Vanille: Hersteller helfen oft mit chemischem Aroma nach
Wo Vanille draufsteht, muss auch Vanille drin sein. Doch der saldo-Test zeigt: Bei über einem Drittel der Produkte werden die Kunden an der Nase herumgeführt.
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saldo 9/2007
16.05.2007
Jeannette Büchel
Vanille ist das von der Lebensmittelindustrie am häufigsten verwendete Aroma. Es wird in unzähligen Produkten wie Puddingpulver, Gebäck, Glace, Tee oder Joghurt eingesetzt. Weil echte Vanille sehr teuer ist, wird sie oft durch das billigere Vanillin ersetzt. Dieser Aromastoff kommt zwar auch in der echten Vanille vor, lässt sich jedoch kostengünstiger chemisch herstellen. Vanillin schmeckt zwar vanilleartig, es ist aber weniger vielschichtig als echte Vanille.
Die Situation ist eindeu...
Vanille ist das von der Lebensmittelindustrie am häufigsten verwendete Aroma. Es wird in unzähligen Produkten wie Puddingpulver, Gebäck, Glace, Tee oder Joghurt eingesetzt. Weil echte Vanille sehr teuer ist, wird sie oft durch das billigere Vanillin ersetzt. Dieser Aromastoff kommt zwar auch in der echten Vanille vor, lässt sich jedoch kostengünstiger chemisch herstellen. Vanillin schmeckt zwar vanilleartig, es ist aber weniger vielschichtig als echte Vanille.
Die Situation ist eindeutig: Wenn ein Lebensmittel mit «Vanille» bezeichnet wird oder eine Vanilleschote oder -blüte auf der Verpackung abgebildet ist, muss das Produkt zur Hauptsache mit echter Vanille aromatisiert sein. Falls die Hersteller aber mehrheitlich chemisch hergestelltes Vanillin verwenden und dieses Geschmack, Geruch und Aussehen des Produktes bestimmt, müssen sie dies deklarieren, indem sie die Lebensmittel mit «Vanille-Geschmack» oder «Vanille-Aroma» bezeichnen. Bilder von Vanilleblüten oder Vanillestängeln sind nicht erlaubt bei Nahrungsmitteln, die ihr Aroma hauptsächlich zugesetztem Vanillin verdanken.
saldo kaufte 20 Glaces und 10 Joghurts ein, welche die Bezeichnung Vanille tragen, auf den meisten prangt zudem die Abbildung eines Vanillestängels oder einer Blüte der Vanille-Orchidee. Das Kantonale Labor Zürich untersuchte, ob die Produkte tatsächlich überwiegend natürliche Vanille enthalten.
«Hier wird den Konsumenten etwas vorgegaukelt»
Fazit: 11 von 30 Glaces und Joghurts enthalten auffallend viel billiges Vanillin statt echter Vanille. Andreas Tschumper vom Kantonalen Labor Zürich: «Hier wird den Konsumenten vorgegaukelt, die Produkte enthielten vorwiegend echte Vanille.»
Um herauszufinden, womit die Glaces und Joghurts aromatisiert wurden, analysierte das Labor den Gehalt an Vanillin und an p-Hydroxybenzaldehyd (p-HBA). Beide Substanzen sind natürliche Inhaltsstoffe von echter Vanille. In natürlicher Vanille und im oft verwendeten Vanille-Extrakt kommen sie im Verhältnis von 10:1 bis 30:1 vor. Helfen die Hersteller beim Aromatisieren mit Vanillin nach, resultieren höhere Verhältnisse. Das Kantonale Labor Zürich geht bei einem Verhältnis von über 174:1 davon aus, dass der Geschmack hauptsächlich von zugegebenem Vanillin stammt.
Elf Produkte, sechs Joghurts und fünf Glaces, lagen über dem kritischen Wert von 174 (siehe Tabellen).
Dass es auch anders geht, zeigen die Ergebnisse der übrigen Produkte, die alle weit unter diesem Wert liegen. Insbesondere die Hersteller von Bio-Lebensmitteln scheinen Wert auf natürliche Zutaten zu legen: Alle fünf geprüften Bio-Produkte schnitten gut ab.
