Die Alpen reichen von Marseille an der französischen Mittelmeerküste bis an die Grenzen der Stadt Wien. Sie sind Wohn- und Lebensraum für 15 Millionen Menschen. Und sie sind vom Verschwinden bedroht. Dies schreibt der deutsche Geograf Werner Bätzing in seiner «Streitschrift zur ­Zukunft der Alpen». Seine These: Einerseits drohten «Verbuschung und Verwilderung», andererseits «Verstädterung». 

«Umwelterfahrungen verschwinden»

Den Zustand der Alpen fasst Bätzing in elf Thesen zusammen. Ganze Regionen verwildern, weil Bauern die Nutzung aufgegeben haben. Stattdessen ziehen sie in die touristischen Zentren. Als zweite «moderne Nutzungsform» gebe es im «eigent­lichen Gebirgsraum der Alpen» nur noch die Wasserkraft. Diese Entwicklung sei fatal. Denn damit verschwinden «die vielfältigen Umwelterfahrungen, wie man diese Alpen zum Zweck der menschlichen Nutzung verändern kann, ohne sie zu zerstören».

Die Diskussionen um die Zukunft der Alpen sind für Bätzing geprägt von den ewig gleichen Denkschablonen: «Man bräuchte nur den Gebirgsraum in Teilräume mit unterschiedlichen naturräumlichen Nutzungsformen zu unterteilen», und alle Probleme wären gelöst. Es gäbe dann Regionen für Tourismus, für Wasserenergie und für Wildnis. 

Dieser Position stellt ­Bätzing eine «unzeitgemässe Perspektive» gegenüber. Dabei kommt der Landwirtschaft mit ihren «alpen­spezi­fischen Produkten» eine besondere Rolle zu. ­Diese gelte es besser zu vermarkten. Mehr noch: Je ­stärker «Wirtschaft und Lebenswelt global vernetzt werden», desto wichtiger würden die Regionen und das Regionale. Aus dieser Perspektive wird aus dem Sorgenkind Alpen plötzlich ein Modell für ein Europa der Regionen.

Streitschriften müssen provozieren. Das tut auch Werner Bätzing – nüchtern und mit viel Sachverstand. Manchmal wünscht man sich als Leser jedoch mehr konkrete Beispiele.

Werner Bätzing, «Zwischen Wildnis und Freizeitpark», Rotpunktverlag, ca. Fr. 11.–