Wenig Transparenz
Immer mehr Elektrizitätswerke bieten teuren Ökostrom an. Aber es ist nicht alles ökologisch, was mehr kostet.
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saldo 4/2003
05.03.2003
Christa Mutter
Früher kochte man mit Strom, heute mit «Rainbow-Mix», «Naturemade Star» oder «Greenpower». Die Stromproduzenten bieten umweltfreundlich produzierte Elektrizität an und verlangen dafür einen Aufpreis. Bringt das der Umwelt wirklich etwas oder nur der Kasse der Strombarone?
«Die Leute vom Umweltgedanken überzeugen»
Bei Swisspower, einem Zusammenschluss städtischer Stromwerke, wirbt Produktmanager Urs Riesen für Ökostrom: «Bei Biokost isst man e...
Früher kochte man mit Strom, heute mit «Rainbow-Mix», «Naturemade Star» oder «Greenpower». Die Stromproduzenten bieten umweltfreundlich produzierte Elektrizität an und verlangen dafür einen Aufpreis. Bringt das der Umwelt wirklich etwas oder nur der Kasse der Strombarone?
«Die Leute vom Umweltgedanken überzeugen»
Bei Swisspower, einem Zusammenschluss städtischer Stromwerke, wirbt Produktmanager Urs Riesen für Ökostrom: «Bei Biokost isst man etwas Gesundes; dieser Eigennutz fällt bei Ökostrom weg, also müssen wir die Leute vom Umweltgedanken überzeugen.» - «Ökostrom macht den Stromsee grüner», sagt Adrian Stiefel vom WWF Schweiz. «Jeder und jede kann einen Beitrag leisten. Man ersetzt für den eigenen Konsum Atomstrom und fossile Energie durch Ökostrom.»
Für einige ist grüner Strom ein Werbeargument, andere handeln mit Herzblut. Einer von ihnen ist Markus Russi, Direktor des Elektrizitätswerks (EW) Ursern, das ein 45 Meter hohes 800-Kilowatt-Windrad ob Andermatt betreibt: «Als Surfer bin ich begeistert von der Windenergie. Der Gütsch erwies sich als idealer Standort: Es bläst kräftig, eine Zufahrt und eine Stromleitung waren auch schon da.» Seit einem halben Jahr steuert das Windrad 6 Prozent zur EW-Produktion bei, genug für 400 Haushalte.
Nun sucht Markus Russi Kunden, die 18 Rappen Aufpreis auf die Kilowattstunde Strom zahlen. Alex Renner, EW-Verwaltungsrat und Hotelier, wollte zu den Ersten gehören: «Da geht es nicht darum, speziell grün zu sein. Es ist bloss vernünftig, eine gute Sache zu fördern. Meine Gäste sind ebenfalls begeistert.» Bald sollen ein zweites und drittes Windrad «Gotthardenergie Star» produzieren.
Der Geschäftsführer der Windlobby Swiss Eole, Robert Horbaty, möchte die heutige Windstromproduktion von 30 Gigawattstunden bis 2010 verdoppeln oder verdreifachen. Grösste Knacknuss ist dabei, Stromproduktion und Landschaftsschutz unter einen Hut zu bringen.
Solarstrom bei den Kunden sehr beliebt
Wer mehr bezahlt, will natürlich Qualitätsgarantien. Seriöse Anbieter lassen ihren Ökostrom zertifizieren. Aber welches Label bietet Gewähr?
Im Vergleich erweist sich «Naturemade Star» als strengstes Label (siehe Kasten). Der Verein für erneuerbare Energien (VUE) prüft jährlich, wie und wie viel Ökostrom produziert wird. «Nur wer echten ökologischen Mehrwert schafft, erhält das Label», erklärt VUE-Geschäftsführerin Cornelia Brandes, «das gilt besonders für die Wasserkraft: Ein Rappen pro Kilowattstunde geht in einen Förderfonds für Umweltprojekte. Beliebt bei den Kunden ist der teure Solarstrom. Auch da machen wir Auflagen: Solarzellen gehören ins überbaute Gebiet, auch Windräder müssen in einer landschaftlich belasteten Gegend stehen.»
Ökostrom: Keine Transparenz beim Grundpreis
Wenig Freude haben Energiefachleute am TÜV-Label. In Deutschland fördert es Wasserkraft statt Kohlestrom. Wenn aber zum Beispiel die Axpo herkömmliche Schweizer Wasserkraft als Ökostrom anpreist, ist das alter Wein in neuen Schläuchen.
Um glaubwürdig zu sein, arbeite Swisspower nur mit «Naturemade Star», betont Urs Riesen: «Es muss eine unabhängige Kontrolle geben.» «Naturemade»-Kunden erhalten also garantiert grüne Ware.
Leider wird der Preis nicht kontrolliert. Nur wenige Werke legen ihre Kosten für Ökostrom freiwillig offen. «Beim Grundpreis gibt es im Strommarkt keine Transparenz, beim Aufpreis und den Förderrappen schon», erklärt Adrian Stiefel. Der VUE schätzt, dass die meisten «Naturemade»-Angebote ohnehin höchstens selbsttragend seien. Wie das EW rechnet, muss die Kundschaft selbst erfragen.
Stadtwerke können heute in 3 bis 5 Prozent der Haushalte teuren Ökostrom verkaufen. Diese Kundschaft hat auch beim Preis eine offene Information verdient.
Garantiert umweltfreundliche Wahl
Die Schweizerische Agentur für Energieeffizienz (S.A.F.E.) hat den Dschungel der Ökostromangebote durchforstet. Auf www.topten.ch bewertet sie Stromofferten aus Sonne, Wasser, Wind oder Biomasse. «Naturemade Star»-Produkte schneiden klar am besten ab. Hilfreich sind die Preisangaben: Ein Aufpreis von 65 bis 90 Rappen pro Kilowattstunde ist für Solarstrom tragbar, für Wasserkraft 5 bis 10 Rappen und für Windenergie 20 bis 50 Rappen.