Buchtipp: Teilen statt besitzen, verzichten statt verschwenden
Der Sozialpsychologe Harald Welzer hält der Konsumgesellschaft den Spiegel vor. Er ruft dazu auf, Alternativen zu entwickeln.
Inhalt
saldo 09/2013
15.05.2013
bud, yde, mif, rg
Der Kapitalismus hat ein Problem, sagt der deutsche Professor für Sozialpsychologie Harald Welzer. Die Ressourcen seien bald aufgebraucht und der Klimakollaps unabwendbar. Die meisten Menschen in den Industrieländern wüssten das. Trotzdem seien sie ausschliesslich darum bemüht, den Status quo aufrechtzuerhalten und dem Konsum zu frönen.
Der Autor geht hart ins Gericht mit den Versprechungen eines angeblich umweltschonenden Konsums. Ein grünes Etikett a...
Der Kapitalismus hat ein Problem, sagt der deutsche Professor für Sozialpsychologie Harald Welzer. Die Ressourcen seien bald aufgebraucht und der Klimakollaps unabwendbar. Die meisten Menschen in den Industrieländern wüssten das. Trotzdem seien sie ausschliesslich darum bemüht, den Status quo aufrechtzuerhalten und dem Konsum zu frönen.
Der Autor geht hart ins Gericht mit den Versprechungen eines angeblich umweltschonenden Konsums. Ein grünes Etikett auf der Plastikverpackung nütze nichts gegen die Müllstrudel im Pazifik. Und mit dem Kauf von AAA-Kühlschränken sei die Energiewende nicht eingeleitet. Das grundlegende Problem bleibt gemäss Welzer bestehen: Die «Kultur des alles immer».
Es würden den meisten Menschen in den Industriestaaten Vorstellungen für eine andere Zukunft fehlen. Wer keine Visionen entwickle, könne auch keine nötigen Neuerungen durchsetzen. Welzer will zum «Selber-Denken» anregen. Nur die «Selbstaufklärung» könne helfen, sich gegen die von Politikern und Medien verbreitete fixe Idee durchzusetzen, das Leben sei nur sinnvoll, wenn man immer mehr und alles sofort kaufen kann. Welzer sieht Auswege allein abseits des Konsums, im Teilen statt Besitzen, im Verzicht statt Verschwenden.
«Selbst denken» ist eine Mischung aus Pamphlet, Essay und Soziologiebuch. Welzers Analysen sind einleuchtender als seine Vorschläge für Neuerungen. Dennoch: ein entlarvendes und anregendes Werk.
Harald Welzer, «Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand», S. Fischer, ca. Fr. 29.–
Buchtipps
Schluss mit dem Schuften
Für viele motivierte Angestellte wird ein neuer Job bald einmal zur Enttäuschung. Man muss funktionieren und Versprechungen der Arbeitgeber erweisen sich als leer. Das sagen die Autoren dieser Analyse der Arbeitswelt. Sie legen einen Leitfaden vor für eine Standortbestimmung. Das etwas banale Fazit: Miese Arbeit ist oft unvermeidbar, man kann sie aber reduzieren. Zudem geben sie Tipps zum Ausstieg und zum Schritt in die Selbständigkeit – leider oft etwas oberflächliche. Wer darüber nachdenkt, wie er seine Ideale besser mit dem Job vereinbart, dem dürfte das Buch dennoch nützen.
Anja Förster, Peter Kreuz, «Hört auf zu arbeiten!», Pantheon, ca. Fr. 22.–
Schluss mit schnellem Wegwerfen
Cosima Dannoritzer ist Autorin eines Films zum Thema «fehlerhafte Produkte». Nun präsentiert sie die Recherchen als Buch. Der Leser erfährt, wie Hersteller die Lebensdauer ihrer Produkte verkürzen. Etwa indem sie Geräte bauen, die bald den Dienst versagen. Folge: Der Müllberg wächst. Das Buch appelliert deshalb an den gesunden Menschenverstand: «Fahren Sie Ihr Auto länger als fünf Jahre. Leihen Sie sich die Nudelmaschine bei der Nachbarin aus und kaufen sie keine Billigware.» Das Buch gibt Anlass, sein Konsumverhalten zu hinterfragen.
Jürgen Reuss, Cosima Dannoritzer, «Kaufen für die Müllhalde», Orange, ca. Fr. 28.–
Überzeugend verhandeln
Alles lässt sich verhandeln, sagt der englische Wirtschaftspsychologe Jack Nasher. In seinem Buch wimmelt es von Beispielen. Von ersten Verhandlungen mit den Eltern – wir brüllen, bis sie uns füttern –, über Lohngespräche, Kreditverhandlungen bis zum Autokauf. Allem gemeinsam: Es geht um Macht. Die Machtverhältnisse zu durchschauen und das Beste für sich herauszuholen, ist für Nasher der «Kern jeder Verhandlung». Ein Buch, das die effektivsten Verhandlungstechniken auf den Punkt bringt, samt Tipps und Tricks, um aus Verhandlungen erfolgreich hervorzugehen. Lesen und ausprobieren.
Jack Nasher, «Deal!», Campus, ca. Fr. 29.–