Letzten Herbst hat Familie G. aus Worb BE auf ihrem Doppeleinfamilienhaus eine neue Fotovoltaikanlage in Betrieb genommen. Als im Mai die Stromrechnung ins Haus flatterte, staunte Rita G. nicht schlecht: Der lokale Energieversorger BKW belastete ihr höhere Netzgebühren, obwohl die Hausbewohner ihren ­Strombedarf nun zu einem ­grossen Teil durch eigene Sonnenenergie abdecken. 

Konkret: Selbst wenn die Familie G. dieses Jahr statt 4500 Kilowattstunden nur halb so viel Strom verbrauchen würde, müsste sie der BKW für Netznutzung, Zählermessung und Ab­gaben neu Fr. 925.70 statt wie bisher Fr. 775.30 zahlen. Die Gebühren stiegen um 19 Prozent, obwohl der Stromverbrauch um 50 Prozent sinkt. Grund: Die BKW berechnen bei Solarstrom-Eigenverbrauchern höhere Netzgebühren und schlagen einen Grundpreis für ­Messung und Abrechnung hinzu. 

Solarstromexperte Rudolf Rechsteiner kritisiert diese Tarifgestaltung, die auch viele andere Energiever­sorger anwenden. Besitzer von Fotovoltaikanlagen ­würden mit hohen Fixtarifen ganz gezielt diskriminiert, sodass eine Anlage auch innert fünfzig Jahren nicht amortisiert werden könne. «Das ist gesetzeswidrig. Das Stromversorgungs­gesetz verlangt nichtdiskriminierende Tarife», sagt der ehemalige SP-Nationalrat und ETH-Dozent für ­erneuerbare Energien.  

Rita G. reklamierte – mit Erfolg. Die BKW krebste zurück und gewährte der Familie den tieferen Tarif. Es liege ein Fehler vor: Die Fotovoltaikanlage des ­Doppelhauses hat eine ­Leistung von 9,99 Kilowatt. Die höheren Netzgebühren ­gelten aber erst für Anlagen über 10 Kilowatt.