Energieversorger Axpo: «Hochriskante» Gas-Geschäfte
Die Axpo will eine Gas-Pipeline von Griechenland nach Süditalien bauen. Das finanzielle Risiko tragen letztlich die Kantone und die Stromkunden.
Inhalt
saldo 12/2013
22.06.2013
Letzte Aktualisierung:
26.06.2013
Eric Breitinger
Die Axpo versorgt drei Millionen Menschen und Tausende Betriebe zwischen Glarus, Brugg und Schaffhausen mit Energie. Doch das Badener Unternehmen im Besitz der Nordostschweizer Kantone strebt nach Höherem: Es will ab 2018 mit einer eigenen Pipeline aserbaidschanisches Erdgas über Albanien nach Südeuropa liefern. Geschätzte Baukosten: knapp 2 Milliarden Franken.
Der Basler Energieexperte Rudolf Rechsteiner hält das Projekt für «hochriskant&raq...
Die Axpo versorgt drei Millionen Menschen und Tausende Betriebe zwischen Glarus, Brugg und Schaffhausen mit Energie. Doch das Badener Unternehmen im Besitz der Nordostschweizer Kantone strebt nach Höherem: Es will ab 2018 mit einer eigenen Pipeline aserbaidschanisches Erdgas über Albanien nach Südeuropa liefern. Geschätzte Baukosten: knapp 2 Milliarden Franken.
Der Basler Energieexperte Rudolf Rechsteiner hält das Projekt für «hochriskant». Für den Lausanner SP-Nationalrat Roger Nordmann widerspricht es den «Energieinteressen der Schweiz».
Tatsächlich sind viele Fragen offen. Es gibt Konkurrenzprojekte. Die Nabucco-Pipeline mehrerer europäischer Stromkonzerne soll zum Beispiel drei Mal so viel Gas wie die Axpo-Leitung via Balkan nach Österreich liefern. Aserbaidschans Präsident will noch 2013 entscheiden, welchem Projekt er grünes Licht gibt.
Unklar ist, wer das Axpo-Gas kaufen soll. Bundesrat Johann Schneider-Ammann weibelte im April in Aserbaidschans Hauptstadt Baku für das Projekt, da es der «Versorgungssicherheit» des Landes diene. Doch auf die Schweiz entfällt nur 1 Prozent von Europas Gasverbrauch. Energieexperte Roger Nordmann sieht auch in Zukunft keinen Bedarf: «Die Schweiz ist fähig, mit gespeicherter Wasserkraft wetterabhängige Ausfälle bei erneuerbaren Energien zu glätten.» Auch die Axpo räumt ein, dass neue Gaskraftwerke in der Schweiz kein Thema sind. Laut Konzernsprecher Tomas Honegger dient das aserbaidschanische Gas «zur Befeuerung unserer Gas-Kombianlagen in Italien». Was übrig bleibt, biete man der Industrie an.
Auch sonst fehlt die Nachfrage. Europas Stromfirmen verfeuern lieber billige Kohle als teures Gas. In Deutschland verlieren Stromerzeuger laut der Beratungsfirma Bloomberg New Energy Finance bei der Produktion von einem Megawatt Strom aus Gas im Schnitt Fr.14.50, mit Kohle verdienen sie Fr. 17.65. Folge: Viele Gaskraftwerke in Europa stehen still.
Verluste für Schweizer Energieversorger im Ausland
Das trifft auch Schweizer Firmen. Der Alpiq bescherten ihre Gas-Kombianlagen in Italien, Frankreich, Ungarn und Spanien im letzten Jahr Abschreibungen von 1,6 Milliarden Franken. Die Berner BKW legte für zwei Gaskraftwerke in Italien 66 Millionen Franken Rückstellungen an. Die Axpo musste bei der Gas-Kombianlage im italienischen Ferrara 65,5 Millionen Franken abschreiben. Schweizer Energiefirmen verloren so im Ausland viel Geld, das sie durch die Monopolpreise in der Schweiz verdient hatten. Die Haushalte können den Stromlieferanten bekanntlich nicht wählen (saldo 15/12).
Umweltschützer werfen der Axpo zudem vor, mit der Pipeline die «schmutzige» Stromproduktion anzukurbeln. Gas-Kombikraftwerke stossen laut der Schweizerischen Energiestiftung rund 400 Gramm klimaschädliches Kohlendioxid (CO₂) pro Kilowattstunde erzeugten Strom aus. Zugleich pusten sie Schwefel-, Kohlen- und Stickoxyde in die Luft. Bei Wasser-, Wind- und Solarenergie gibt es diese Probleme nicht, sagt Jürg Buri von der Energiestiftung: «Kantonale Energieversorger sollten in einheimische erneuerbare Energien investieren.» Im Jahr 2010 waren sie stattdessen an 70 Kohle- und Gaskraftwerken im Ausland beteiligt (saldo 17/10).
Trotz schlechter Ökobilanz: Axpo hält an Gasanlagen fest
Laut Rechsteiner würde sich der Umstieg auszahlen. Windanlagen etwa produzierten Strom viel günstiger als mit Gas betriebene Anlagen. Axpo-Sprecher Tomas Honegger weist die Kritik zurück: Gas spiele eine wichtige Rolle in Europas Stromproduktion, die Axpo erweitere so ihr Portfolio.
Das Risiko der Strategie tragen letztlich andere. Die Axpo gehört zu 100 Prozent Nordostschweizer Kantonen oder Kantonswerken. Geht das Pipeline-Projekt schief, muss die Axpo allenfalls Hunderte Millionen Franken abschreiben und kann weniger Gewinne an ihre Besitzer abliefern. Und die Haushalte müssen mit höheren Strompreisen rechnen.
Axpo-pipeline: Kaspisches Gas für Europa
Ab 2018 will die Axpo Gas aus Aserbaidschan nach Europa befördern. Die etwa 800 Kilometer lange Transadriatische Pipeline (TAP) soll vom Osten Griechenlands über Albanien verlaufen, das adriatische Meer durchqueren und die süditalienische Provinz Lecce erreichen. Zuvor strömt das Gas in der Tanap-Pipeline von Aserbaidschan bis zur türkisch-griechischen Grenze. Die Axpo und die norwegische Statoil halten je 42,5 Prozent der Aktien an der Trans Adriatic Pipeline AG in Baar ZG, E.ON Ruhrgas besitzt 15 Prozent. Die Axpo hat laut Geschäftsbericht bis Oktober 2012 81,9 Millionen Franken in das Projekt investiert.