Königin Elisabeth II. besuchte am 5. November 2008 die London School of Economics, eine angesehene Wirtschaftsuniversität. Sieben Wochen zuvor war die US-Investmentbank Lehman Brothers pleitegegangen. Die Queen wollte von den erstaunten Professoren wissen, weshalb denn niemand das Unheil hatte kommen sehen. Die Antwort traf ein halbes Jahr später schriftlich im Buckingham Palace ein: Niemand habe «das ganze Bild» gesehen, sondern jeder nur einzelne für sich geringfügige Risiken, gaben die Professoren zu.

Was ist Geld und wie funktionieren Märkte? Das sind die beiden Hauptfragen, auf die der englische Wirtschaftswissenschafter Felix Martin Antworten sucht. Geld war nie nur eine Ware, sondern immer ein Kredit- und Verrechnungssystem. 

Dennoch reicht es nicht, einfach nur komplexere mathematische Modelle zu bauen, um «das ganze Bild» zu verstehen. Wer das möchte, muss auch etwas verstehen von Politik, Geschichte, Psychologie und Ethik, so Martin. Sonst geht es ihm vielleicht ähnlich wie den Bankiers im mittelalterlichen Katalonien. Konnten sie einem Kunden ein Guthaben nicht zurückzahlen, mussten sie sich so lange von Brot und Wasser ernähren, bis sie dazu in der Lage waren. Und nützte das nichts, verfügten die Behörden im Jahr 1321, dass ein säumiger Bankier «ohne viel Federlesens» vor seiner Bank geköpft wurde. 

Martin bietet dem Leser einen wilden Ritt durch die Geschichte des Geldes und geizt nicht mit amüsanten Anekdoten, etwa jener der Pazifikinsel Yap mit ihrem Steingeld aus Scheiben so gross wie Bäume. Ein intelligentes Lesevergnügen.     

Felix Martin, «Geld, die wahre Geschichte», Deutsche Verlags-Anstalt, ca. Fr. 35.–