Harter Kampf mit Regen und Wind
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saldo 5/2002
13.03.2002
Mit Regen kommen fast alle Schirme klar. Schwierig wirds bei stürmischem Wetter. Die Hälfte der Modelle war nach dem Test im Windkanal arg gebeutelt.
Schirme sind genauso ungeliebt wie unentbehrlich: Meist hat man sie genau dann nicht dabei, wenn es plötzlich in Strömen regnet. Oder man schleppt sie mühsam umher, und auf einmal scheint die Sonne. Den meisten Schirmen ist denn auch ein eher trauriges Schicksal beschieden: Sie werden in Taschen gestopft, im Zug vergessen, vom W...
Mit Regen kommen fast alle Schirme klar. Schwierig wirds bei stürmischem Wetter. Die Hälfte der Modelle war nach dem Test im Windkanal arg gebeutelt.
Schirme sind genauso ungeliebt wie unentbehrlich: Meist hat man sie genau dann nicht dabei, wenn es plötzlich in Strömen regnet. Oder man schleppt sie mühsam umher, und auf einmal scheint die Sonne. Den meisten Schirmen ist denn auch ein eher trauriges Schicksal beschieden: Sie werden in Taschen gestopft, im Zug vergessen, vom Wind umgestülpt oder im Einkaufszentrum gestohlen. Entsprechend hoch sind die Verkaufszahlen: Rund zwei Millionen Regenschirme gehen jedes Jahr über die Ladentische. Alle 2,2 Jahre kaufen sich Herr und Frau Schweizer einen neuen Schirm. Am beliebtesten sind die zusammenklappbaren Taschenschirme: Ihr Marktanteil beträgt 70 Prozent.
Nur gerade fünf Firmen sind heute in der Schweiz noch in der Schirmherstellung tätig. Sie produzieren jedoch vorwiegend im Ausland. In den letzten Jahrzehnten ist die Produktion schrittweise nach Italien, dann nach Japan, von dort nach Taiwan und schliesslich nach China abgewandert. Ein Schirm aus dem Fernen Osten wird bereits ab 10 Franken verkauft. Dies, obwohl die Konstruktion sehr komplex ist: Ein Taschenschirm besteht aus rund 300 Einzelteilen.
saldo wollte wissen, was die kleinen Schirme taugen, und hat 12 Produkte ohne Automatik mit Preisen zwischen 10 Franken und Fr. 49.80 testen lassen. Eingekauft wurde in Warenhäusern, Fachgeschäften und bei Grossverteilern. Geprüft hat die Schirme das renommierte deutsche Forschungsinstitut Hohenstein. Die Testkriterien: Wasserfestigkeit, Windbeständigkeit, Verarbeitung und Trocknungszeit.
Wasserfestigkeit: Oft sind Nähte die Schwachstellen
Um die Wasserfestigkeit der Schirme zu prüfen, spannten die Tester Stoffproben mit und ohne Naht auf einen Halter und beregneten sie während 10 Minuten mit 80 Milliliter Wasser pro Minute, was in etwa einem starken Regen entspricht. Zwei Schirme hielten nicht dicht: der Kobold mini light und der Knirps rain unlimited. «Bei beiden Schirmen müsste man bei starkem Regen damit rechnen, dass die Tropfen durchschlagen und man sich besprüht fühlt», erklärt Prüfungsleiter Florian Girmond. Knirps Schweiz AG, Lieferantin der beiden undichten Schirme, schreibt: «Es handelt sich hier um einen jungen, modischen Schirm, bei dem die Baumwolloptik des Gewebes im Vordergrund steht. Dies ist nur möglich, wenn man Zugeständnisse bei der Wasseraufnahme beziehungsweise im Wasserdurchgang in Kauf nimmt.»
Auch die beiden Schirme von Migros und H&M erhielten beim Kriterium Wasserfestigkeit nur die Note «mangelhaft». Im Test zeigte sich, dass oft die Nähte die Schwachstellen sind. Bei geschlossenen Schirmen ist der Bezug locker und entlang der Nähte nichts Auffälliges zu entdecken. Aufgespannt hingegen sind bei praktisch allen Schirmen die Nahtlöcher deutlich zu sehen. Aus Kostengründen verzichten die Hersteller darauf, die Nähte zusätzlich abzudichten.
Regenschirme sollten nicht nur dicht, sondern auch stabil sein. Da bei Gewittern oft mit Böen zu rechnen ist, müssen die Schirme Wind von allen Seiten aushalten. Um festzustellen, wie beständig die Taschenschirme sind, wurden sie in einem offenen Windkanal getestet. Die Prüfer simulierten zwei realitätsnahe Situationen: Wind von hinten in den Schirm und Wind von vorne auf den Schirm.
Dazu wurden die Schirme auf einem Gestell fixiert. Anschliessend wurde im Windkanal die Luftgeschwindigkeit kontinuierlich erhöht. Das Labor hielt fest, wie viel Wind die Schirme aushielten und ob sie beschädigt wurden oder gar zu Bruch gingen.
