualität in Kauf genommen wird.»
Naturschützer fordern strengere Regeln für die Pärke
Bei mehr als der Hälfte aller Pärke steht in den kommenden zwei Jahren die Erneuerung des Naturparkstatus an. Diesen erteilt das Bundesamt für Umwelt jeweils für die Dauer von zehn Jahren. Pro Natura fordert jetzt, dass der Bund nur jenen Pärken das Gütesiegel «Naturpark» vergibt, die diesem Namen auch gerecht werden. Die Parkgemeinden und -kantone müssten einen sichtbaren Beitrag zugunsten von Natur und Landschaft leisten. Sie sollen zum Beispiel Feuchtgebiete, Moore und Trockenwiesen erweitern oder aufwerten, aber auch «störende Eingriffe in die Landschaft» entfernen. Bis jetzt gebe es da «nur kleinere punktuelle Verbesserungen», bemängelt Urs Tester.
Fraglich ist, ob die Forderung nach strengeren Massstäben beim Bundesamt für Umwelt etwas bewirkt: Gegenüber saldo begnügte sich das Amt mit dem Hinweis, man verleihe oder erneuere das Naturparklabel, wenn die gesetzlichen Anforderungen erfüllt seien.
Die Parkverwaltungen reagieren auf die Kritik der Umweltorganisationen betupft. «Wir vermarkten Natur und Landschaft nicht nur, sondern pflegen auch die Grundlagen in Natur und Landschaft, die es für die erfolgreiche Vermarktung braucht», sagt Theo Schnider, Direktor der Biosphäre Entlebuch. Wie Ramona Gloor vom Naturpark Gantrisch und Norbert Schmid vom Naturpark Diemtigtal verweist er auf diverse Aktivitäten, etwa auf Projekte zur Förderung der Artenvielfalt und Aufwertung von Mooren, auf die Organisation von Naturexkursionen und von Freiwilligenarbeit in der Landschaftspflege, auf die Unterstützung der Umweltbildung an Schulen und anderes mehr.
An den Action- und Unterhaltungsangeboten scheint man sich in den Pärken aber nicht sonderlich zu stören. Die meisten habe es schon vor den Parkgründungen gegeben. Schnider: «Sie stammen grundsätzlich von privaten Anbietern, die auch in einem Naturpark ihren Freiraum haben müssen, sofern es keinem Gesetz widerspricht. Der Naturpark kann sie nicht verbieten.»
«Das Töff-Trial ist eine Diemtigtaler Tradition»
Die Rechtsgrundlagen zur Vergabe des Gütesiegels «Naturpark» schliessen Anlässe wie Motorsportveranstaltungen nicht explizit aus. Sie definieren nur relativ vage Auflagen, etwa «einen geringen Grad an Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes durch Bauten, Anlagen und Nutzungen». Laut Maren Kern von Mountain Wilderness könnten die Pärke trotzdem mehr tun: «Eine von Pärken eingebrachte Idee ist es, alle Projekte auf Parkgebiet einer spezifischen Nachhaltigkeitsbeurteilung zu unterziehen.»
Das Töff-Trial auf der Berner Grimmialp hat heute wenig zu befürchten. Der Naturpark Diemtigtal unterstützt die Veranstaltung zwar nicht aktiv. Parkleiter Schmid sagt aber: «Das Trial Grimmialp ist nebst der Simmentaler Zimmermannskunst sowie den Viehschauen und -steigerungen eine von drei lebendigen Diemtigtaler Traditionen, die auf der Liste der lebendigen Traditionen des Kantons Bern aufgeführt sind.»
Ähnlich anerkennend äussert sich Theo Schnider zum «Pistenbully-Erlebnis» der Bergbahnen Sörenberg in der Biosphäre Entlebuch: Es handle sich nicht um Vergnügungsfahrten, der Gast fahre ja bei der ohnehin nötigen Pistenpräparierung mit. «Und man kann ihm dann etwas über die besondere Landschaft, über die Kultur und die Menschen vermitteln, die hier wohnen und arbeiten.» Schnider ist nicht nur Direktor der Unesco Biosphäre Entlebuch. Er ist auch Verwaltungsratspräsident der Bergbahnen Sörenberg.
Die 15 regionalen Naturpärke der Schweiz
Naturpark Beverin, Landschaftspark Binntal, Parc régional Chasseral, Naturpark Diemtigtal, Parc du Doubs, Parc Ela, Unesco Biosphäre Entlebuch, Naturpark Gantrisch, Parc naturel régional Gruyère Pays-d’Enhaut, Jurapark Aargau, Parc Jura vaudois, Naturpark Pfyn-Finges, Naturpark Schaffhausen, Naturpark Thal, Biosfera Val Müstair.
Details zu den 15 Naturpärken finden Sie unter: www.paerke.ch
Die regionalen Naturpärke sind nicht zu verwechseln mit dem Schweizerischen Nationalpark im Bündnerland, für den strenge Schutzvorschriften gelten. Das Gesetz definiert ihn als «Reservat, in dem die Natur vor allen menschlichen Eingriffen geschützt und namentlich die gesamte Tier- und Pflanzenwelt ihrer natürlichen Entwicklung überlassen wird».