Ein zweifelhafter Arzt als Gutachter
Ärztliche Gefälligkeitsgutachten sind nicht selten. Und: Bei der Auswahl der Gutachter schauen Versicherungen nicht genau hin. Das zeigt der Fall G.W.
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saldo 20/2006
06.12.2006
Noch heute begutachtet der Zürcher Neurochirurg G. W. für Versicherungen Unfallopfer. Von seinem Urteil hängt mit ab, ob jemand etwa Taggelder oder eine Rente erhält.
Dabei gibt es Zweifel an seiner charakterlichen Integrität: G. W. ist vorbestraft. Er hatte ein Laborblatt gefälscht, um einen Chefarzt als Aids-Infizierten zu verleumden und verschickte beleidigende E-Mails unter dem Namen eines anderen Arztes. Die Strafe: drei Monate Gefängnis wegen Urkundenfälschung und Mi...
Noch heute begutachtet der Zürcher Neurochirurg G. W. für Versicherungen Unfallopfer. Von seinem Urteil hängt mit ab, ob jemand etwa Taggelder oder eine Rente erhält.
Dabei gibt es Zweifel an seiner charakterlichen Integrität: G. W. ist vorbestraft. Er hatte ein Laborblatt gefälscht, um einen Chefarzt als Aids-Infizierten zu verleumden und verschickte beleidigende E-Mails unter dem Namen eines anderen Arztes. Die Strafe: drei Monate Gefängnis wegen Urkundenfälschung und Missbrauch einer Fernmeldeanlage. «Das war ein blöder Scherz», erklärt G. W.
Swica gab mehrere Aufträge
Die Zürcher Neurologengesellschaft legte G. W. den Austritt nahe - ohne Erfolg. Der Vorstand will nun an der Generalversammlung den Ausschluss beantragen.
Auch finanziell ist G. W. unter Druck: Im Juni 2004 wurde über ihn der Privatkonkurs eröffnet, angeblich wegen über 2 Millionen Franken Schulden.
Trotzdem erhält W. Aufträge als Gutachter. Zum Beispiel von der Krankenkasse Swica: Sie beauftragte W. laut Sprecher Philipp Lutz «seit Sommer probehalber als Gutachter in vier, fünf Taggeldfällen». Mit der Qualität der Expertisen sei die Kasse zufrieden. Über die weitere Zusammenarbeit werde Anfang Jahr entschieden, wenn G. W. zu den Vorwürfen Stellung bezogen habe. «Bis dahin erteilen wir keine neuen Aufträge», sagt Lutz.
Auch die IV-Stelle Luzern gab G. W. Aufträge. «Zwei Gutachten werden wir entgegennehmen und sehr kritisch würdigen», sagt der Direktor der IV-Stelle Luzern, Werner Durrer. Bisher habe man nichts gewusst über das Vorleben des Gutachters. Nun sagt Durrer: «Wir werden unter diesen Umständen keine Aufträge mehr vergeben.»
«Es ist ein Skandal, dass die ihre Gutachter nicht überprüfen», sagt die Zürcher Anwältin Evalotta Samuelsson. Ihr Zuger Kollege Jean Baptiste Huber hält eine Abhängigkeit von Gutachterhonoraren generell für problematisch: «Ein Gutachter, dem finanziell das Wasser bis zum Hals steht, ist darauf bedacht, seine Auftraggeber nicht zu verärgern. So ist er nicht mehr unabhängig.»
Das bestreitet G. W.: «Meine finanzielle Lage beeinflusst die berufliche Tätigkeit nicht. Dass ich einseitige Gutachten verfasse, ist eine falsche Behauptung.» Zudem habe sich seine ökonomische Lage verbessert.
eb