Buch: Geheime Menschenversuche
Inhalt
saldo 19/2019
16.11.2019
Letzte Aktualisierung:
20.11.2019
Roland Gysin
Ein Medikament durchläuft verschiedene Prüfungen, bevor es auf den Markt kommt. Dazu gehören auch Versuche an Menschen. 2012 machte der «Tages-Anzeiger» publik, dass in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen TG zwischen 1947 und 1980 mindestens 1100 Patienten ungefragt ungeprüfte Substanzen erhalten hatten. Die Behörden liessen die Klinik gewähren und schauten weg. Bis der Kanton Thurgau vor drei Jahren ein Team aus fünf Historikern beauft...
Ein Medikament durchläuft verschiedene Prüfungen, bevor es auf den Markt kommt. Dazu gehören auch Versuche an Menschen. 2012 machte der «Tages-Anzeiger» publik, dass in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen TG zwischen 1947 und 1980 mindestens 1100 Patienten ungefragt ungeprüfte Substanzen erhalten hatten. Die Behörden liessen die Klinik gewähren und schauten weg. Bis der Kanton Thurgau vor drei Jahren ein Team aus fünf Historikern beauftragte, Licht in die Geschichte zu bringen. Die Forscher konnten unter anderem auf 45 Laufmeter persönliche Akten des damaligen Klinikdirektors Roland Kuhn zurückgreifen.
Das Resultat ist nun als Buch erschienen: Die Basler Pharmafirmen Sandoz, Ciba, Geigy und Ciba-Geigy – heute Novartis – lieferten jahrzehntelang gratis Hunderttausende Pillen nach Münsterlingen, um sie dort testen zu lassen. 36 Patienten starben während der geheimen Medikamentenversuche. Andere leiden bis heute an den Folgen. Die Quellenbasis für das Buch ist einzigartig. Die Autoren hatten ausnahmsweise Zugriff auf Patienten- und Spitalakten, private Unterlagen und die Archive von Pharmafirmen, in die Aussenstehende sonst kaum Einblick haben. Ein akribisch recherchiertes, verständlich geschriebenes Stück Schweizer Geschichte.
Marietta Meier, Mario König, Magaly Tornay, «Testfall Münsterlingen», Chronos Verlag, 334 Seiten, ca. Fr. 38.–