Die Bundesverfassung verlangt, dass die Schweizer nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Das heisst: Wer viel verdient, soll auch mehr Steuern bezahlen. Die Realität sieht oft anders aus – wenn es etwa um Paare geht. Beispiel: Ein Konkubinatspaar verdient zusammen
150 000 Franken im Jahr. Steuern beide Partner je 75 000 Franken bei, bezahlen sie zusammen 2287 Franken an direkten Bundessteuern. Jeder von ihnen wird individuell besteuert. Verheiratete und eingetragene Paare hingegen werden gemeinsam veranlagt. Bei ihnen ist die steuerliche Belastung mit 3985 Franken viel höher. Deshalb sprechen Politiker von einer «Heiratsstrafe».
Aber es gibt auch den Heiratsbonus: Verheiratete sind besser gestellt als Ledige, wenn ein Partner allein das Einkommen von 150 000 Franken verdient. Dann fällt die direkte Bundessteuer für das Paar im Konkubinat mit 7347 Franken höher aus als für die Verheirateten (5280 Franken).
Keine Mehrheiten für Systemwechsel in Sicht
Die Politiker streiten seit Jahren darüber, ob Ehepaare bei der direkten Bundessteuer gemeinsam besteuert werden sollen oder individuell. Seit 2011 behandelte das Parlament 24 Vorstösse zu diesem Thema. Ohne Ergebnis. Für einen Systemwechsel gibt es keine politische Mehrheit.
Die CVP wollte die «Heiratsstrafe» mit einer Initiative abschaffen. Doch das Stimmvolk lehnte diese 2016 ab. Ziel der Initiative war es, die steuerliche Benachteiligung von Verheirateten und Paaren in eingetragener Partnerschaft zu beseitigen.
Die Stimmbürger können nächstes Jahr vermutlich erneut über das Begehren abstimmen, sofern die CVP die Vorlage nicht zurückzieht. Grund: Das Bundesgericht annullierte das Ergebnis der Abstimmung von 2016, weil der Bundesrat der Bevölkerung im Abstimmungsbüchlein falsche Zahlen präsentiert hatte. Statt wie dort erwähnt 80 000 Zweiverdiener-Ehepaare sind tatsächlich 450 000 Paare von der «Heiratsstrafe» betroffen.
Der Bundesrat legte im März 2018 einen eigenen Vorschlag vor. Die Grundidee: Die Steuerämter sollen bei Ehepaaren mit zwei Einkommen künftig doppelt rechnen: Zuerst nach der bisherigen Methode, bei der man das Paar gemeinsam veranlagt und die Einkommen addiert werden. In einem zweiten Schritt sollen die Behörden berechnen, wie viel Steuern das Paar bezahlen müsste, wenn es nicht verheiratet wäre. In Rechnung gestellt würde der tiefere Betrag.
Nach Berechnungen des Bundesrates würden 700 000 Einverdiener- und Zweiverdiener-Ehepaare nicht mehr schlechter gestellt als Paare im Konkubinat mit denselben wirtschaftlichen Verhältnissen. Aber von den für Ehepaare eingeführten Steuervorteilen dürften sie weiterhin profitieren: Ein Ehepaar darf heute 2600 Franken von der direkten Bundessteuer abziehen. Und Verheiratete mit zwei Einkommen dürfen beim niedrigeren Einkommen 50 Prozent abziehen – mindestens 8100 bis höchstens 13 400 Franken.
Konservative Kräfte sind gegen Individualbesteuerung
Am gerechtesten wäre eine Individualbesteuerung. Dabei werden Ehepartner wie Paare im Konkubinat einzeln besteuert – unabhängig vom Zivilstand. Beide Lebensformen würden so gleich behandelt. Dafür sprechen sich SP, Grüne, FDP und GLP aus. Sie sehen darin den einfachsten Weg für ein faires System. Konservative Kräfte im Parlament sperren sich dagegen. Die CVP argumentiert mit hohen Kosten für die Kantone, wenn Ehepaare neu zwei Steuererklärungen ausfüllen müssten. Die SVP befürchtet die Abschaffung der Institution der Ehe durch die Hintertür.
Der Nationalrat berät den Vorschlag des Bundesrats im Dezember. Dessen Chancen stehen schlecht. Die zuständige Kommission beantragt, nicht auf die Vorlage einzutreten. Diese trage den gesellschaftlichen Entwicklungen nicht Rechnung. Die Mehrheit der Kommission fordert: Jeder Zivilstand sollte gleich behandelt werden.