Die Energiepreise steigen und steigen: Für Gas und Strom etwa zahlen Haushalte an einigen Orten heute fast doppelt so viel wie noch vor ein bis zwei Jahren («K-Tipp» 1/2023 und saldo 14/2022). Da könnte es sich allenfalls lohnen, mit Fernwärme zu heizen. Denn diese Wärme stammt aus Kehrichtverbrennungsanlagen.
Nur: Mehrere Lieferanten von Fernwärme, die Abwärme aus der Abfallverbrennung benutzen, hoben ihre Tarife in den letzten Monaten an. Das zeigt eine Erhebung von saldo bei 15 Betrieben: 11 von ihnen verlangen im laufenden Januar für die Versorgung eines typischen Einfamilienhauses mit Fernwärme mehr als vor einem Jahr. In Basel etwa stiegen die Kosten für den Monat Januar um fast 30 Prozent auf 294 Franken, in Zürich um 9,5 Prozent auf 299 Franken (siehe Tabelle im PDF).
Längst nicht alle Lieferanten von Fernwärme liefern ihren Kunden ausschliesslich Abwärme aus Kehrichtverbrennungsanlagen. Von den 15 Betrieben der saldo-Stichprobe machen das nur 5. Die anderen 10 verbrennen zusätzlich Gas, Öl, Holz und weitere Energieträger – zumindest an kalten Wintertagen mit höchstem Wärmebedarf.
In Fernwärme steckt oft viel Erdgas
In der Stadt Zürich stammen im Jahresdurchschnitt nur rund 62 Prozent der Fernwärme aus der Abfallverbrennung. Knapp 23 Prozent werden aus Erdgas und zirka 15 Prozent aus Holz erzeugt. In Basel beträgt der Anteil aus der Kehrichtverbrennung bloss 42,5 Prozent. Fast 36 Prozent entfallen auf Erdgas, knapp 19 Prozent auf Holz und 3 Prozent auf Klärschlamm. Entsprechend begründet der Basler Fernwärmelieferant IWB seine Tarifaufschläge unter anderem mit «erhöhten Kosten für die Beschaffung des Erdgases», aber auch mit «Investitionen in die Klimafreundlichkeit».
IWB erhöhte den Fernwärmetarif 2022 gleich zweimal – zunächst per 1. April und erneut per 1. Oktober. Den ersten Aufschlag hatte Preisüberwacher Stefan Meierhans als zu hoch beurteilt. Der Basler Regierungsrat genehmigte ihn trotzdem. Denn wo ein Fernwärmetarif einer behördlichen Genehmigung bedarf, kann der Preisüberwacher nichts verfügen, sondern nur Empfehlungen aussprechen. Er fordert die IWB jetzt auf, sinkende Kosten für die Gasbeschaffung «umgehend» auf die Preise zu überwälzen. Der Gaspreis lag Ende Dezember 2022 an der Börse wieder so tief wie vor dem Krieg in der Ukraine.
Preisaufschläge für Laien nur schwer zu beurteilen
Problematisch: Die meisten Fernwärmekunden sind kaum in der Lage, die Rechnung ihres Lieferanten zu durchschauen. Die Tarifblätter sind oft äusserst kompliziert, gespickt mit Fachbegriffen und mathematischen Formeln. Laien können kaum einschätzen, ob ein Preisaufschlag angemessen oder überhöht ist.
Das ist ärgerlich. Denn «die Gefahr, dass es zu unangemessenen Aufschlägen kommt, besteht grundsätzlich», sagt René Baggenstos, Geschäftsleiter der Energieberatungsfirma Enerprice in Root LU. Grund: Bei Fernwärmelieferanten handle es sich in der Regel um Monopolbetriebe. «Der Wettbewerb kann kaum spielen – auch nicht mit anderen Technologien, weil der Wechsel zu einer anderen Heizungsart meist mit hohen Investitionskosten verbunden ist.»
Der Preisüberwacher sprach in einem Bericht zur Fernwärmeversorgung schon vor acht Jahren von «vielfältigen Tarifstrukturen» und uneinheitlichen Mechanismen für die Preisanpassung. Bei vielen Lieferanten sind die Tarife an die Teuerung gekoppelt – aber auf uneinheitliche Weise. Auch stellte Meierhans Unterschiede beim Preisniveau fest. Sie seien unter anderem auf die Netzlänge und die Distanz zwischen Kehrichtverbrennungsanlage und Siedlungsgebiet zurückzuführen. «Der Wärmetransport über längere Distanzen ist mit Effizienzverlusten und hohen Kosten verbunden», heisst es im Bericht.
Auch in der saldo-Stichprobe sind die Preisdifferenzen gross: Bei Fernwärme Luzern kostet die Wärmeversorgung (Gebiet Rontal) für ein typisches Einfamilienhaus im laufenden Monat 424 Franken – fast doppelt so viel wie beim Stadtwerk Winterthur.
Der Preisüberwacher ruft die Fernwärmekunden auf, bei Unklarheiten zum Tarif beim Lieferanten Informationen zu verlangen. «Falls Kunden dennoch vermuten, dass ihr Fernwärmeanbieter überhöhte Preise einfordert, können sie uns das melden.» Das Formular dazu findet sich im Internet auf Preisueberwacher.admin.ch unter «Mitteilungen an den Preisüberwacher». Tipp: Dokumente wie den Fernwärmevertrag und die Mitteilung zum Tarifaufschlag beilegen.