Die Eröffnung des Gotthardtunnels am 22. Mai 1882 wurde in Europa als technische Sensation gefeiert und begründete den Ruf der Schweiz als «Land der Ingenieure». Die Weichen dafür wurden 1852 vom Parlament des damals noch jungen Bundesstaats gestellt: Die Eisenbahn sollte das ganze Land erschliessen.

Bis zum Ende des Jahrtausends wurden Tausende Kilometer Schiene verlegt. Die Bahn wurde zur Lokomotive des Fortschritts und gab weiteren Infrastrukturen Schub. Ab 1886 lieferte das Wasserkraftwerk Thorenberg in Littau LU als erstes Werk der Welt Wechselstrom. 1872 entstand in Freiburg die erste Betonstaumauer Europas. Flüsse wurden korrigiert, Telegrafennetze ausgebaut.

Dank dieser Pionierwerke sei das Land heute sehr gut erschlossen, schreibt Mat­thias Finger in seinem neuen Buch «Infrastruktur Schweiz». Doch Klimawandel, Digitalisierung und Bevölkerungswachstum würden den Motor zum Stottern bringen.

Mangelhafte Rollenteilung zwischen Firmen und Aufsicht

Der dicht besiedelte Teil der Schweiz sei schon heute «eine einzige Metropolitan­region», schreibt der einstige Professor der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne. Doch die Infrastruktur sei noch immer so klein­teilig organisiert wie vor hundert Jahren: Statt Koordination herrschten «Silodenken» und «Kantönligeist».

Und oft sei die Rollenteilung zwischen Besitzern, ­Betreibern und Aufsichtsbehörden mangelhaft. So etwa bei den Strassen, den SBB oder im Energiebereich, in dem viele Werke im ­Besitz von Kantonen und Gemeinden sind: ­Diese führen die Unternehmen und beauf­sichtigen sie gleichzeitig.

Am Schluss des Buchs zeigt ­Finger auf, wie «sektorielles Denken» überwunden, ­Eigentum, Betrieb und ­Regulierung der ­Infrastrukturen sauber getrennt und ­drohende Engpässe und Blackouts abgewendet werden können.

Matthias Finger, «Infrastruktur Schweiz», NZZ Libro, Zürich 2023, 184 S., ca. 32 Franken