Extra-vergine-Öle: Nur zwei Produkte sind sehr gut
Bedenklich: 5 von 15 getesteten «extra vergine»-Olivenölen verdienen diese Bezeichnung nicht. In 5 Produkten fand saldo zudem problematische Weichmacher.
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saldo 5/2007
21.03.2007
Beat Camenzind
Olivenöl ist beliebt. In jeder zweiten Schweizer Küche kommt es zum Einsatz. Der Konsument hat die Qual der Wahl: In den Regalen bei Coop etwa stehen rund 30 verschiedene Produkte aus Italien, Spanien oder Griechenland.
Fast alle Olivenöle werben mit der Aufschrift «extra vergine» oder «nativ extra». Das ist die erste Güteklasse. Öle der tieferen Klasse «vergine» («nativ») oder raffinierte Öle findet man kaum im Angebot.
«Extra vergine» ist gleichbed...
Olivenöl ist beliebt. In jeder zweiten Schweizer Küche kommt es zum Einsatz. Der Konsument hat die Qual der Wahl: In den Regalen bei Coop etwa stehen rund 30 verschiedene Produkte aus Italien, Spanien oder Griechenland.
Fast alle Olivenöle werben mit der Aufschrift «extra vergine» oder «nativ extra». Das ist die erste Güteklasse. Öle der tieferen Klasse «vergine» («nativ») oder raffinierte Öle findet man kaum im Angebot.
«Extra vergine» ist gleichbedeutend mit einer aufwendigen Herstellung. Fachleute schwören auf die Handlese der Oliven und deren Pressung innert sechs Stunden nach der Ernte. Die Temperatur darf bei der Pressung 50 Grad Celsius nicht übersteigen. Das Öl darf nicht gepanscht und nicht erwärmt werden. Zu langer Kontakt mit Sauerstoff oder unsachgemässe Lagerung beeinträchtigen die Qualität des Öls.
Messmethoden der EU: Veraltet oder ungenau
Die Schweizer Gesetzgebung macht bezüglich Olivenöl wenig Vorschriften. Die Kantonschemiker orientieren sich deshalb auch an der EU-Gesetzgebung. Diese kennt über 20 Methoden zur Beurteilung von Olivenöl. Der deutsche Olivenölspezialist Christian Gertz vom chemischen Untersuchungsamt Hagen kritisiert: «Die gesetzlich vorgeschriebenen Massnahmen dienen heute immer mehr dazu, Manipulationen und Verfälschungen zu legalisieren.» Die EU-Methoden seien überholt, zu ungenau oder die Grenzwerte zu hoch angesetzt, um Verfälschungen zu erkennen. Gertz hat eine Methode entwickelt, um verbotene Erwärmungen von unter 120 Grad Celsius nachzuweisen. Mit den Methoden der EU sei das nicht möglich.
Note «sehr gut» für Monini und Novella di Macina
Grund genug für saldo, Extra-vergine-Öle beim chemischen Untersuchungsamt Hagen auf Qualität und Herkunft untersuchen zu lassen. Ein zweites Labor untersuchte die Öle zudem auf Weichmacher. Für den Test hat saldo 15 Olivenöle ausgewählt. Neben den meistverkauften sind auch Edelöle, Bio-Produkte und Eigenmarken in der Auswahl vertreten.
Testsieger ist das Monini-Olivenöl von Migros. Ebenfalls mit «sehr gut» schneidet das teurere Edelöl Novella di Macina von Globus ab. Auf dem dritten Rang mit «gut» landet überraschend das Öl der Migros-Eigenmarke Suprema - ein günstiges Öl, an dem das Chemische Untersuchungsamt kaum etwas auszusetzen hatte. Im Mittelfeld tummeln sich so unterschiedliche Produkte wie das Denner-Billigöl, das weitverbreitete Bertolli, ein Migros-Bio-Öl und das Naturata-Bio-Öl. Sie alle schnitten bei der sensorisch-chemischen Beurteilung mittelmässig ab. Preislich variieren sie stark.
Fünf Öle enthalten den bedenklichen Weichmacher DEHP. Das qualitativ sonst hochstehende Musella kam deswegen nicht über ein «genügend» hinaus. Aus dem gleichen Grund rutschte das Produkt von Filippo Berio in die Kategorie «mangelhaft». Auch das Öl von De Cecco, das Morga-Bio-Öl und das Coop-Naturaplan-Öl schafften es wegen des Weichmachers nicht über das Urteil «mangelhaft» hinaus. Das Labor fand in diesen fünf Produkten zwischen 1,9 und 5,4 Milligramm DEHP pro Kilogramm Öl. Diese Werte liegen im Bereich des Grenzwerts, den die EU und die Schweiz demnächst einführen. Die Mehrheit der Hersteller beweist aber, dass ohne problematische Weichmacher Olivenöl produziert werden kann.
Weichmacher werden von der Industrie verwendet, um Kunststoff geschmeidig zu machen. Bei der Herstellung kommen die Oliven oder das Öl in Kontakt mit Kunststoffen. Das kann etwa bei Lagerbehältern oder Pumpschläuchen vorkommen. Weichmacher wie DEHP sind nicht chemisch an den Kunststoff gebunden und gelangen ins Öl. DEHP gilt als fruchtbarkeitsschädigend.
