Der August war für die Stromkonzerne ein Ausnahme­mo­nat. Erstmals produzierte für kurze Zeit keines der fünf Schweizer Atomkraftwerke Strom. Das AKW Gösgen musste wegen einer Panne den Betrieb für zwei Tage ungeplant unterbrechen. Die AKWs in Leibstadt und Mühleberg standen wegen der Jahresrevisionen rund einen Monat still. Und die beiden Atomreaktoren in Beznau bleiben voraussichtlich bis im Februar abgeschaltet, weil sie nachgerüstet werden müssen. 

Ein Fünftel weniger Strom produziert

Das hinterliess Spuren: Insgesamt produzierten alle Schweizer Kraftwerke im August 19 Prozent weniger Strom als im August des letzten Jahres. Das zeigen die Zahlen der nationalen Stromnetzbetreiberin Swissgrid. 

Der Stromverbrauch blieb trotz sommerlicher Hitze gleich hoch wie im ­August 2014, wie die Swissgrid-Daten ebenfalls belegen. Zudem exportierten die Energieunternehmen weiterhin Strom ins Ausland. Das ist während der Sommermonate üblich, weil die Schweiz dann normalerweise mehr Energie produziert, als sie selbst verbraucht. 

Die Stromausfuhren ins Hauptexportland Italien nahmen in diesem August aber gar um 21 Prozent zu – obwohl die heimischen Kraftwerke einen Fünftel weniger produzierten als im entsprechenden Vorjahresmonat. Grund: In Italien lagen im August die Börsenpreise für Strom mehr als 50 Prozent über den Bör-senpreisen der Schweiz, Deutschlands und Frankreichs. Das zeigen Markt­daten der Strombörse Ipex. 

Die Folge: Um die Pro­duktionslücke im Inland zu stopfen und weiterhin Strom ins Ausland zu verkaufen, importierten die Schweizer Stromkonzerne in rauen Mengen günstigen Strom – hauptsächlich aus Deutschland und Frankreich. Die Importmenge stieg diesen August im Vergleich zu August 2014 um 48 Prozent. Die zusätzlich importierten 686 Millionen Kilowattstunden entsprechen einem Fünftel der Jahresproduktion des AKW Mühleberg. 

Haushalte zahlen mehr als Industrie

Der importierte Strom ist günstiger als die in der Schweiz produzierte Energie.  Die Haushalte können aber kaum von diesem günstigen Importstrom profitieren. Die Stromversorger sind zwar gesetzlich verpflichtet, Preisvorteile anteilsmässig an die festen Endverbraucher weiterzugeben. 

Doch Zahlen der Strommarktaufsicht Elcom zeigen, dass die Haushalte von Preisvorteilen bei der Energiebeschaffung deutlich weniger profitieren als Gewerbebetriebe. 

Konkret: Ein Haushalt bezahlt laut Elcom ab nächstem Jahr pro Kilowattstunde im Durchschnitt einen Rappen mehr (ohne Netz und Abgaben) als ein Gewerbekunde. Vor drei Jahren war der Energietarif noch für beide Kundengruppen gleich hoch. 

Die Folge: Ein Durchschnittshaushalt mit einem Jahresverbrauch von 4500 Kilowattstunden muss für die Energie (ohne Netz und Abgaben) 45 Franken mehr bezahlen als die Industrie für die gleiche Menge. Grund: Gewerbe und Industrie können ihre Stromlieferanten frei wählen. Und diese ködern neue Kunden mit immer grösseren Rabatten (saldo 16/14).

Gerichtsurteil zu Lasten der Konsumenten

Diese konsumentenfeindliche Tarifpolitik der Elektrizitätswerke erhielt kürzlich auch juristischen Zuspruch: Die Zentralschweizer Strom­versorgerin CKW hat im Juni vor Bundesverwaltungsgericht einen Entscheid erwirkt, der eine Tarifpolitik zu Lasten der Haushalte ermöglicht. 

Einer der Streitpunkte: Die Elcom will die Haushaltskunden stärker von günstig eingekauftem Börsenstrom profitieren lassen. Sie verfügte eine ­Absen-kung der anrechenbaren Energiekosten um sechs Prozent und wollte den Strom­ver­sorger verpflichten, «un­gerechtfertigte Gewinne» infolge «überhöhter Elek­trizitätstarife» an die Konsumenten zurückzu­erstatten. 

Die CKW wehrte sich dagegen und argumentierte laut dem Urteil unter anderem damit, dass die güns­tigen Stromeinkäufe am Markt weitestgehend für Geschäfte mit Grosskunden bestimmt seien und nicht für die Haushaltskunden. Der Entscheid ist noch nicht rechtskräftig. Die Elcom hat jedoch bis auf weiteres alle Verfahren zur Ermittlung angemessener Energietarife ausgesetzt.