Boy-Schirm klappte schon bei sehr wenig Wind um
Bei Sturm werden laut Meteoschweiz im Mittelland Windgeschwindigkeiten von 50 bis 70, manchmal sogar 80 Kilometer pro Stunde (km/h) gemessen. Da kann das 15-fränkige Modell Boy bei weitem nicht mithalten. Bereits bei 21 km/h klappte der Schirm bei Wind in die Innenseite um und liess sich nachher nicht mehr richtig öffnen. Dafür gabs die Note «ungenügend». Felix Schacher von Meteoschweiz erklärt: «Werte von 4 Beaufort - das sind 20 bis 28 km/h - werden bei fast jedem Platzregen erreicht. Auch 5 Beaufort werden recht häufig gemessen - etwa bei einem Gewitter mit Windböen.»
Mühe mit dem Wind in die Innenseite hatten auch der Damenschirm von ABM und der Taschenschirm aus der Epa. Sie erhielten nur die Note «mangelhaft», weshalb sie sich auch beim Gesamturteil mit dieser Bewertung begnügen mussten.
Bessere Resultate beim Wind auf die Aussenseite
Bläst der Wind frontal auf den Schirm, halten die meisten Taschenschirme höhere Geschwindigkeiten aus als beim Wind in die Innenseite. Wieder fiel der Boy-Schirm negativ auf: Er hielt nur 35 km/h aus, was ihm die Note «mangelhaft» eintrug. Dazu Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf: «Wir erachten die Resultate im Rahmen des Preis-Leistungs-Verhältnisses für einen zusammenklappbaren Taschenschirm als gut.»
Bessere Resultate zeigten bei Wind auf die Aussenseite der No-Name-Schirm von Globus, der Epa-Taschenschirm und Knirps rain unlimited. Sie hielten Geschwindigkeiten von 51 und 55 km/h stand, was mit der Note «gut» belohnt wurde.
Manche Schirme trotzen gar noch härterem Wind. Beim H&M-Schirm massen die Tester eine Windgeschwindigkeit von 68 km/h. Allerdings: Nach dem Test war der Schirm mit einer gebrochenen Strebe und einem schrägen Schirmdach unbrauchbar, was zur Note «mangelhaft» führte. Dasselbe Schicksal war den beiden Schirmen Perletti und Essentiel von Manor beschieden. Sie waren nach dem Windkanaltest so stark beschädigt, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren. Die mangelhafte Note bei der Windfestigkeit führte auch zur Abwertung im Gesamturteil. Jacqueline Heule von Manor kommentiert das Resultat des Essentiel-Schirms so: «Diesen Schirm verkaufen wir seit vielen Jahren erfolgreich und ohne Reklamationen. Der Kaufgrund liegt in der kompakten Grösse und im geringen Gewicht.»
Verarbeitung: Keine Material- oder Fabrikationsfehler
Neben Wasser- und Windfestigkeit beurteilten die Tester auch die Verarbeitung der Schirme. Bezug, Stock, Gestell, Kronenabdeckung und Knauf der Schirme wurden anhand von 18 Kriterien begutachtet. Erfreulich: Bei sämtlichen Modellen wurden weder Material- noch Fabrikationsfehler festgestellt. Es zeigte sich, dass die teureren Schirme auch durchwegs besser verarbeitet waren.
Die Modelle Tital by Strotz, Knirps alu light, Knirps rain unlimited und Kobold mini light erhielten die Note «gut». Alle andern Schirme erzielten trotz einiger Mängel das Ergebnis «genügend». Beanstanden mussten die Tester vor allem scharfe Kanten am Schirmstock und an den Griffen. Auch die Entriegelung wurde bemängelt. Bei diesen Schirmen kann man sich beim Öffnen und Schliessen die Finger verletzen: Epa-Taschenschirm, Essentiel, Perletti, H&M, ABM-Damenschirm und Boy. Beim H&M-Schirm liess sich ausserdem der Griff leicht lockern.
Sämtliche Modelle sind aus schnell trocknendem Stoff
Beim Kriterium Trocknungszeit glänzten alle Testmodelle mit guten Ergebnissen. Die aufgespannten Schirme wurden während einer halben Stunde beregnet. Anschliessend wurde festgestellt, nach welcher Zeit sie wieder trocken sind. Bei sämtlichen Modellen dauerte es weniger als eine Stunde: Dafür gab es die Note «sehr gut».
Fazit: Bei leichtem Regen mit wenig bis keinem Wind tun alle Schirme ihren Dienst gut. Bei etwas stürmischerem Wetter kann die Hälfte aller Testmodelle nicht mithalten. Wer einen dichten und zugleich stabilen Schirm möchte, braucht dafür nicht zwingend viel Geld auszugeben. Der Testsieger kostet weniger als 20 Franken. Allerdings: für das No-Name-Produkt von Globus gibt es keine Garantie. Anders ist das bei den teureren Schirmen von Strotz und Knirps. Für diese Modelle gewähren die Hersteller ein Jahr Garantie.
Der Tital-Schirm ist mit nur 181 Gramm einer der leichtesten im Test. Dennoch kann er bei der Windfestigkeit mit den Schwergewichten mithalten. Das zeigt, dass eine leichte Bauweise nicht zwingend auf Kosten der Stabilität gehen muss.
Jeannette Büchel