Laut der Erfahrung eines Fahrzeugsachverständigen einer grossen Schweizer Autoversicherung tauschen Garagisten nicht selten eine Frontscheibe aus, die nur einen unmerklichen Kratzer ausserhalb des Sichtfelds hat. Technisch ist das unnötig. Oder sie raten Kunden, aus Sicherheitsgründen «unbedingt die Achsengeometrie justieren zu lassen», obwohl die Messwerte im Toleranzbereich liegen.

Die Autoversicherung Axa Winterthur stellt fest, dass Garagen gerne Teile ersetzen, «obwohl sich neue, aus technischer Sicht einwandfreie Reparaturmethoden auf dem Markt etabliert haben». Nach Axa-Angaben reparieren Autogaragen nur 3 Prozent der beschädigten Scheiben, den Rest ersetzen sie. Auf die Reparatur von Autoscheiben spezialisierte Firmen wie Carglass stellen bis zu 40 Prozent der defekten Scheiben wieder her.

Auch laut Basler Versicherung ersetzen Garagisten 90 Prozent der Frontscheiben, obwohl ihnen bessere Reparaturtechniken zur Verfügung stünden. Etwa Spezialsprays zur Behebung kleinerer Glasschäden. Für Firmensprecher Amos Winteler «entscheidet das Autogewerbe hier rein betriebswirtschaftlich». Der Einbau einer neuen Scheibe ist für die Garage also lukrativer als ihre Reparatur. Ein Anreiz für dieses Verhalten sind die Rückvergütungen der Er­satz­teil­impor­teure: Ein Garagist bekommt Ende Jahr Geld, wenn er die vom Importeur gesetzten Verkaufsziele erreicht (saldo 5/13).

Der Chef einer Markengarage aus dem Raum Zürich erklärt gegenüber saldo offen, dass er «eine gewisse Kreativität an den Tag legen» müsse, um finanziell durchzukommen. Garagistenverbände bestreiten jedoch, dass es sich bei ungerechtfertigten Reparaturen um eine verbreitete Praxis handelt.