Hätte das Kantonale Labor Zürich die Untersuchung nicht im Auftrag von saldo durchgeführt, sondern offiziell als Amtsstelle, müssten die Hersteller bei den Produkten, die einen Wert von über 174 aufweisen, durch Prüfdaten belegen, dass die sensorischen Eigenschaften nicht überwiegend durch das zugegebene Vanillin bestimmt werden. Andernfalls müsste die Verpackung geändert oder die Rezeptur angepasst werden. saldo hat die Hersteller mit den Ergebnissen konfrontiert und nachgefragt, ob und wie sie zu handeln gedenken.
Aldi verspricht einwandfreie Deklaration
Aldi reagierte prompt und nahm das Milfina Joghurt Vanille aus dem Sortiment aller 31 Filialen. Sprecher Sven Bradke: «Wir werden dieses Joghurt erst dann wieder zum Verkauf anbieten, wenn alle Anforderungen an eine einwandfreie Deklaration erfüllt sind.»
Coop verspricht, sowohl beim Freefrom-Vanille-Joghurt wie auch beim Vanille-Cornet die Rezeptur anzupassen und den Vanille-Anteil zu erhöhen.
Emmi beruft sich auf einen Bericht des Berner Kantonslabors aus dem Jahr 2005, der bestätige, dass Deklaration und Abbildungen auf der Verpackung des Toni Joghurt korrekt seien. Die Rezeptur sei seit diesem Datum unverändert, so Emmi-Sprecherin Ruth Stadelmann. Die Denner Rahmglace-Stängel werden ebenfalls von Emmi hergestellt. Deshalb beruft sich Denner-Sprecherin Eva-Maria Bauder in ihrer Stellungnahme auf Auskünfte von Emmi, wonach das Produkt den gesetzlichen Vorgaben entspreche: «Wir sehen deshalb keinen Handlungsbedarf.»
Auch Unilever hält die Bezeichnung beim Cornetto Vanille für gerechtfertigt und begründet dies damit, dass in der Rezeptur Vanille-Extrakt und Vanille-Aroma im Verhältnis von 10:1 eingesetzt werden.
Solche Mischungen von echter Vanille und Vanillin brauchen die Hersteller oft. Die echte Vanille verwenden sie meist in Form eines Extraktes. Dieser enthält zwar alle Inhaltsstoffe der natürlichen Vanille, aber er besteht zur Hauptsache aus Lösungsmitteln wie Ethanol oder Wasser. Und: Der natürliche Vanillin-Anteil liegt bei unter 1 Prozent. Die Angaben über die Menge des verwendeten Extrakts auf der Zutatenliste eines Lebensmittels sind mit Vorsicht zu geniessen. Sie lassen nicht auf den Anteil an natürlichen Vanille-Komponenten schliessen.
Trotzdem führt Migros dieses Argument ins Feld. Sprecherin Alexa Scherrer: «Wir deklarieren auf jedem Produkt den Gehalt an Vanille-Extrakt, dieser liegt immer vor dem Vanille-Aroma.» Aufgrund eigener Laborauswertungen könne man die Ergebnisse des Kantonalen Labors Zürich beim Vanille-Joghurt mit Rahm nicht nachvollziehen. Hingegen hätten die eigenen Analysen beim M-Budget Joghurt ebenfalls überhöhte Werte ergeben, deshalb werde man das weiter untersuchen und allenfalls die Rezeptur korrigieren.
Mini Kim: Zusatz «Aroma» nur im Kleingedruckten
Auch Nestlé rechtfertigt die Aromatisierung des LC-1-Joghurts und des Frisco-Vanille-Cornets mit der Menge des verwendeten Extraktes. Sprecher Philippe Oertlé: «Der Anteil an natürlichem Vanille-Extrakt überwiegt deutlich und Geschmack und Aroma werden vorwiegend durch diesen Inhaltsstoff geprägt.» Bei der Mini-Kim-Vanille-Glace stellt sich Nestlé auf den Standpunkt, dass die überwiegende Aromatisierung mit Vanillin gerechtfertigt sei, weil auf der Packung keine Blüten oder Vanille-schoten abgebildet seien und das Aroma deklariert werde. Aber: Auf der Vorderseite der Glacepackung steht in grossen Buchstaben «Vanille», nur im Kleingedruckten ist der Zusatz «Aroma» angefügt. Das ist nicht zulässig.
