Die Schweiz ist kein grosses Dorf, sondern ein «hochgradig urbanisiertes Land». Und das nicht erst seit gestern. Die Fotohistorikerin Verena Huber Nievergelt zeichnet diesen Spannungsbogen in ihrer Doktorarbeit nach. Angefangen hat diese Entwicklung in den 1960er Jahren mit dem Bau der ersten Autobahnen. Einen vorläufigen Endpunkt setzt Nievergelt in ihrem Buch 1991. Es war das Jahr der Landesausstellung zum 700-Jahr-Jubiläum der Eidgenossenschaft. 

Die Autorin hat Hunderte von Fotos und Texten zusammengetragen – aus Zeitschriften wie der «Schweizer Illustrierten», dem damaligen «Tages-Anzeiger»-Magazin oder aus Architekturzeitschriften. Die Mehrzahl der Fotos zeigt ein Land jenseits der ländlichen Idylle: «Die Schweiz hat ein neues Gesicht. Die Städte wachsen, Dörfer werden städtisch. Betonbänder, Strassen für den Schnellverkehr, umklammern das Land», heisst es in der Einleitung zu einer Reportagenserie mit dem Titel «Die Zukunft unserer Städte» in der «Schweizer Illustrierten» von 1963.

Huber Nievergelt stellt immer wieder die Frage, wer in welchen Zusammenhängen und mit welcher Absicht Bilder veränderter Siedlungslandschaften publiziert und ausgestellt hat. Erst drückten die Fotos und Texte Fortschrittsglauben und Modernisierung aus, bald überwiegten Gesellschafts- und Zivilisationskritik. 

Das Buch enthält kein Bild, das weniger als 33 Jahre alt ist. Dennoch: Als Spuren­suche in die Anfänge gegenwärtiger Diskussionen über Einwanderung und Städteplanung ist es brandaktuell. Schade nur, dass die Fotos sehr klein geraten sind.

Verena Huber Nievergelt, «Von Agglomerationen und Autobahnen», Hier + Jetzt, Fr. 69.–