Die Hersteller reagieren unterschiedlich auf die Kritik. De Cecco belegt mit einem Laborbericht, dass in den verwendeten Plastikausgiessern kein DEHP nachgewiesen wurde. Die Azienda Musella will in Zukunft sowohl «auf den Plastikausgiesser als auch auf jeglichen Plastik in der Drehkapsel verzichten». Und Morga will die Kontrollen des Bio-Öls verschärfen.
Weichmacher: Filippo Berio will sein Öl erneut untersuchen
Coop wiederum stuft die gemessenen DEHP-Konzentrationen im Naturaplan-Öl als «unbedenklich» ein. Auch bei Filippo Berio ist man dieser Ansicht. Zudem liefert das Unternehmen einen Laborbericht, in dem kein DEHP im betreffenden Öl gefunden wurde. Da es keine offizielle Nachweismethode für Weichmacher gebe, könnten die Resultate der Labore variieren, heisst es. Dennoch hat die Firma ein weiteres Labor beauftragt, ihr Öl zu untersuchen.
Sieben Produkte erhielten das Gesamturteil «mangelhaft». Das ist weitgehend das Resultat der chemischen Analyse des Untersuchungsamtes in Hagen. Christian Gertz hat die Öle verkostet und mit der von ihm entwickelten Methode untersucht. saldo stützt sein Gesamturteil vorwiegend auf die chemische Analyse. Bei zwei Ölen (Sabo und Coop-Eigenmarke) besteht laut Gertz der «begründete Verdacht der Zugabe von raffiniertem Öl beziehungsweise der thermischen Nachbehandlung», um sensorische Fehler zu eliminieren. Die Eigenmarke von Spar bezeichnet Gertz als «Lampantöl». Das ist kalt gepresstes Öl der niedrigsten Güteklasse, das normalerweise raffiniert wird. Das Öl von De Cecco und das Naturaplan-Öl von Coop entsprechen laut Gertz nur der Güteklasse nativ.
Die Hersteller dieser Öle berufen sich auf die EU-Gesetzgebung. De Cecco dokumentiert die Qualität des Öls mit entsprechenden Laborbefunden. Spar kann sich das negative Ergebnis nicht erklären. Sabo verweist auf einen Test des Tessiner Kantonslabors, der sich an der EU-Verordung anlehnte und bei dem das Öl nicht beanstandet wurde. Der ranzige Geschmack sei möglicherweise bei der Lagerung beim Kunden aufgetreten.
Coop erwägt kürzere Ablauffristen für Naturaplan-Öl
Auch Coop verweist auf die EU-Methoden. Ein sensorisches Urteil durch eine Person sei «unseriös» und die Analyse von Christian Gertz «noch nicht offiziell anerkannt». Zudem zweifelt Coop am Befund zum Naturaplan-Öl. Die Analysewerte zeigten einzig die natürliche Alterung auf. Coop zieht in Betracht, künftig die Angaben zur Konsumationsfrist zu verkürzen, um «nachteilige Veränderungen durch Alterung» kleiner zu halten.
Schliesslich ergab die Untersuchung von Gertz, dass die Herkunft von vier Olivenölen «mit grösster Wahrscheinlichkeit» nicht den auf der Flasche vermerkten Angaben entspricht. Das betrifft die Produkte von De Cecco, Sabo, Morga und die Coop-Eigenmarke. Dazu sagen die Hersteller unisono: Es gebe keine anerkannte Methode zur Bestimmung der Herkunft.
Darum ist Olivenöl gesund
Olivenöl gehört in jede Schweizer Küche. Das rät die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). Grund: Die Zusammensetzung der Fette.
Olivenöl sticht mit einem hohen Anteil von einfach ungesättigten Fettsäuren heraus. Diesen wird nachgesagt, Schutz vor einem Herzinfarkt zu bieten. Dasselbe gilt für die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren.
Kalt gepresste Öle weisen zudem wertvolle Fettbegleitstoffe wie Vitamin E oder Lecithin auf. Weiter machen die darin enthaltenen Phenole die Blutgefässe dehnbarer und sorgen so für eine bessere Durchblutung.
Die SGE empfiehlt Olivenöl für die kalte Küche (Salatsaucen, Marinaden). Es eignet sich aber auch zum Braten und Frittieren. Es sollte kühl und dunkel gelagert werden. Sonnenlicht und Wärme können das Öl ranzig werden lassen, vor allem wenn es in einem durchsichtigen Behälter abgefüllt ist. Wer das Öl offen herumstehen lässt, muss sich nicht wundern, wenn es rasch verdirbt.
Beim Einkauf sollten Kunden auf das Verfalldatum achten. Ein diesen März erstandenes Olivenöl sollte bis etwa Ende 2008 halten. Ist die Herkunft eines Öls genau umschrieben, etwa Olivenöl aus Apulien, Italien, ist das ein Zeichen für qualitativ gutes Öl.