Vor fünf Jahren bezahlten die Kunden rund die Hälfte aller Einkäufe mit Bargeld. Dann kam Corona. Banken und Kreditkartenfirmen brandmarkten Bargeld als möglichen Überträger des Corona-Virus – und propagierten das kontaktlose Zahlen mit Karte oder Mobiltelefon.
Heute zahlen in Läden und Restaurants nur noch knapp 30 Prozent der Kunden mit Bargeld. Die meisten zücken die Debitkarte (34 Prozent). Das geht aus den Zahlen des Swiss Payment Monitor der Universität St. Gallen und der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften hervor. In je 16 Prozent der Einkäufe zahlen sie mit der Kreditkarte oder dem Mobiltelefon – etwa mit der Twint-App.
Den meisten Kunden ist nicht bewusst, dass sie am Schluss die Zeche bezahlen müssen, wenn das Bargeld verdrängt wird. Einige Läden erhöhen wegen der Gebühren für Kartenzahlungen die Preise.
70 Prozent der Kunden zahlen mit Karte oder per Twint
Lisa Kehrer führt in Winterthur ZH das Café Auszeit. Sie bestätigt gegenüber saldo: «Wir zahlen für jede Karten- oder Twint-Zahlung Gebühren, bei Twint zum Beispiel 1,2 Prozent.»
Zahlt der Gast ein Mittagsmenü für Fr. 21.50 mit Twint, kostet das Kehrer rund 25 Rappen. Das summiert sich, denn im Café zahlen inzwischen knapp 70 Prozent der Kunden mit Karte oder Twint. Kehrer sagt: «Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Kartengebühren beim Festlegen der Preise zu berücksichtigen.» Sprich: Wer mit Bargeld zahlt, zahlt die Kartengebühren der anderen Gäste mit den höheren Preisen mit.
Marisa Meroni ist Inhaberin der Buchhandlung El Liesyum in Thalwil ZH. Auch sie stört sich an den hohen Gebühren der Banken. «Für Zahlungen mit Kreditkarten zahlen wir 2,5 Prozent Gebühren, 1,5 Prozent für Debitkarten und knapp 1,3 Prozent für Twint.» Das sei eine Menge Geld. Deshalb habe sie im Laden ein Schild aufgestellt: «Am liebsten haben wir Bargeld.» Im Gespräch mit der Kundschaft merke sie, dass die meisten Menschen sich über die Kosten keine Gedanken machen: «Sie finden das Zahlen mit Karte einfach praktisch.»
Gebühren für Debitkarten haben sich verdreifacht
Auch Werner Scherrer, Inhaber der Firma Messerschmied Scherrer in Bü-lach ZH, liefert an die Kartenfirmen und Twint einen vierstelligen Betrag pro Jahr ab. Ihn ärgert vor allem, dass die Gebühren für die neuen Karten Visa Debit und Mastercard Debit im Vergleich zu den früheren Maestrokarten massiv gestiegen sind. «In den letzten drei Jahren haben sich die Gebühren verdreifacht. Wir sind den Kartenfirmen ausgeliefert.» Diese würden vor allem bei hohen Beträgen kräftig mitverdienen, «ohne dass sie mehr Leistung erbringen», sagt Scherrer. Auf lange Frist müsse man diese Kosten notgedrungen auf die Kunden überwälzen – durch eine Erhöhung der Preise.
Für die Gebühren verantwortlich sind sogenannte Acquirer, die Kredit- oder Debitkartenzahlungen im Auftrag der Händler abwickeln. In der Schweiz sind das Nets Schweiz AG sowie Wordline Schweiz AG. Eine einheitliche Gebührenstruktur gibt es nicht. In der Regel ist die Höhe der Gebühren vom Verkaufspreis abhängig.
Grossunternehmen wie Coop oder die Migros haben laut Werner Scherrer bessere Konditionen als kleine und mittlere Firmen. Die beiden Grossverteiler wollten saldo nicht sagen, wie viele Millionen Franken pro Jahr sie für Kassentransaktionen an die Kreditkartenfirmen und Banken abliefern.
Die Acquirer verbieten den Läden, von den mit Karte zahlenden Kunden pro Kauf eine Gebühr zu verlangen. Sie begründen dies damit, Bargeld sei nur «vordergründig kostenlos» und verursache ebenfalls Aufwand. Der Tessiner Ständerat Fabio Regazzi (Mitte) fordert in einem politischen Vorstoss mehr Transparenz im Milliardengeschäft mit Kartenzahlungen. Er ist überzeugt, dass den Händlern bei stetig steigenden Gebühren nichts anders übrig bleibt, als die Preise zu erhöhen. «Die Konsumenten zahlen dann doppelt für bargeldlose Zahlungsmittel: einmal direkt durch die Jahresgebühr für die Karten, und einmal indirekt durch höhere Preise im Geschäft.»
Konsumenten und Ladenbesitzer profitieren vom Bezahlen in bar
Wer das verhindern will, bezahlt bar. Nur wird das immer schwieriger. Denn die Banken bauen immer mehr Bancomaten ab. Gab es gemäss der Nationalbank im April 2019 noch 7279 Bancomaten, sind es 2024 nur noch 6145.
Von Barzahlungen profitieren Läden und Kunden: Für die Konsumenten ist das Bargeld kostenlos und das einzige Zahlungsmittel, bei dem sie beim Einkaufen keine persönlichen Daten preisgeben. Und für die Läden entfallen die hohen Kartengebühren.
Barzahlung ist allerdings nur so lange möglich, wie Noten und Münzen akzeptiert werden. Die Initiative «Ich zahle bar» will in der Verfassung festschreiben, dass Bargeld überall in der Schweiz als Zahlungsmittel akzeptiert werden muss (Ichzahlebar.ch). Sie fordert: «Wer mit Bargeld bezahlen will, muss mit Bargeld bezahlen können.» Die Unterschriftensammlung läuft bis 21. September.
So treiben Kartenzahlungen Preise hoch
Ein Blick nach Australien zeigt, wie bargeldloses Zahlen den Einkauf verteuert. Dort dürfen Händler von Kunden, die mit Karte zahlen, einen Zuschlag verlangen. Sie müssen diese Gebühren aber an der Kasse ausweisen.
Läden, die kein Bargeld annehmen, dürfen die Kartengebühren nicht separat einfordern, sondern müssen die Gebühren in den angeschriebenen Preis einrechnen. Die Folge: Die Preise der Waren steigen für alle um die Höhe der Kartengebühren. Die australische Konsumentenorganisation ACCC gibt dazu folgendes Beispiel: Der Kaffee für 5 australische Dollar (AUD) kostet für Kunden 5.25 AUD, wenn sie nur noch mit Karte bezahlen können.