Eine Packung Wasserenthärter «Calgon 3 in 1» mit 55 Tabletten kostet in der Schweiz Fr. 19.95. Bei Rewe in Deutschland zahlen Kundinnen und Kunden für 45 Tabs nur Fr. 7.28. Der Schweiz-Zuschlag: happige 125 Prozent.
Solche Preisunterschiede sind keine Seltenheit. Im vergangenen Januar verglich der «K-Tipp» 80 Produkte von Aldi, Coop, Lidl und Migros mit gleichen oder vergleichbaren Produkten in Deutschland und Österreich. Ergebnis: 24 von 80 Artikeln waren in der Schweiz doppelt so teuer («K-Tipp» 1/2023).
Auch für Velos müssen Konsumenten in der Schweiz oft viel mehr bezahlen als im grenznahen Ausland («K-Tipp» 5/2023). Das «Diamant Villiger Tourenfahrrad» etwa kostet bei Veloplus in Wetzikon ZH 1849 Franken, bei Zweirad Wagenknecht in Konstanz (D) hingegen nur 1492 Franken. Unterschied: 357 Franken.
Händler und Hersteller nennen als Grund für die hohen Schweizer Preise gerne die höheren Löhne der Angestellten in der Schweiz. Doch die Löhne haben kaum einen Einfluss auf den Ladenpreis, bestätigt Michael Grass, der Geschäftsleiter des Wirtschaftsforschungsinstituts BAK Economics in Basel.
Die Basler Ökonomen untersuchten 2017, wie die Preisunterschiede im Detailhandel zwischen der Schweiz und Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich zustande kommen. Resultat: Die Schweiz ist 40 Prozent teurer als Deutschland. Doch nur für 6 Prozent davon sind die höheren Schweizer Löhne verantwortlich – inklusive Arbeitgeberbeiträge und Rekrutierungskosten.
Die Preisdifferenz zwischen der Schweiz und Italien beträgt 39 Prozent. Anteil der Löhne daran: 7 Prozent. In Frankreich sind die Waren 29 Prozent günstiger als in der Schweiz. Die höheren Löhne machen aber nicht einmal 1 Prozent davon aus. Und in Österreich machen die Lohnkosten nur 2 Prozent der Preisdifferenz von 30 Prozent aus.
Grund für die Ähnlichkeit der Arbeitskosten unter diesen Ländern: Im Ausland sind die Lohnnebenkosten (Sozialversicherungen) für die Betriebe deutlich höher als in der Schweiz.
Schutz der Schweizer Bauern und Mietkosten als Preistreiber
Hauptgrund für die hohen Preise in der Schweiz sind laut BAK Economics zu knapp zwei Dritteln die Beschaffungskosten. Die Schweizer Detailhändler müssen landwirtschaftliche Produkte wegen hoher Zölle und Importbeschränkungen teuer in der Schweiz kaufen, obwohl diese im Ausland günstiger wären. Das ist politisch gewollt, um die Schweizer Bauern vor der Auslandkonkurrenz zu schützen.
Aber auch für im Ausland gekaufte Ware zahlen Migros, Coop und Co. oft mehr als die Konkurrenz in der EU. Grund: Konzerne verlangen von Schweizer Detailhändlern höhere Preise. So ist der Einkaufspreis eines Schweizer Detailhändlers teilweise höher als der Ladenpreis in Deutschland. 2015 konnte saldo Lieferscheine einsehen: Die Migros etwa zahlte im Einkauf für die Tagescreme Nivea Vital Fr. 8.96. Der Ladenpreis bei der Drogerie-Kette DM betrug Euro 6,10.
Ein weiterer Grund für die grossen Preisunterschiede sind die Kosten für die Infrastruktur, wie die Ladenmiete und das Lager. Aber auch die Werbeausgaben gehören dazu.
Lohnausgaben sind im Vergleich zu anderen Kosten marginal
Eine BAK-Untersuchung vom August 2022 hält fest, dass die Löhne in der Schweiz im Detailhandel zwischen 2010 und 2020 im Vergleich zur Gesamtwirtschaft überdurchschnittlich stark gewachsen sind. Die Preise dagegen sanken insgesamt. Wären die Löhne ausschlaggebend für die Preise, hätten die Preise steigen müssen.
saldo hat sich die aktuellen Geschäftsberichte der Schweizer Detailhändler angesehen: Sie zeigen, wie marginal die Lohnkosten im Vergleich zu anderen Posten sind. Beispiel: 2022 hatte Coop Personalkosten von über 5 Milliarden Franken. Aber allein die Warenbeschaffung kostete das Unternehmen über 22 Milliarden Franken – also über viermal so viel. Coop schuf 2022 fast 300 neue Vollzeitstellen.
In seinem Geschäftsbericht rechtfertigt Coop die gestiegenen Ladenpreise mit höheren Einkaufspreisen für Rohstoffe, Energie und Verpackungsmaterial. Die gestiegenen Personalkosten werden nicht erwähnt. Auch die Migros gab im letzten Jahr dreimal mehr für den Wareneinkauf aus als für die Löhne.