Vanille wird in aufwendiger Handarbeit produziert
Vanillestängel sind die reifen Früchte einer Orchidee mit Namen Vanilla planifolia. Die Stängel enthalten etwa 1 bis 3 Prozent Vanillin, welches das Aroma dominiert. Daneben haben Wissenschafter über 130 verschiedene Verbindungen identizifiert, die zum vielschichtigen Geschmack natürlicher Vanille beitragen.
Die Produktion von Vanille ist sehr aufwendig. Die Blüte wird nur von bestimmten Bienen- und Kolibriarten bestäubt. Lange Zeit gelang es deshalb nicht, die Orchidee künstlich zu bestäuben. Heute können die Blüten auf Plantagen in aufwendiger Handarbeit mit einem Kaktus- oder Bambusstachel bestäubt werden. Nach dem Ernten haben die Schoten so gut wie keinen Geschmack, dieser entwickelt sich erst durch die Fermentation. Dazu werden die Schoten in heisses Wasser getaucht und danach in Jutesäcke eingewickelt. Anschliessend lässt man sie abwechselnd an der Sonne und im Schatten trocknen. Dieses Herstellverfahren macht Vanille zu einem teuren Gewürz.
Um den immensen Bedarf an Vanille zu decken, hat man früh damit begonnen, Vanillin chemisch herzustellen. Synthetisches Vanillin lässt sich aus Abfällen der Papierindustrie gewinnen. Das im Holz enthaltene Lignin wird mit einer Lauge aufgespalten, sodass Vanillin entsteht. Solches Vanillin darf als «naturidentisch» bezeichnet werden.
Vanillin kann auch biotechnologisch mit Hilfe von Bakterien hergestellt werden.
Da dieser Produktionsweise ein natürlicher Stoffwechsel zugrunde liegt, dürfen Hersteller dieses Vanillin als «natürlichen» Aromastoff bezeichnen.
Test bestanden: Diese Glaces und Joghurts enthalten vorwiegend natürliche Vanille
Glaces
Cornets:
- Carrefour Cônes Vanille, Fr. 5.50/6 x 120 ml
- Migros Fun Vanille Waffelcornet mit Vanille-Glace, Fr. 1.-/80 g
Portionenbecher:
- Mövenpick Vanilla Dream Classics Ice Cream, Fr. 2.90/175 ml, Coop (ebenfalls erhältlich bei Carrefour, Manor, Volg und an Kiosken)
- Migros Crème d’Or Vanille Bourbon Premium, Fr. 2.30/200 ml
- Gildo Rachelli Bio Demeter Vanille Eiskrem, Fr. 2.75/125 ml, Reformhaus Müller (ebenfalls erhältlich im Bio- und Reformfachhandel)
Stängel:
- Migros Rahm-Glace Vanille, Fr. 7.20/12 x 40 g
Familienpackung:
- Coop Bio Vanille Doppelrahmglace, Fr. 7.60/800 ml
- Carrefour Vanille, Fr. 7.95/1000 ml
- Denner Vanille Glace, Fr. 3.85/2000 ml
- Grandessa Premium Vanille, Fr. 4.49/2500 ml, Aldi
- Spar Vanille Ice Cream mit echter Bourbon-Vanille, Fr. 6.90/2500 ml
- Carte d’Or Vanille mit natürlichen Vanille Extrakten aus Madagaskar, Fr. 8.90/1000 ml, Spar (ebenfalls erhältlich bei Carrefour, Coop, Denner, Manor, Volg)
- Migros Bio Doppelrahmglace Vanille, Fr. 7.60/1000 ml
Block:
- Coop Vanille Rahmglace, Fr. 3.20/700 ml
- Nestlé Frisco Vanille, Fr. 5.90/750 ml, Carrefour (ebenfalls erhältlich bei Coop, Manor, Volg)
Joghurts
- Migros Joghurt Stichfest Vanille, Fr. -.60/180 g
- Coop Bio Vollmilchjoghurt Vanille, Fr. -.90/180 g
- Danone Vanille Bourbon stichfest, Fr. 2.95/4 x 125 g, Carrefour
- Bio Jogurt Vanille, Biomilk, Fr. 1.20/150 g, Reformhaus Müller (ebenfalls erhältlich bei Manor, im Bio- und Reformfachhandel)