Die 60-Jährige erschien vor den drei Richtern am Richteramt Bucheggberg-Wasseramt SO mit ihrer Anwältin. Sie fordert Schadenersatz für den Lohn bis zum Ende der Kündigungsfrist sowie eine Entschädigung wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung. Gesamtbetrag: 68 000 Franken. Zudem verlangt sie ein besseres Arbeitszeugnis, als ihr der Arbeitgeber nach 26 Jahren ausgestellt hat.
Der Chef der beklagten Firma und sein Anwalt beteuern, die fristlose Entlassung sei nicht Knall auf Fall erfolgt. Die Probleme hätten bereits lange vor der fristlosen Entlassung am 28. März 2013 begonnen. Am 28. Januar, am 4. März und letztmals am 18. März hätten Gespräche mit der ehemaligen Angestellten stattgefunden. Dabei habe man sie auf falsche Verbuchungen aufmerksam gemacht und Besserung verlangt. Leider erfolglos.
Die fristlose Entlassung sei dann eine Notbremse gewesen. Die 60-jährige Frau war im Unternehmen zuständig für den Zahlungsverkehr mit einem wichtigen Kunden. Dabei musste sie unter anderem die Preise der versandten Produkte erfassen.
«Die Angestellte hat der Firma absichtlich Schaden zugefügt»
Der ehemalige direkte Vorgesetzte der Klägerin tritt vor Gericht als Zeuge auf. Er bestätigt die Version seines Arbeitgebers. Die Firma habe im Herbst 2012 eine Computerumstellung vorgenommen. Mit dem neuen System sei die Frau einfach nicht klargekommen. «Sie hat immer wieder Fehler gemacht und versucht, diese zu vertuschen und damit der Firma absichtlich Schaden zugefügt.» Der Kunde habe reklamiert. Man habe ihr eine andere Mitarbeiterin zur Seite gestellt. Doch die Frau habe sich nicht helfen lassen.
Der Firmenchef gibt zu, dass ihm dann am 28. März 2013 der «Kragen geplatzt» sei, nachdem er einmal mehr festgestellt habe, dass die Frau ein E-Mail mit falschen Preisen verschickt habe. Damit dies niemand bemerke, habe sie das E-Mail nachher gelöscht. Der wiederholte Vertrauensbruch habe die fristlose Entlassung leider unumgänglich gemacht.
«Man hätte mich kaum 26 Jahre behalten, wenn ich alles nur schlecht gemacht hätte», kontert die Klägerin mit Tränen in den Augen. Zwar habe sie anfänglich tatsächlich mit der Systemumstellung Mühe gehabt. Doch es sei bald besser geworden. Das Problem liege an einem andern Ort: Sie habe immer als Sündenbock herhalten müssen.
Ihre Anwältin macht geltend, anlässlich der vom Arbeitgeber erwähnten drei Gespräche sei nie von einer Kündigung die Rede gewesen. Es sei auch nie zu einer Abmahnung gekommen. Das E-Mail mit den falschen Preisangaben habe die Frau nicht absichtlich geschickt. Immer wenn eine Aufgabe erledigt gewesen sei, habe die Frau die entsprechenden E-Mails gelöscht. «Das war auch hier der Fall.»
Der Gerichtspräsident ist gleicher Meinung. Zwar habe die Frau Fehler gemacht. Doch seien diese nicht absichtlich passiert. Deshalb könne ihr keine schwere Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Eine Abmahnung habe es vor der fristlosen Kündigung nicht gegeben. Deshalb sei die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt. Wenn die Firma mit der Arbeit der Frau nicht mehr zufrieden gewesen sei, hätte sie ihr unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist kündigen können.
Die Klägerin erhält 50 000 Franken sowie ein besseres Zeugnis
Deshalb schlägt der Gerichtspräsident den Parteien einen Vergleich vor: Die Arbeitgeberin solle der Klägerin 48 000 Franken zahlen – 32 000 Franken für entgangene Löhne sowie 16 000 Franken Entschädigung wegen unzulässiger fristloser Kündigung.
Nach kurzen Verhandlungen einigen sich die Parteien darauf, dass die Klägerin von der Beklagten 45 000 Franken erhält. Dazu kommt eine Parteientschädigung von 5000 Franken für die ihr entstandenen Anwaltkosten. Zudem erhält die Frau ein besseres Zeugnis. Das wird ihr die Suche nach einer neuen Arbeit etwas einfacher machen. Sichtlich erleichtert unterzeichnet sie den Vergleich.
Prozessieren: Zuerst gegen Entlassung protestieren
Wer zu Unrecht fristlos entlassen wird, sollte sofort schriftlich dagegen protestieren und seine Arbeit bis zum Ende der normalen Kündigungsfrist anbieten (Musterbrief siehe saldo.ch › Service › Recht + Arbeit › Protest Fristlose Kündigung). Hält der Betrieb trotzdem an der sofortigen Entlassung fest, können Angestellte umgehend den gesamten Lohn für den Rest der Kündigungsfrist sowie zusätzlich eine Entschädigung von maximal sechs Monatslöhnen wegen ungerechtfertigter fristloser Entlassung einklagen.
Gleichzeitig sollte man beginnen, eine neue Arbeit zu suchen. Wer noch während der Kündigungsfrist eine neue Stelle antritt, muss sich an die eingeklagte Summe anrechnen lassen, was er beim neuen Arbeitgeber verdient.
Niemand ist aber nach einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung gezwungen, eine Arbeit anzunehmen, die ihm nicht zusagt.