Zurzeit stinkt es an vielen Orten in der Schweiz nach Gülle und nach Ammoniak. Denn die Bauern versprühen im Frühling viel Gülle auf ihren Feldern. Und wenn Eiweiss oder Harnstoff aus Tierausscheidungen abgebaut wird, entsteht das Gas Ammoniak. Die Bauern sind für 93 Prozent der Ammoniakemissionen in der Schweiz verantwortlich. Über 40 Prozent gelangen in die Luft, wenn die Bauern ihre Felder mit Gülle und Mist düngen. Noch mal so viel entsteht in Ställen. Der Rest tritt aus Güllelagern aus. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Umwelt.
Aus Ammoniak und Abgasen entsteht Feinstaub
Ammoniak schädigt nicht nur Böden, Seen und Tiere. Kommt es mit Abgasen wie Stickoxiden und Schwefeldioxiden zusammen, können sich Feinstaubpartikel bilden. So entstehe bis zu einem Drittel des jährlichen Feinstaubausstosses in der Schweiz, schreibt das Bundesamt für Umwelt. Dem Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz (D) zufolge verursachen die Bauern sogar 45 Prozent des Feinstaubs in Deutschland. Weitere Quellen sind der Strassenverkehr und Holzfeuerungen.
Zu viel Feinstaub erhöht das Risiko von Atemwegs-, Herz- und Kreislauferkrankungen. In der Schweiz starben laut Schätzungen der Europäischen Umweltagentur allein im Jahr 2016 rund 3700 Menschen frühzeitig wegen zu hoher Feinstaubbelastungen (saldo 18/2019).
Bund und Kantone schaffen es seit 20 Jahren nicht, die Ammoniakbelastung der Luft zu reduzieren. Bis 2015 belohnten sie Bauern mit über 100 Millionen Franken, wenn sie auf Gülletechniken umstiegen, die weniger Emissionen verursachen. Trotzdem benutzt noch fast jeder zweite Schweizer Bauer überholte Techniken wie den Prallteller, um Gülle auf den Feldern zu verspritzen. Das sagt das Bundesamt für Landwirtschaft. Beim Einsatz dieser Uralttechnik gehe doppelt so viel Ammoniak verloren wie beim Schleppschlauch. Im Februar entschied der Bundesrat: Bauern müssen ab Anfang 2022 den Schleppschlauch verwenden, wenn das Feld nicht zu steil ansteigt. Zudem müssen sie alle Güllelager abdecken.
Laut dem Winterthurer Lufhygieniker Peter Maly bringen solche Massnahmen wenig. Wolle die Schweiz wirklich etwas ändern, so müsse sie von Dänemark lernen. Das skandinavische Land hatte laut dem Agrarbericht vor 30 Jahren eine ähnlich hohe Tierdichte wie die Schweiz, senkte seine Emissionen aber seither um 40 Prozent:
Dänische Bauern dürfen nur eine beschränkte Menge an Dünger einsetzen. Die Behörden kontrollieren das streng. Prallteller sind seit den 1990er-Jahren verboten. Zugleich dürfen die Landwirte auf Grasland seit 2011 keine Schleppschläuche mehr einsetzen, wenn sie die Gülle nicht vorher «angesäuert» haben. Unbehandelte Gülle müssen sie in der Regel in den Boden injizieren, um möglichst wenig Ammoniak zu verlieren. Die Injektion von Gülle komme in der Schweiz kaum zur Anwendung, schrieb die Berner Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften 2018 in einem Bericht.
In Dänemark ist das Ausbringen der Gülle nur während der Wachstumsperiode der Pflanzen erlaubt. Schweizer Bauern dürfen Gülle sogar im Winter verspritzen, obwohl die Pflanzen die Jauche dann nicht aufnehmen können.
Dänische Bauern versetzen ihre Gülle in der Regel mit Schwefelsäure. Das halbiert die Emission von Ammoniak. Schweizer Bauern praktizieren das Verfahren bislang nicht.
Experte Maly schätzt, dass strikte Massnahmen die Emission von Ammoniak in der Schweiz um 20 Prozent reduzieren könnten. Das Bundesamt für Landwirtschaft sagt, dass sich eine Reduktion auch durch eine bessere Fütterung, mehr Weidehaltung und Umbauten von Ställen erreichen lasse. Marcel Liner von der Naturschutzorganisation Pro Natura hingegen fordert, endlich das Hauptproblem anzupacken: «Schweizer Bauern halten zu viel Rinder, Geflügel und Schweine», sagt er. Durch diese Überbestände gebe es zu viel Gülle und Mist.
Der Schweizer Bauernverband wehrt sich gegen das Obligatorium für Schleppschläuche. Diese Ausbringtechnik eigne sich nicht für alle Regionen. Zudem koste die Anschaffung mindestens 20 000 Franken pro Bauer.