Stockend erzählt Markus Staub von jenem Erlebnis am 1. August vor zwei Jahren. Seine Erinnerung ist schwammig. Was er darüber weiss, haben ihm später Kollegen berichtet. Mit ihnen stieg der Hobbybergsteiger an diesem Nachmittag auf den Vorderglärnisch, einem Berg in den Glarner Alpen. Die sieben Berggänger wollten dort das traditionelle Höhenfeuer entfachen.
So weit kam es jedoch nicht. Markus Staub wurde vom Blitz getroffen. «Er schlug an meinem Hinterkopf ein», sagt er. «Durch die Energie wurde ich einen Meter in die Luft geschleudert.» Gespürt hat der 61-Jährige aus Haslen GL aber nichts. Er erlitt einen Herzstillstand und war bewusstlos. «Hätten mich meine Kollegen nicht wiederbelebt, wäre ich wohl gestorben.» Als 15 Minuten später der Helikopter der Rega eintraf, kam Staub wieder zu sich. Erst im Spital in Zürich habe er begriffen, was geschehen sei.
Blitze treffen Menschen nur selten
Durch den Blitzeinschlag erlitt Markus Staub mittelschwere Verbrennungen am Hinterkopf, am Hals und an den Füssen, wo der Blitz ausgetreten war. Zudem zog er sich durch den Sturz über dem linken Auge eine Platzwunde zu. Körperlich geht es ihm heute aber wieder gut. Und auch mental hat er den Unfall verarbeitet, wie er sagt. Trotzdem hat der Blitzeinschlag Spuren hinterlassen. «Wenn ein Gewitter vorhergesagt wird, gehe ich nicht mehr in die Berge.»
Markus Staub hatte Pech. Denn Blitze treffen Menschen nur selten. In der Schweiz zum Beispiel schlagen gemäss Meteo Schweiz pro Jahr durchschnittlich 150 000 Blitze in die Erde ein. Nur bei acht davon kommt es zu Unfällen mit Menschen. Die wenigsten sterben: Von 2005 bis 2014 kamen drei Personen durch einen Blitzschlag ums Leben (siehe Kasten rechts). Das zeigen Zahlen der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva.
Thomas Schlegel, Meteorologe bei Meteo Schweiz, sagt: «Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand von einem Blitz getroffen wird, ist sehr klein.» Am meisten Blitze schlagen in den Bergen ein – vor allem im Jura, in den Voralpen und im Tessin. Das zeigen Daten von Meteo Schweiz.
Wandertouren zeitlich gut planen
Sind Gewitter vorhergesagt, muss man aber nicht auf eine Bergwanderung verzichten. Wichtig ist, dass man sich richtig verhält. Das heisst: die Tour zeitlich gut planen und den Wetterbericht studieren. Bruno Hasler, Bergführer und Ausbildungschef beim Schweizer Alpen-Club, rät: «Brechen Sie früh am Vormittag auf. Die meisten Gewitter sind am Nachmittag.»
Auch während der Wanderung sollte man das Wetter gut im Auge behalten. Hasler sagt: «Wenn man merkt, dass man sich zeitlich verschätzt hat und die Gewitterwand nahe ist, sollte man exponierte Stellen wie Gipfel oder Grate meiden.» Dabei darf man nicht vergessen: Bei einem Blitzeinschlag steht auch der Boden in unmittelbarer Umgebung unter Strom. Die Spannung nimmt mit der Entfernung aber rasch ab. Thomas Schlegel sagt: «Bereits einige Meter vom Grat entfernt ist die Gefahr eines Stromschlags viel kleiner.»
Wird man trotz aller Vorsicht an einem exponierten Ort vom Blitzgewitter überrascht, rät Schlegel: «Machen Sie sich klein. Gehen Sie in die Hocke und stellen Sie die Füsse nahe zusammen.» Im Wasser sollte man sich nicht aufhalten, wenn es blitzt. Klaus Marquardt, Meteorologe bei Meteonews, sagt: «Bei einem Gewitter hat man auf dem und im Wasser nichts verloren. Dort ist man fast immer der höchste Punkt.» Zudem leite das Wasser den Strom stark.
Wer sich bei einem Blitzgewitter auf einer freien Fläche, etwa auf einem Fussball- oder Golfplatz, befindet, sollte sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Marquardt sagt: «Wenn man das Gewitter in der Ferne sieht, bleibt oft genug Zeit, um zu einem schützenden Ort zu gehen.» Abwarten dürfe man aber nicht: «Legen Sie Golfschläger oder andere metallische Gegenstände sofort hin und suchen Sie Schutz in einem Auto oder in einem Haus.»
Im Wald sind Blitze weniger gefährlich. Marquardt rät: «Wird man dort von einem Gewitter überrascht, sollte man unter einem kleineren Baum Schutz suchen.» Von ganz grossen Bäumen müsse man aber Abstand halten.
Blitzschlag: Opfer leiden oft lang an den Folgen
Ein Blitzschlag ist in den seltensten Fällen tödlich. 95 von 100 Opfern überleben den Blitz. Bei vielen Betroffenen treten später aber rätselhafte Beschwerden auf.
Mögliche Folgen sind zum Beispiel Persönlichkeitsveränderungen, chronische Schmerzen oder übermässige Reizbarkeit. Andere Opfer leiden an Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen.
Einige Opfer berichten auch von Tumoren. Das zeigt die Forschung der Blitzexpertin Mary Ann Cooper von der University of Illinois in Chicago (USA).
Bei einem Blitzschlag fliesst der Strom der Körperoberfläche entlang und verbrennt die Haut. Ein Teil des Blitzes dringt auch ins Innere des Körpers. Dabei kann er Organe, Gewebe und Nerven zerstören. Die häufigsten Todesursachen sind Herzstillstand und Herzflimmern.