Medizinlabors machen gute Geschäfte: In den Jahren 2012 bis 2019 erzielten sie mit Tests, die von der Grundversicherung bezahlt wurden, rund sechs Milliarden Franken Umsatz. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Gesundheit.

Die Labors profitieren dabei von den hohen Schweizer Preisen. Beispiel: Sie erhielten von den Krankenkassen im Jahr 2019 pro Bestimmung eines «kleinen Blutbilds» Fr. 17.10. In deutschen Labors kostete der gleiche Test nur gerade 91 Rappen (saldo 9/2019).

Die hohen Tarife veranlassten private Labors, den Arztpraxen Kickbacks zu zahlen, wenn sie ­ihnen Labor­tests in Auftrag gaben. Das zeigen Verträge, die saldo vorliegen. So erhielt etwa ein Genfer Arzt für jeden Auftrag für einen Bluttest von einem Labor Fr. 1.71 zurück. Der Arzt hatte vereinbart, dem Labor Aufträge für 166'000 Franken pro Jahr zu erteilen. Dafür sollte er 10 Prozent des Um­satzes als Provi­sion zurückerhalten. ­Einige Labors zahlten Ärzten sogar bis 25 Prozent der Vergütungen der Krankenkassen zurück.

Diese Kickbacks haben ein Nachspiel. Im Wallis läuft eine Straf­unter­suchung gegen einen Hausarzt, der von Labors sehr viel Geld erhalten haben soll. Das bestätigt Staatsanwalt Olivier Elsig gegenüber saldo.

Pauschale Vergütung zur «Vergangenheitsbereinigung»

Einige Labors versuchen, sich durch die Zahlung eines Pauschal­betrags vor Strafverfahren und Forderungen der Kassen zu schützen. Die sechs ­Unternehmen Unilabs, Medisupport, Medica, Synlab, Risch und Medics schlagen den Mitgliedern des Krankenkassenverbands Santésuisse vor, den Kassen 14 Millionen Franken zu überweisen. Hinzu kommt das Ostschweizer Labor Team W mit einer ungenannten Summe. So steht es in zwei Schreiben von Santésuisse an seine Mitglieder.

Die Zahlung diene der «Vergangenheitsbereinigung». Als Gegenleistung verpflichten sich die Kassen, auf Rückzahlungsforderungen und Klagen für alle bis Ende 2021 an die Ärzte bezahlten Kickbacks zu verzichten.

Laut Vereinbarungsentwurf wür­den sich die Kassen verpflichten, ­keine Strafanzeigen gegen Ärzte und Labors wegen Kickbacks einzureichen oder Hinweise an Strafverfolgungs- und Aufsichtsbehörden zu geben. Zudem vereinbaren Labors und Kassen, «ihre Kommunikation gegenüber den Me­dien zu koordinieren».

«Kein Kuhhandel zulasten der Prämienzahler»

Missbrauchsbekämpfer von Krankenkassen bezeichnen die angebotene Pauschalzahlung der Labors als zu tief. Dieter Siegrist, Leiter Bekämpfung Versicherungsmissbrauch bei der CSS, kennt das Thema gut. Laut ihm dürften vor 2020 «fast alle» Privat­labors Kickbacks an Ärzte bezahlt haben. Siegrist schätzt aufgrund ­einer Hochrechnung auf Basis von CSS-­Rech­nungs­­daten, dass die privaten Labors weit über 100 Mil­lio­nen Franken als Kickbacks an Ärzte bezahlt haben dürften.

Die Labors erklären auf Anfrage von saldo mit ähnlich tönenden For­mulierungen, dass «solche Gespräche stets vertraulich» seien. Und Roger Scherrer von der Santésuisse-­Tochter Tarifsuisse sagt, man dränge stets darauf, dass «Vergünstigungen an Prämienzahler weitergegeben werden».

Für Philippe Nantermod, FDP-Nationalrat aus dem Wallis, ist klar: «Die Labors müssen die 100 Millionen ­zurückgeben.» Auch der Thurgauer Mitte-Nationalrat Christian Lohr fordert: «Die Krankenkassen dürfen keinen Kuhhandel zulasten der Prämienzahler abschlies­sen. Und sie dürfen nicht helfen, systematische Rechtsverstösse von Labors und Ärzten geheim zu halten.»