275 000 Franken für eine amtliche Auskunft
Seit sieben Jahren hat die Bevölkerung das Recht, Einsicht in amtliche Dokumente zu verlangen. Doch einige Ämter verweigern die Herausgabe oder verlangen hohe Gebühren.
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saldo 11/2013
09.06.2013
Letzte Aktualisierung:
11.07.2013
Thomas Lattmann
Seit 2006 ermöglicht das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung die Einsicht in amtliche Dokumente. Ausgenommen sind Schriftstücke, deren Veröffentlichung überwiegende private oder öffentliche Interessen gefährden würden. Trotzdem gibt es Bundesstellen, die Auskünfte verweigern oder hintertreiben.
Letztes Jahr sind laut dem Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür beim Bund 5...
Seit 2006 ermöglicht das Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung die Einsicht in amtliche Dokumente. Ausgenommen sind Schriftstücke, deren Veröffentlichung überwiegende private oder öffentliche Interessen gefährden würden. Trotzdem gibt es Bundesstellen, die Auskünfte verweigern oder hintertreiben.
Letztes Jahr sind laut dem Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür beim Bund 506 Gesuche um Einsicht eingegangen. In 223 Fällen haben die Behörden vollständig, in 120 teilweise Einsicht gewährt. 138 Mal verweigerten sie die Offenlegung, das sind 27,3 Prozent der Gesuche. 6 Fälle waren Ende Jahr hängig, 19 wurden zurückgezogen, vor allem wegen hoher Gebühren.
Die Behörden dürfen Gebühren in Rechnung stellen, sofern ihr Aufwand 100 Franken übersteigt. Unter den Gesuchstellern gibt es diverse Medienschaffende. Ihnen gegenüber verzichten viele Bundesämter auf Gebühren – gemäss einer internen Weisung der Bundeskanzlei.
Horrende Gebühr für einen Bericht über die Milchwirtschaft
Einige Bundesbehörden versuchen aber mit überhöhten Gebühren Gesuche abzuwehren. Ein Beispiel wurde im März publik: Ein Journalist der Zeitschrift «Beobachter» hatte vom Bundesamt für Landwirtschaft erfolglos die Namen der Milchverarbeiter und Käsereien verlangt, die aus dem 300-Millionen-Topf der Verkäsungszulage subventioniert werden. Der «Beobachter» akzeptierte den Entscheid nicht und gelangte an den Öffentlichkeitsbeauftragten. Noch vor dessen Empfehlung liess das Bundesamt die Zeitschrift wissen, dass man 275 000 Franken verlangen werde. Die horrende Gebühr rechtfertigt das Amt damit, dass alle 2500 Subventionsempfänger «angehört» werden müssten. Aufwand: 2500 Stunden à 100 Franken plus Porto.
8000 bis 10 000 Franken wollte die Eidgenössische Finanzkontrolle einem Journalisten der «Sonntags-Zeitung» für einen 43-seitigen Bericht über elektronische Kriegsführung in der Armee abknöpfen. Hanspeter Thür kritisierte den Betrag als «derart exzessiv», dass er einer Zugangsverweigerung gleichkomme.
Die freischaffende Journalistin Eveline Dudda war bereit, sich Akteneinsicht zu erkaufen: Nach sechs Wochen erhielt sie den anonymisierten Rechenschaftsbericht der Branchenorganisation Milch. Das Bundesamt für Landwirtschaft verlangte 310 Franken. Für die Nachlieferung der fehlenden Beilagen wollte das Amt weitere 4000 Franken. Aus Kostengründen verzichtete Dudda.
Bundesgericht lehnt Akteneinsicht gegen Geld ab
Die Konsumentenzeitschriften saldo und «K-Tipp» kaufen keine Informationen. Solche Zahlungen sind medienethisch bedenklich. Vor einem Jahr forderte saldo vom Eidgenössischen Starkstrominspektorat die Liste mit Elektrogeräten, die wegen Sicherheitsmängeln aus dem Verkehr gezogen worden waren. Dies, um Leser zu warnen, die diese Geräte bereits vorher gekauft hatten. Erhalten hat saldo bruchstückhafte Informationen samt Rechnung über 700 Franken (saldo 12/12). saldo hat diese Gebühr angefochten. Der Fall ist zurzeit beim Bundesgericht hängig.
Die Bundesrichter hoben kürzlich auf eine Beschwerde des «K-Tipp» hin eine Gebühr von 250 Franken für die Herausgabe eines Berichts über die Verlässlichkeit von Energieetiketten auf («K-Tipp» 10/13). Begründung: Die Medien seien zur seriösen Wahrnehmung ihrer Funktionen zur öffentlichen Meinungsbildung und zur Kontrolle behördlicher Tätigkeiten auf den Zugang zu amtlichen Dokumenten angewiesen.
Behörden: Das Recht auf Information
Laut Gesetz hat seit 2006 jeder Bürger das Recht, einfach an amtliche Dokumente zu gelangen. Die Gesuchsteller müssen sich an die Behörde wenden, die das Dokument erstellt hat. Wenn die Herausgabe ganz oder teilweise verweigert wird, können sie an den Öffentlichkeitsbeauftragten Hanspeter Thür gelangen und ein Schlichtungsverfahren beantragen. Thür kann jedoch nur Vorschläge machen und Empfehlungen aussprechen, die für die Behörden nicht bindend sind.