Vergangene Woche war Schweinefleisch für die Konsumenten für einmal günstig: In der Woche vom 17. Januar zum Beispiel bot die Migros Schweinsfilet für 36 statt 45 Franken pro Kilogramm an und das IP-Schweinshalsplätzli für 15 statt 19 Franken. Coop verkaufte das Kilogramm Schweinsbraten für 13 statt 19 Franken.
Grund für die Aktionen: Der Verkauf von Schweinefleisch harzt seit Monaten. In den Schweineställen stehen deshalb laut dem Fleischverband Proviande zurzeit 50 000 Schweine mehr, als die Schweizer Konsumenten kaufen.
Während der Coronapandemie erhöhten die Schweinehalter ihre Produktion, im vergangenen Jahr assen die Schweizer aber weniger Schweinefleisch. Die Schweinezüchter reduzierten die Anzahl Schweine in ihren Ställen trotzdem nicht.
«Schweine auf engstem Raum zusammengepfercht»
Mit prekären Folgen für die Schweine: Die Ställe sind zum Bersten voll, wie aktuelle Bilder der Tierschutzorganisation Tier im Fokus belegen. Diese stammen aus einem Stall in der Region Bern. Präsident Tobias Sennhauser: «Die Schweine werden auf engstem Raum zusammengepfercht.»
Für Cesare Sciarra, Leiter Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes, liegt hier ein klarer Verstoss gegen das Tierschutzgesetz vor: «Die Bilder zeigen, dass die Liegefläche nicht mehr für alle Tiere ausreicht.»
Die Schweinebranche schlachtet seit Dezember im Akkord. Überschüssiges Fleisch wird eingelagert. Zudem exportieren die Händler Schweinefleisch in die ganze Welt. Dies zu Tiefpreisen von Fr. 1.30 bis Fr. 1.50 pro Kilo, wie Branchenkenner gegenüber saldo sagen.
Hauptabnehmer ist dabei der deutsche Schlachtbetrieb Tönnies. Er war vor einem Jahr in einen grossen Fleischskandal verwickelt. Tönnies bestätigt den Kauf von 65 Prozent der 8000 bereits bis Mitte Januar exportierten Schweizer Schweine. Der deutsche Schlachter gibt sich gönnerhaft: «Wir möchten dank unserem weltweiten Vertriebsnetz einen Beitrag dazu leisten, die Not der Schweizer Landwirte zu lindern.»
Überschüsse kosten über drei Millionen Franken Steuergelder
Die Verwertungsaktion von überschüssigem Schweinefleisch kostet mehrere Millionen Franken. Zur Kasse gebeten werden hauptsächlich die Steuerzahler – wie es im Zusammenhang mit dem Überfluss an landwirtschaftlichen Produkten üblich ist. 3,1 Millionen Franken Steuergelder sind bewilligt, um überschüssiges Fleisch einzulagern. Das hat die Branchenorganisation Proviande gestützt auf die Schlachtviehverordnung ganz alleine beschlossen. Bundesrat und Parlament haben nichts zu sagen.
Kein Anreiz, weniger Tiere zu mästen
Die Verursacher der Fleischüberproduktion dagegen kommen glimpflich davon: Sie beteiligen sich mit 20 Rappen pro Kilo exportiertem Fleisch. saldo weiss jedoch aus gut unterrichteter Quelle: Grosse Schweinebetriebe hatten keinen Anreiz, weniger Tiere zu mästen. Denn: Die Fleischhändler bezahlten ihnen im letzten Jahr als Ausgleich für die sinkenden Produzentenpreise Zusatzprämien von bis 20 000 Franken pro Betrieb und Jahr. Die Branchenorganisation Suisseporcs schreibt lediglich: Händler und Schweinebauern «sind in der Preissetzung frei».
Von der ganzen Überproduktion in den Schweineställen konnten die Konsumenten an der Ladenkasse nicht profitieren. Die Einstandspreise der Händler sanken zwar im vergangenen Jahr von Fr. 3.96 pro Kilo Schweinefleisch auf Fr. 3.20. In der gleichen Zeit stiegen aber gemäss der Marktanalyse des Bundes die Preise für die Konsumenten. Der Kilopreis für Nierstück beispielsweise stieg von Fr. 29.90 auf Fr. 33.30.