Bahnfahrer: Milchkühe des Bundes
Die Bahnbillette werden immer teurer. Angeblich, weil der öffentliche Verkehr stark defizitär sei. Tatsache ist: Der Bundesrat erwartet von den SBB für das abgelaufene Geschäftsjahr einen <br />
Rekordgewinn von 402 Millionen Franken.
Inhalt
saldo 03/2013
20.02.2013
Letzte Aktualisierung:
22.02.2016
Yves Demuth
Bundesrat und SBB bitten die Bahnfahrer immer mehr zur Kasse. Für 2012 erwartet der Bund von den SBB einen Konzerngewinn von 402 Millionen Franken. Das wären 19 Prozent oder satte 63 Millionen mehr, als die SBB im Vorjahr erwirtschaftet haben. Zum Vergleich: 2010 lag die SBB-Gewinnvorgabe des Bundesrats noch bei 170 Millionen Franken. Und 2003 gab sich der Bund als SBB-Eigentümer noch mit 24,9 Millionen Franken zufrieden (siehe Tabelle).
Allein vom SBB-Personenve...
Bundesrat und SBB bitten die Bahnfahrer immer mehr zur Kasse. Für 2012 erwartet der Bund von den SBB einen Konzerngewinn von 402 Millionen Franken. Das wären 19 Prozent oder satte 63 Millionen mehr, als die SBB im Vorjahr erwirtschaftet haben. Zum Vergleich: 2010 lag die SBB-Gewinnvorgabe des Bundesrats noch bei 170 Millionen Franken. Und 2003 gab sich der Bund als SBB-Eigentümer noch mit 24,9 Millionen Franken zufrieden (siehe Tabelle).
Allein vom SBB-Personenverkehr verlangt der Bundesrat einen Gewinn von 276 Millionen Franken. Das entspräche einer Gewinnsteigerung von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahresresultat.
Betrachtet der Bundesrat die Bahnfahrer als Renditeobjekte? Nein, heisst es im zuständigen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. Sprecherin Annetta Bundi: «Aufgrund des steigenden Verkehrsvolumens und der höheren Investitionen drängt sich eine Erhöhung der Gewinnvorgaben auf.»
Im Fernverkehr seien die Gewinnvorgaben am höchsten, weil dieser Bereich den höchsten Umsatz und das grösste Investitionsvolumen aufweise. Was das Verkehrsdepartement nicht sagt: Die Abschreibungen für die getätigten Investitionen sind in der Erfolgsrechung schon berücksichtigt – die Gewinne also reiner Überschuss. Und: Weil die SBB-Pensionskasse inzwischen saniert ist, müssen künftig keine Gelder mehr in die SBB-Vorsorgestiftung umgeleitet werden wie in den Vorjahren. Dadurch steigt der Gewinn zusätzlich.
«Der Bundesrat sollte einen tieferen Gewinn anstreben»
Ganz andere Schlüsse als das Verkehrsdepartement zieht denn auch Preisüberwacher Stefan Meierhans. Er hatte Einblick in die nichtöffentlichen Bücher der SBB und erstellte eigene Berechnungen. Gegenüber saldo spricht er Klartext. Drei Punkte fielen Meierhans besonders auf:
- «Im Monopolbereich inländischer Fernverkehr realisieren die SBB überhöhte Gewinne. Unsere Berechnungen zeigen, dass ein angemessener Fernverkehrsgewinn, der auch in einer Wettbewerbssituation möglich wäre, bei rund 100 Millionen Franken liegt.»
- «Dieser angemessene Gewinn im Sinne des Preisüberwachungsgesetzes würde ausreichen, um das künftig benötigte Rollmaterial des inländischen Fernverkehrs längerfristig zu finanzieren.»
- «Der Bundesrat sollte bei den SBB einen tieferen, angemessenen Gewinn anstreben.»
Das heisst: Würden die SBB im Fernverkehr kein Monopol besitzen, hätten die Kunden in den letzten fünf Jahren insgesamt 616 Millionen Franken weniger zahlen müssen – und das Rollmaterial könnte trotzdem finanziert werden. Dies geht aus den Gewinnzahlen des SBB-Fernverkehrs hervor, welche das Bundesamt für Verkehr bei der Prüfung der SBB-Jahresrechnung jeweils erhebt.
SBB-Monopolstellung: Die Passagiere können nicht ausweichen
Die Fernverkehrspassagiere dienen folglich zunehmend als Milchkühe – im Einverständnis mit dem Bundesrat. Die Logik dahinter: Die Fernverkehrspassagiere sind aufgrund des SBB-Monopols gemäss Stefan Meierhans «gefangene Kunden». Bei Preiserhöhungen können sie nämlich den Bahnbetreiber nicht wechseln. Ganz anders im defizitären Güterverkehr, wo die Transporteure bei Preiserhöhungen der Bahn auf die Strasse oder zu einem anderen Bahnunternehmen ausweichen können.